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Ausgabe:

1910 Nr. 18

Spalte:

555-556

Autor/Hrsg.:

Strack, Hermann L.

Titel/Untertitel:

Einleitung in den Talmud. 4., neubearb. Aufl 1910

Rezensent:

Bischoff, Erich

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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 18.

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der Theolog. Litztg. angezeigt worden; der Tod hat ihn
verhindert, das Referat über die beiden feitdem erfchie- I
nenen Bände fertig zu ftellen. Auf Wunfeh der Redaktion 1
gebe ich an des Verewigten Statt im Folgenden einen I
kurzen Bericht.

Auch in diefen beiden Bänden tritt deutlich hervor,
daß die Jüdifch-Literarifche Gefellfchaft auf dem Boden J
des .überlieferten Judentums', d. h. des Traditionsglaubens 1
fteht. — Für die talmudifche Zeit ift Autorität Ifaak Ha-
levy's ,Doroth ha-rifchonim', eine Arbeit, die von vorzüglicher
Talmudkenntnis und großem Scharffinn zeugt,
aber voll gehäffiger Angriffe gegen H. Grätz, Z. Frankel
und If. H. Weiß ift und viel Unhaltbares enthält (f. meine j
Einleit. in den Talmud4, S. 81 f.). Vgl. in Bd. V: M.
Auerbach, Zur politifchen Gefchichte der Juden Pa-
läftinas im 3. u. 4. nachchrifU. Jahrhundert (S. 155—181);
D. Hoffmann, Zur Gefchichte des Synedrion (S. 225—238)
mit Nachbemerkungen der [ungenannten] Redaktion
(S. 239—244); J. Bondi, Simon der Gerechte (S. 245—277, !
Simon der Gerechte fei Simon I gewefen; gegen Krochmal
und die meiden Neueren). In Bd. VI: H. Kottek,
Gefetz und Überlieferung bei den Juden Babyloniens in
vortalmudifcher Zeit (S. 280—303); J. Bondi, Der Hohe-
priefter Jochanan (S. 374—414, fei Sohn Simons IX Wie
immer man fich zu den Darlegungen und Ergebniffen
im einzelnen ftellen möge, Anregung wird geboten und !
Sachkenntnis ift vorhanden.

Aus der Fülle des andren Stoffes hebe ich, ohne
die Bände zu unterfcheiden, hervor: J. Barth und J. N.
Epftein, Über die jüdifch-aramäifchen Papyri von Affuan.
S. Funk, Zur Geographie des Landes Babel; Goldhor,
Zur Geographie des Offjordanlandes (der Name Paneas
wird V, 278 von jtsrsivöq abgeleitet!, ftatt von Pan,
f. Schürer, Gefchichte des jüd. Volkes4 II, 41. 204).
S. Stein, Das Problem der Notlüge im Talmud. Ed. Biberfeld
, Zur Methodologie der talmudifchen Bibelexegefe.
H. Ehrentreu, Sprachliches und Sachliches aus dem
Talmud (die Angaben über die Zahl der Verfe in der
Bibel und andres). Sehr beachtenswert find die von
D. Hoffmann gefchriebene Einleitung zu dem von ihm
(Berlin 1909) herausgegebenen Midrafch Tannaim zum
Deuteronomium (Bd. VI) und die Unterfuchungen von
Alexander Marx über den Siddur des Gaon Rab Am-
ram. Ph. Frankl befpricht die Quellen zur Gefchichte
der Geonim. Nicht wenige Auflatze find der neueren
Gefchichte der Juden gewidmet: Deutfche Einwanderungen
in polnifche Ghetti (Schluß zu Bd. IV), Amfterdam,
Hamburg, Heffen, Fürth, Polen, Baruch Wefel (B. R.
Gumpertz, fchlefifcher Landrabbiner f 1754), Chacham
Ifaak Bernays (1791 —1849, in Hamburg).

Aus der hebr. Abteilung hebe ich hervor: AI. Marx,
Zufätze und Berichtigungen zum Siddur des Gaon R.
Amram; S. Eppenftein, Kommentar des Jofeph Kara
zum Buche Jofua; M. Bamberger, Kommentar des Jofeph
ben Nachmias zum Seder Aboda.
Berlin-Großlichterfelde W. Herrn. L. Strack.

Strack, Prof. D. Dr. Hermann L., Einleitung in den Talmud, j

4., neubearbeitete Auflage. (Schriften des Inftitutum
Judaicum in Berlin. Nr. 2.) Leipzig, J. C. Hinrichs'fche
Buchhandlung 1908. (VIII, 182 S.) 8° M. 3.20 ;

Daß Stracks .Einleitung in den Thalmud' das einzige,
heutigen wiffenfehaftlichen Anforderungen voll entfpre-
chende Werk diefer Art ift, und daß diefe neue Auflage
durch überfichtlichere Anordnung des Stoffes, Neueinfügung
wertvoller Abfchnitte und Vermehrung der Literaturangaben
fowie durch zahlreiche kleinere Ergänzungen
und Verbefferungen ihre Vorgängerinnen an Wert noch
übertrifft, braucht kaum erft hervorgehoben zu werden. —
Bei dem ungemeinen Schatze wertvollften Materials wäre |
ein umfangreicheres viertes (oder vielleicht General-)
Regifter, zumal über die in Kap. XII (Literatur) angeführten
Autoren und über wichtige Realien, ein Bedürfnis;
durch Petitdruck jenes Kap. und fortlaufenden (nicht
Kolumnen-) Satz aller Regifter ließe fich hierfür reichlich
Raum gewinnen, wie ja fchon jetzt Verf. es ermöglicht
hat, trotz der Fülle des Neuen den bisherigen Umfang
des Werkes nur um 3 Bogen zu überfchreiten. Fortfallen
dürften vielleicht manche Nennungen untauglicher Literatur
wie z. B. der Schriften von Nager (S. 198), Ber-
gel ufw., wogegen wohl Platz finden könnten: (S. 173) J.
Preuß, Materialien zur Gefch. d. bibl. und talmud. Medizin
(14 Separatabzüge 1895 —1904), W. Ebftein, D. Medizin
im N. T. und im Talmud, Stuttg. 1903; ferner (S. 167)
S. Rofenfeld D"nsiD ntiBlötl Wilna 1883, S. Waldberg
Deister! IST! Lemberg 1870; (S. 163) S. Gelbhaus, D.
Apologetik d. Judent. I, Wien 1878; (S. 159) F. Fränkel
OTTb 11X6 Przemysl 1879; (S. 178) Ch. J. Masmina -i'JW
fptn Wien 1877. — Unbedeutende Druckfehler auf S. 2,
9. 3 b 76, 79 ve.rbeffert man leicht. — S. 78, Z. 16 ift als
Zahl der Sonciner Erftdrucke heute wohl 25 zu nennen,
und S. 19, Z. 15 v. u. bedeutet "HOtt gewiß ebenfowenig
fchriftliches Ordnen wie an den S. 13, Z. 14fr. mit
Recht anders erklärten Stellen. — Sonft ilt mir lediglich
aufgefallen, daß das Werk nicht fchon die 14. (ftatt der 4.)
Auflage erlebt hat; keine chrifüiche Theologie ohne N.T.,
kein tieferes Verftändnis des N.T. ohne Kenntnis des
Rabbinismus; keine richtige Orientierung über deffen
tiefften Grund ohne Einleitung in den Talmud!

Leipzig. Erich Bifchoff.

Guttmann, Prof. Dr. Michael, Zur Einleitung in die Halacha.

(32. Jahresbericht der Landes-Rabbinerfchule in Buda-
peft für das Schuljahr 1908—1909.) Budapeft 1909.
(51 S.) gr. 8 0

Dem 32. Jahresbericht der Landes-Rabbinerfchule
in Budapelt, die für weitere Kreife auch nichtjüdifcher
Gelehrter befonders dadurch Intereffe hat, daß W.
Bacher an ihr wirkt, ilt eine kurze Abhandlung von
Guttmann beigegeben: ,Zur Einleitung in die Halacha'.
Nach einem Vorwort, das fich u. a. gegen Schürer wendet,
der als Motiv der jüdifchen Gefetzestreue irrtümlicherweife
das Verlangen nach ,Vergeltung', nach ,Lohn' angäbe
, unterfucht G. in einem 1. Abfchnitt ,die Bedeutung
des Wortes Halacha'. Daß Halacha ein ,dem Aramä-
ifchen entnommener Ausdruck' fei, wie G. S. 11 fagt, dürfte
nicht richtig fein, da Halacha hebräifch ilt, nicht ara-
mäifch! Die Einzelnachweife über den Sprachgebrauch
des Wortes Halacha, die G. beibringt, find dankenswert
und zur Ergänzung des z. B. in Levys Lexikon aufgeführten
Materials brauchbar. Der 2. Abfchnitt, betitelt: ,die
Decifion', gibt den Anfang einer ,Darfteilung des Ent-
wickelungsganges der Halacha' und betont mit Recht,
daß die Unterfchiede zwifchen der Schule Hillels und
der Schule Schammais als Unterfchiede .zweier unabhängiger
Schulen, die fich gleicher Autorität erfreuten',
aufzufaffen feien. Die S. 47 angeführten Stellen über den
.Gebrauch des Wortes Halacha in deeiforifchem Sinne'
hätte G. überfetzen und ihren Sinn klarlegen, nicht bloß
als .deeiforifeh' andeuten follen. Wenn G. eine kurze,
überfichtliche, die Hauptpunkte hervorhebende,Gefchichte
der religiöfen Praxis der Juden' fchriebe, würde er etwas
fehr Verdienftliches leiften. Es müßte in diefer Überficht
vor allem die Periode von etwa 200 v. Chr. bis 200 n.
Chr. behandelt und erfchöpfend klargelegt werden, in
wieweit die Mifchna nicht bloß Theorie, fondern religiöse
Praxis bietet und inwieweit man in der Mifchna
religiöfe Praxis der Zeit Jefu fcftdellen kann. Für die
Erforfchung der Urfprünge des Chriftentums wäre ein
Buch, betitelt: ,Die Halacha zur Zeit Jefu', von großer
Bedeutung.

Gotha. Fiebig.