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Ausgabe:

1910 Nr. 19

Spalte:

594

Autor/Hrsg.:

Gauthier, L.

Titel/Untertitel:

La théorie d‘Ibn Rochd (Averroës) sur les rapports de la religion et de la philosophie 1910

Rezensent:

Horten, Max

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593

Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 19.

594

Paulus an 7 Gemeinden fchrieb, da der Hebräerbri ef
nicht von ihm, fondern vielleicht von Clemens ist. Von
den 4 ^na entfpricht der Löwe dem Matthäus, der
Menfch dem Markus, der Stier dem Lukas. Die vier
Engel vertreten die Perfer, Meder, Babylonier und
Affyrer. Nur eine Stelle ergibt wohl eine Berichtigung
zu Hippolytus. In der Berliner Ausgabe (I, 2 S. 245)
fchreibt Achelis den Namen des römifchen Befehlshabers
, der das Götzenbild namens Kore im Tempel
aufrichtete, .Trajanus Quintus'; unfere Ausgabe hat
S. 17 Z. 24 DltFÄip; das führt doch auf ,Quietus', und
ift mit den jüdifchen Nachrichten über den Krieg des
Quietus zufammenzunehmen. (Qwynn's Ausgabe in Her-
mathena Bd. VII, 1880 ift mir nicht zur Hand, fo weiß
ich nicht, ob Quintus bei Achelis nur Druckfehler ift.)
Diefe Abfchnitte aus Hippolytus find das einzige, was
aus diefem Band (a. a. O.) bisher gedruckt war (aus der
Londoner Hdf. Rieh 7185, nicht ,adi/.1 wie hier S. 1 getagt
ift).

Bei der Apoftelgefchichte — S. 30 bis 114 — werden
als Autoritäten genannt: Chryfoftomus, Jakob von Sarug,
Ephrem, Athanasius, Eufebius, Johannes von Afien, Jakob
von Edeffa; weiterhin noch Daniel von Salach, Methodius
von Patara, Bafilius. Lukas und Theophilus flammen aus
Alexandrien. Die Wiederholung des Namens Saul beim
Damaskusruf erweckte in ihm das Bewußtfein der Sünde,
wie das doppelte Adam in Gen 3, wo unfere Zeugen
von einer Wiederholung des Namens nichts wiffen. Den
Namen Paulus nahm er bei der Ordination an (13,3).
Die Vertreibung der Juden unter Klaudius war durch
die Hungersnot oder den Bericht der Protonike von
der Kreuzauffindung veranlaßt. Über den Altar des unbekannten
Gottes und den Areopag allerlei Legendarifches.
Daß das Zitat des Paulus aus Arat ftammt, weiß B.; wer
wies erftmals auf ihn hin? Der Befitzer der Schule in
19, 9 heißt Tyrannius. Sonft fiel mir textkritifch nur auf,
daß auch B. in 11, 27 den Zufatz kennt ,und es war dort
ein großer Jubel'. Außer D nennt Tifchendorf nur
Auguftin, Wordsworth-White einige wenige lateinifche
Hdff.; ich füge einen Hinweis auf die deutfehe Bibel in
den Hdff. von Tepl u. Freiberg hinzu, und jetzt auf
diefen Syrer.

Für die kleineren katholifchen Briefe, die nicht in
der gewöhnlichen fyrifchen Kirchenbibel flehen, benutzt
B. die Lberfetzung des Thomas von Heraklea, wie die Über-
fchrift zu L Petrus (S. 134) ausdrücklich hervorhebt. Die Pe-
fchito zitiert er unter diefem Namen (als msc. oder fem)
52, i; 57, 17; 74, T7', den oder die Harklenfis 78, 12; 87,
5. 12; 99, 13; 102, 27; 106, IO; ,den Syrer' oder,die fyrifche'
fc. Überfetzung 123, 13; 126, 9; 140, 12; 152,5; 155, 5; 162,
31. Bei II. Petr. bemerkt er, diefer Brief fei nicht ins
Syrifche überfetzt worden mit den Schriften, die in den
Tagen der Alten überfetzt wurden, und findet fich deswegen
nur in der Überfetzung des Thomas, Bifchof von
Heraklea; er fei aber von Petrus, wie auch die Lehrer
bezeugen. Die 8 Tugenden, die er im Eingang zu-
fammenftellt, entfprechen den 8 Sünden. — I. Joh. ift
gegen die alten Phantafiaften und gegen zeitgenöffifchc
Bekämpfer der Beichte zu gebrauchen; II Joh. warnt
vor Simoniancrn; der Judasbrief vor Manes und Bardai-
fan. Von felteneren Ketzereien, die erwähnt werden,
nenne ich die Borborianer S. 62.

Als Beitrag zur Gefchichte der Exegefe im Mittelalter
ift die Veröffentlichung dankenswert; bequem wäre
es gewefen, wenn die Herausgeber am Rand Kapitel und
Verfe der befprochenen Stellen namhaft gemacht hätten.
Statt deffen fügen fie die europäifche Kapiteleinteilung
mit fyrifchen Buchftaben in den Text ein, ohne Andeutung
ob das ihre Zutat oder handfehriftliche Überlieferung
ift.

Maulbronn. Eb. NefUe.

Gauthier, L., La theorie d'lbn Rochd (Averroes) sur les
rapports de la religion et de la philosophie. (Publications
de l'ecole des lettres d'Alger. Tome XLI.) Paris, E.
Leroux 1909. (V, 199 p.) Lex. 8°

— Ihn Thofai'l, sa vie, ses oeuvres. (Publications de l'ecole
des lettres d'Alger. Tome XLII.) Ebd. 1909. (V,
128 p.) Lex. 8°

Seit ungefähr zehn Jahren ift Gauthier bekannt als
Schriftfteller auf dem Gebiete der Philofophie im Islam.
Seine Studien erftrecken fich auf die kleine Gruppe der
arabifch-fpanifchen Philofophen, die eine große Bedeutung
für die lateinifche Scholafiik gehabt haben, für die gewaltige
Entfaltung, die die Philofophie feit Avicenna und
Gazäli im* im Islam nahm (befonders in Perfien), jedoch
ohne Bedeutung geblieben find. Die Refultate, zu denen
G. gelangt ift, find für die Wiffenfchaft fehr dankenswert.
In feinem Werke über ibn Tufail (teilt er zunächft die
Tendenz des philofophifchen Romans Hai bn Jakdän feft.
In demfelben will ibn Tufail die Verföhnung zwifchen
Glauben und Wiffen darftellen. Das Erkennen beruht
darauf, daß der Geift des Menfchen fich mit dem aktiven
Intellekte der Himmelsfphäre verbindet und von ihm
Auffchlüffe über das Wefen der Dinge und deren Urheber
erhält. Auf natürlichem Wege, durch Nachdenken
über die finnlich wahrnehmbare Welt, gelangt man alfo
zur Erkenntnis der wichtigften religiöfen Wahrheiten.
Der Prophet erlebt eine vollkommenere Art des Erkennens.
Er ift intenfiver mit dem aktiven Intellekte verbunden,
befitzt dabei aber die Gabe, die abltrakten Wahrheiten
den Ungebildeten in bildlicher Form darzuftellen. Zwifchen
Philofophie und Offenbarung kann alfo nie ein fachlicher,
realer Widerftreit entftehen. Die fcheinbaren Wider-
fprüche werden dadurch gelöft, daß der Philofoph die
Dogmen nach feiner abftrakten Erkenntnis interpretiert
und auf diefe Weife aus den bildlichen Ausdrucksweifen
des Koran den geiftigen Gehalt herausfehält, der auch
die eigentliche Intention des Propheten war. Dem ungebildeten
Volke darf man die wiffenfchaftlichen Interpretationen
aber nicht mitteilen. Man würde von ihm
nur mißverftanden werden. Die gleichen Prinzipien und
Auffaffungswcifen des religiöfen Problems finden wir bei
Averroes. Von einem eigentlichen Rationalismus, der
die Offenbarung leugnet, kann bei ihm alfo keine Rede
fein. Jedes Erkennen i(t fogar Offenbarung, wenn auch
unvollkommener als die des Propheten. Es ift in dem
Werke über Averroes das Verdienft G., gründlich mit
der Vorftellung aufzuräumen, als habe Averroes die Lehre
von der doppelten Wahrheit gelehrt. Es gibt nach Av.
nur eine Wahrheit, die in einer doppelten Form, der
Offenbarung und Philofophie, vorhanden ift. Der Philofoph
muß jedoch feine Interpretationen der Dogmen dem
Volke verheimlichen, nicht als ob fie mit der Religion
im Widcrlpruche ftänden, fondern weil die geiftlofe Menge
fie nicht verfteht. Dogmen zu leugnen darf der Philofoph
fich nie erlauben. Averroes ift eine durchaus myftifch
denkende Natur im neuplatonifchen Sinne. Sein fogen.
Rationalismus ift daher ein fehr befchränkter und naiver.
Seine heftige Oppofition gegen die Theologen beruht
hauptfächlich darauf, daß diefe es unternahmen, wiffen-
fchaftliche Auslegungen der Dogmen unter das Volk zu
(treuen und fo Anlaß zu Härenen zu geben.

Beide Werke find in einem angenehmen Stile ge-
fchrieben. Im zweiten ift G. fichtlich bemüht (m. E. etwas
zu viel), einen befchränkten Rationalismus des Averroes
aufrecht zu erhalten.

Bonn. Dr. Max Horten.