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Ausgabe:

1910 Nr. 18

Spalte:

558-560

Autor/Hrsg.:

Stählin, Otto (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Clemens Alexandrinus. III. Band: Stromata Buch VII und VIII 1910

Rezensent:

Koetschau, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 18.

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Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium, curantibus
J. 15. Chabot, J. Guidi, H. Hyvernat, B. Carra de Vaux.
Scriptores aethiopici. Series prima. Tomus VII.
gr. 8° Leipzig, O. Harraffowitz 1909.

Series I, tom. VII: Apocrypha de B. Maria Virgine. Edidit M.
Chaine, S. J. Romae. Textus. (80p.) M. 4.40; Versio (68 p.) M. 2 —

Unter dem Titel ,Apocrypha de b. Maria virgine' j
werden uns hier in äthiopifchem Text und lateinifcher
Überfetzung vorgelegt I. das Protevangelhim Jacobi
II. der Transitus Mariae und III. eine auch in dem
Originaltexte bisher noch nicht gedruckte Vifion oder
Apokalypfe der Maria.

I. Die äthiopifche Verfion des Protevangeliums weift
gegenüber den andern Formen manche Verfchieden-
heiten auf. Unter diefen fallen am meinten die Erweiterungen
auf. Ein Teil davon ift belanglos, da er aus
Einfügungen von Teilen der Vorgefchichte des 1. und
3. Evangeliums wie des Magnifikat, den Hirten auf dem
Felde, die hier mit den Magiern konfundiert werden, der
Keife nach Ägypten u. a. m. befteht. Andere diefer
Hinzufügungen lind nicht unintereffant. Der kurze Ausdruck
z. B., daß Joachim am Stirnband des Priefters j
,keine Sünde fah', wird in der äth. Verfion fo gedeutet,
daß das Angefleht derjenigen Opfernden, deren Opfer
Gott wohlgefiel, in dem Diadem erfchien, bei den anderen
dagegen nicht. Bei der Rückkehr der Magier, die
hier offenbar als Perfer vorgefiellt werden, wird erzählt,
wie deren Feueranbetung entftanden ift. Auf die Frage
ihres Königs, was das Jefuskind denn ihnen gefchenkt
hätte, antworten fie: ,Es gab uns ein wenig gefegnetes
Brot, das wir unter der Erde verborgen haben'. Als fie j
dasfelbe dann auf die Aufforderung des Königs holen
wollen, fchlägt ihnen beim Nachgraben Feuer entgegen,
das fie in der Folge angebetet haben. Diefe Wucherung
wird auf fyrifchem Boden gewachfen fein. Alle
diefe Erweiterungen werden wie die anderen Abweichungen
für die Rekonftruktion der urfprünglichen
Form des Protev. wohl nicht in Betracht kommen, ftudiert
werden müffen fie aber trotzdem, allein fchon im Intereffe
der Legendenforfchung.

II. Der äthiopifche Tranfitus ftimmt ziemlich genau
mit einer der von Frau Lewis herausgegebenen fyrifchen
Formen, die mir felbft auch in einer in meinem Befitz
befindlichen fyrifchen Handfchrift vorliegt, überein — in
den Grenzen, in denen diefe orientalifchen Texte überhaupt
unter fich übereinzuftimmen pflegen. Die äthiopifche
Verfion beruht auf einer arabifchen Vorlage, wie
die Form der Namen, z. B. Ankär ftatt Abgar und ftän- '
dig Beta maqdas für Jerufalem, beweift.

III. In nachislamifche Zeit fällt auch die äthiopifche
Form der Vifion der Maria. Den Inhalt diefes Apokryphons
bildet eine Himmels- und Höllenreife der Maria. Beim Gebet
auf Golgatha wird Maria als ein weiblicher Henoch in
den Himmel entrückt und berichtigt dort die verfchiedenen
Aufenthaltsorte, Belohnungen und Strafen, Paradiefes-
wonnen und Höllenqualen — unter letzteren mehrere
Sorten Tantalusqualen — von Seligen und Verdammten
verfchiedener Qualitäten, wobei ihr Sohn Begleiter und
Cicerone ift. Sie hat dann ihren Reifebericht dem Johannes
zur fchriftlichen Fixierung anvertraut. Ift die
zweifellos aus dem Arabifchen überfetzte äthiopifche Form
auch fpät anzufetzen, da in ihr fchon die Muham-
medaner wegen ihrer Skepfis gegenüber dem chrifto-
logifchen Dogma mit abgehauenen Händen und Füßen
in der Finfternis ihre Strafe abbüßen, die urfprüngliche
griechifche Form, die in Hff. vorhanden ift, kann etwas
älter fein, wenn darin, was man vermuten möchte, die
Stellen über die Muhammedaner fehlen. Auf jeden Fall
ftellt die äthiopifch vorliegende Form ftellenweife eine
Bearbeitung dar, denn pag. 79 (Text), 67 (Überfetzung)
wird die abbeflinifche Feier des Sabbats neben der des
Sonntags verteidigt und an anderer Stelle vorausgeletzt.

Bemerkenswert ift, daß diefes Apokryph den im äthio-
pifchen und zum Teil auch im arabifchen Synaxar der
koptifchen Kirche fixierten Brauch erklärt, am 21. Tage
jeden Monats der Maria zu gedenken: hier wird das als
wünfehenswert gefordert. Der Brauch fcheint alfo auf
Grund diefes Apokryphs entftanden zu fein.

Die Texte find in leichtflüffigem Äthiopifch gefchrie-
ben, find aber nicht überall in Ordnung; befonders deutlich
nicht z. B. p. 73 lin. 45; ibidem 1. 20. Leider bemerkt
der Herausgeber fo etwas nicht, fondern verflicht,
den unverftändlichen Text zu überfetzen, auch wenn
dabei, wie im erften Fall, etwas unter den Tifch fallen
muß. Seine Überfetzung ift fonft im allgemeinen finngemäß
. Geradezu Verkehrtes findet fich feiten, wie p. 47
1. 33/34 Tune revertetur, sicut olim, cum corpore suo ftatt
iunc redibit ad corpus suum prius, wie fich p. 50 1. 32
richtig findet; p. 46 1. 28/29 1"* kabent tanquam noil ha~
bentes, wo uxores hinzuzuletzen ift. P. 59 1. 27 fchiebe
vor in verbo David ein nisi ein. P. 56 1. 23 muß es ftatt
insolentia vielmehr wie 1. 21 constrictio manuum heißen.
Aber nicht feiten finden fich Inkonfequenzen, Ungenauig-
keiten und Nachläffigkeiten. Beta maqdas wird z. B.
meift richtig mit Jerufalem überfetzt, aber auch anderswo
ohne Grund mit Tempel, fo p. 21 1. 10, felbft wenn dabei
p. 23 1. 5 semores templi ftatt Ältefte von Jerufalem
herauskommen. Ungenauigkeiten: benefeeit tibi p. 48
1. 12/13 heißt radda 'tki nicht, fondern adiutor tuus; was 'a
p. 51 1. 10 nicht accessit, fondern egressus est; anqas
nicht regio p. 51 1. 32, fondern porta. Einfach eum p. 62
L 25 für ,feine beiden Seiten' zu überfetzen, ift doch
reichlich braehylogifch. Nachläffigkeiten: p. 73 1. 29
'ella jezem 'wu ba 'ensesä, p. 78 1. 11/12 jesapeivöm/t,
p. 72 1. 11 ivahawaz, p. 63 1. 15 zeja, p. 72 1. 1 wase-
hr/san, p. 73 Ii 5 wabalclitsa, p. 44 1. 23 zasamacna,
p. 13 1. 17 18 der Satz wajebcln bis emftntti, p. 58 1. 15
marira, alles ift unüberfetzt geblieben. Umgekehrt werden
auch Worte, die nicht im Texte flehen, in die Überfetzung
hineingezaubert; andere find umgeftellt. Druckfehler
: Im Text lies p. 6 1. 2/3 waladkn, p. 26 1. 30/31
'albasiha, d. 34 1. 18 iä 'arg//, p. 40 L 17/18 jarhewu,
p. 44 1. 27 clata; in der Überfetzung p. 24 1. 19 veniet,
p. 45 1. 29 ex ftatt in, p. 52 1. 19 Malaie!, p. 59 1. 4
regnum ftatt requiem.

Daffenfen (Hannover). Duenfing.

Die griechilchen chriltlichen Schriftfteller der ertten drei
Jahrhunderte. Herausgegeben von der Kirchenväter-
Commiffion der König]. Preußifchen Akademie der
Wiffenfchaften. (17. Band.) Clemens Alexandrinus
dritter Band. — Stromata Buch VII und VIII. —
Excerpta ex Theodoto — Eclogae propheticae —
Quis dives salvetur — Fragmente. Herausgegeben
von Prof. Dr. Otto Stähl in. Mit drei Handfchriften-
proben in Lichtdruck. Leipzig, J. C. Hinrichs'fche
Buchhandlung 1909. (XC, 231 S.) gr. 8°

M. 11 —; geb. M. 13.50

Da fich infolge der Berufung des Herausgebers nach
Würzburg die Fertigftellung der Regifter etwas verzögert
hatte, erfchien es praktifch, die bereits gedruckten Texte
des Schlußbandes zugleich mit der dazu gehörigen Einleitung
als III. Band gefondert herauszugeben und die
Regifter einem IV. fpäter erfcheinenden Band zuzuweifen.
Der vorliegende III. Band enthält alfo: Stromata VII.
VIII, Excerpta ex Theodoto, Eclogae propheticae, Quis
dives salvetur, Eragmente. Hiervon ift die Schrift Quis
dives salv. einige Zeit vorher fchon gefondert erfchienen
und vom Referenten in diefer Zeitfchrift 1909 Nr. 9
Sp. 264b befprochen worden. Alles, was dort, und früher
über Band I und II, an Lob und Anerkennung gefagt
worden ift, gilt in befonderem Maße auch von diefem