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Ausgabe:

1910 Nr. 1

Spalte:

579

Autor/Hrsg.:

Stählin, Otto

Titel/Untertitel:

Editionstechnik 1910

Rezensent:

Koetschau, Paul

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Seite 1

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579

Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 19.

ben und Vertrauen angewiefen, ohne das überhaupt nichts
Großes geleiftet wird. Und vielleicht ift nun doch auch
in folchem Glauben und Vertrauen Vernunft, weil es
notwendig ift für eine fefte Stellungnahme des ,Lebens'
zu den .Werten'.

Damit ift die Beurteilung der Tendenz diefer Zeit-
fchrift, fofern fie die Theologie befonders angeht, nahegelegt
. Selbftverftändlich wird man den Verflach, ,Ver-
nunft' auch in der Religion wie in allen Kulturfaktoren
aufzufuchen, nur gutheißen können. Bloß, daß uns dabei
eins erfpart bleibe: ein Rückfall nämlich in das intellek-
tualiftifche Streben, die Rationalität der Religion darzutun
durch den Nachweis einer ihr zukommenden Notwendigkeit
nach Art der Notwendigkeit logifcher oder
mathematifcher Axiome. So verführerifch ein derartiges
Unternehmen einzelnen heute wieder fcheinen mag, es
bedeutetelgnorierung derErgebniffe langwieriger religions-
pfychologifcher Arbeit, Erneuerung der Verwechflung
von Wiffen und religiöfem Glauben. Die .Vernünftigkeit'
des letzteren könnte .vernünftigerweife' immer nur pofitiv
dargetan werden durch den Nachweis einer ihm einwohnenden
teleologifchen Notwendigkeit, einer Notwendigkeit
für Zwecke.

Straßburg i. E. E. W. Mayer.

Stählin, Otto, Editionstechnik. Ratfchläge für die Anlage
textkritifcher Ausgaben. Sonderabdruck aus
dem zwölften Jahrgang der Neuen Jahrbücher für das
klaffifche Altertum, Gefchichte und deutfche Literatur.
Leipzig, B. G. Teubner 1909. (43 S.) Lex. 8° M. 1.60

Während für die Herausgabe von Urkunden eine
reiche Literatur vorliegt (S. 4), hat es für die Herausgabe
wiffenfchaftlich bearbeiteter Texte bisher an einer
praktifchen und erfchöpfenden Anleitung gefehlt. Höch-
ftens könnte man das .Regulativ für die Anlage der Ausgaben
des Corpus scriptor. eccl. lai.' (S. 8) hier nennen,
das aber doch eben einem befonderen Zwecke dient.
Die Schrift Stählins ift daher fehr willkommen, da fie
eine von manchem fchon empfundene Lücke ausfüllt und
hoffentlich auch zur Verftändigung über gewiffe allgemeine
Grundfätze der Editionstechnik beitragen wird.

Stählin befchränkt fich mit Recht darauf, die für
Herftellung wiffenfchaftlicher Ausgaben nötigen Winke
zu geben. In 31 Abfchnitten handelt er I. von der Vorbereitung
der Ausgabe und betont hier u. a. die
Notwendigkeit, die älteren Ausgaben gründlich auszunutzen
, ungedrucktes Material heranzuziehen, Verftändigung
mit andern Forfchern zu erftreben, und erteilt
aus eigener Erfahrung S. 15—17 fehr beherzigenswerte
Ratfchläge für das Kollationieren von Handfchriften.
Der II. Hauptteil betrifft den Druck der Ausgabe.
Nach dem richtigen S. 7 ausgefprochenen Grundfatz,
daß eine wiffenfchaftliche Ausgabe dem Forfcher die
Arbeit .möglichft erleichtern und bequem machen' müffe,
ftellt der Verf. feft, was die Einleitung enthalten, wie der
Apparat befchaffen fein foll, endlich wie die Regifter
anzulegen find, und weift nach Krumbachers Vorgang
energifch darauf hin, daß über die im Text zu verwendenden
textkritifchen Zeichen (Klammern, Sterne u. dgl.)
endlich eine Einigung erzielt werden müffe (S. 24).

Jeder, der Texte gebrauchen muß, wo diefelben
Zeichen verfchiedene Bedeutung haben, wird diefe Forderung
als gerecht und notwendig anerkennen. Möge
alfo diefe Mahnung nicht ungehört verhallen! Der inhaltreichen
und in vielfacher Hinficht anregenden Schrift,
die aus der Arbeit für die Berliner Ausgabe der griechifchen
Kirchenväter hervorgegangen und für deren Fortführung
befonders wichtig ift, wünfchen wir viele aufmerkfame
Lefer.

Weimar. Paul Koetfchau.

inck, Prof. Dr. Franz Nikolaus, Die Sprachftämme des
Erdkreifes. (Aus Natur und Geifteswelt. 267. Bändchen
.) Leipzig, B. G. Teubner 1909. (VIII, 143 S.)
8" M. 1—; geb. M. 1.25

— Die Haupttypen des Sprachbaus. (Aus Natur und Geifteswelt
. 268 Bändchen.) Ebd. 1910. (VI, 156 S.) 8°

M. 1—; geb, M. 1.25

Im Mai diefes Jahres ift der Verfaffer der vorliegenden
beiden Büchlein im Alter von 43 Jahren aus dem Leben
gefchieden. Mit ihm hat die Sprachwiffenfchaft einen
Forfcher verloren, wie er ihr vermöge der gleichartigen
Verbindung von univerfellfter Sprachbegabung, ausgezeichneter
fprachwiffenfchaftlicher Schulung und tief-
dringender, aber auch ftilvollendeter Darftellungsweife
feiten gefchenkt worden ift. Gerade diefe beiden Arbeiten
zeigen am fchönften die Allumfaffendheit von Finck:
fie geben uns beide ein Gefamtbild von den Sprachen
des Erdkreifes, freilich von ganz verfchiedenartigem
Standpunkt aus. In feinem 1. Büchlein führt uns F. die
Sprachftämme des Erdkreifes vor, indem er fie nach
vier Raffen gruppiert: die Sprachen der kaukafifchen,
mongolifchen, amerikanifchen und äthiopifchen Raffe.
In bewunderungswürdiger Kürze und Gemeinverftändlich-
keit bietet er hier die Refultate fremder und eigener tief
eingreifender Forfchung, überall zuverläffig und die verwirrende
Menge der Sprachen meifterhaft ordnend. Ein
ausführliches Gefamtverzeichnis von ca. 2000 Sprachen
gibt ein Bild von dem Reichtum des Inhalts und die
I Möglichkeit, eine unbekannte, uns irgendwie begegnende
[ Sprache in ihren richtigen Zufammenhang zu bringen.
Will F. mit diefem Werkchen den Lefer in die
genealogifche Klaffifikation der Sprachen einführen, fo
j werden in dem zweiten Büchlein die Sprachen nach ihrer
morphologifchen Verwandtfchaft gruppiert: aber nur ein
i Beifpiel von jedem Sprachtypus wird herausgehoben, an
I dem dann die Befonderheiten jedes Typus klar und ein-
| dringlich dargelegt werden.

So fchildert Finck nach einer orientierenden Einleitung
mit Hilfe der chinefifchen, grönländifchen, Sfu-
bija-, türkifchen, famoanifchen, arabifchen, griechifchen
und georgifchen Sprache den Typus der wurzelifolieren-
den, einverleibenden, anreihenden, unterordnenden, ftamm-
ifolierenden, fowie wurzel-, flamm- und gruppenflektieren-
! den Sprachen.

Jeder, der lebendiges Intereffe an der Sprachwiffenfchaft
hat, befonders aber der Orientalin, dem auf Schritt
I und Tritt eigenartige und unbekannte Sprachen begegnen,
wird aus beiden Büchlein, die einander vortrefflich ergänzen
, reichfte Belehrung fchöpfen, zumal über all den
Einzelheiten doch immer die allgemeine Idee ruht, die
Finck, als geiftiger Schüler W. von Humboldts, immer
wieder zu betonen pflegte: ,daß die Sprachen mehr find
als bloße Verftändigungsmittel, daß fich jedes Volkes
geiftige Eigenart, wenn auch nicht ganz, fo doch zu
großem Teile in feiner Rede offenbart'.

Göttingen. R. Trautmann.

Dill mann, f Prof. August, Ethiopic Grammar. Second edi-
tion enlarged and improved (1899) by Prof. Carl Be-
zold, Ph.D., LL.D. Translated by James A. Crichton
D.D. London, Williams & Norgate 1907. (XXX, 581
p. with IX tables.) s. 25 —

Crichton, dem wir bereits eine 1904 erfchienene
englifche Überfetzung der 2. Aufl. von Nöldekes Syri-
fcher Grammatik (1898) verdanken, hat fich nun auch
der mühsamen Aufgabe mit großem Gefchick unterzogen
, die von Bezold 1899 beforgte 2. Auflage der
äthiopifchen Grammatik von Dillmann ins Englilche zu
übertragen, womit er englifchen Studenten einen wefent-
lichen Dienft geleiftet hat.