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Ausgabe:

1910

Spalte:

518-520

Autor/Hrsg.:

Rothstein, J. Wilhelm

Titel/Untertitel:

Grundzüge des hebräischen Rhythmus und seiner Formenbildung. Nebst lyrischen Texten mit kritischem Kommentar 1910

Rezensent:

Beer, Georg

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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 17. 518

men. Das frühere Kapitel VIII ift in zwei zerlegt, fo Rothftein, Prof. DD. J. Wilhelm, Grundzüge des hebräifchen
daß nun ,die Fortentwickelung des alten Landeskirchen- Rhythmusund feiner Formenbildung. Nebft lyrifchenTexten
tums' und die Theologie des Neuproteftantismus' ge- | mit kritifchem Kommentar. Leipzig, J. C. HinrichsTche
trennt befchneben find, letztere befondcrs ausführlich. , u—uu—ji.,.,,, t^ ,wtit Z et r on
Auch fonft finden fich bedeutende Zufätze: die ausführ- | Buchhandlung 1909. (VIII, 398 S.) Lex. 8"
liehen Charakteriftiken der Religiofität Lockes, Leibnizens, j M. 12.40; geb. M. 13.50

der Aufklärung und befonders die fehr viel ausführlichere Sonderdruck daraus: Pralmentexte und der Text des Hohen
Schilderung des Pietismus. Deffen Zufammenhang mit der. : Liedesrhythmifch und kritifch bearbeitet. 1909. (32 S.)
Reformatoren, zumal mit Luther, ift jetzt mit Recht viel | / \

ftärker betont: fonft ift die Tendenz die alte geblieben: Lex- ö M. 1 —

Tr. fieht nicht, wie die meiften feiner theoiogifchen Rothftein legt als Ergebnis feiner jahrelangen und

Kritiker, in der modernen Welt nur ,einen etwas kul- aufopferungsvollen Bcfchäftigung mit der altteftament-
turell erweiterten Proteftantismus', fondern meint, daß ijcnen Poefie feine Grundzüge des hebräifchen Rhythmus
in ihr .völlig neue geiftige und ethifche Richtungen vor c,ie bilden freilich nur den kleinften Teil (S. 26—75)
emporgekommen find'. Fr fagt felbft, Anm. S. 747, fejner jetzt veröffentlichten Arbeit, deren Schwergewicht
daß er in der Marken Erweiterung der neuen Auflage vielmehr in dem umfangreichen kritifchen Kommentar
das noch deutlicher zu zeigen verfucht habe. (S. 105—397) zu den S. 77—104 mitgeteilten rhythmifierten

Ich verweife zum Schluß noch auf die intereffante i Texten liegt. Im Ganzen führt R. (auf S. 77—104) 37
Auseinanderfetzung mit feinen Kritikern (Kattenbufch, Pfalmen und außerdem das Hohelied in fkandiertem Text
Loofs, Böhmer, Hunzinger, Brieger, Hermelink), die Tr. ■ vor. In einer Art Vorwort S. 1—25 gedenkt R. befonders
im Literaturanhang (745—747) gibt. ! der fördernden Arbeiten von Ley und Sievers, mit

Wenigftens anhangsweife möchte ich hier noch auf denen fich übrigens R.s eigne Grundzüge', wie gleich
die in dem Büchlein .das Chriftentum' zufammengefaßten hmr bemerkt werden foll, vielfach berühren R. felbft
fünf Auffätze hinweifen. Wer Tröltfchs augenblickliche bekeunnt> daJ? er die erften Anregungen zu feinen me-
Auffaffuncr über .Luther und die moderne Welt' kennen trifchen Studien, den .heute noch wertvollen Ausführungen'
lernen will wird das hier am bequemften erreichen verdankt, die Ewald feinen .Dichtern des alten Bundes'
(36 S) Außerdem behandeln Cornill die .Israelitifche 1866 unter dem Titel .Allgemeines über die hebräifche
Voiksrclieion und die Propheten (30 S.), Stärk Juden- Dichtung' vorausgefchickt hat (S. 24). Sehr inftruktiv
tum und Hellenismus (25 S.), v. Dobfchütz Griechen- find Rs eiSne Bemerkungen über die Schwierigkeiten,
tum und Chriftentum (33 S.), endlich Herrmann: die mlt denen der altteftamentliche Metriker zu rechnen hat.
religiöfe Frage der Gegenwart (39 S.). Aus H. hebe 1 Eindringendfte 1 extkntik ift die notwendige Vorausfetzung
ich den fchönen Satz hervor: es komme darauf an, daß für alle metrifchen Experimente, die ihrerfeits felbft aber
der Menfch im Zentrum feines Innenlebens von einer wieder ein Hilfsmittel für die Textkritik fein muffen. Das
heiligen Güte getroffen werde, in der er Gott erlebt, fcheint ein circuhis vitiosus — aber eins muß eben das
Dann könne er ihm auch die Macht über das Äußere ! andere ftützen. Mit großer Gewiffenhaftigkeit, der man
zutrauen. In der Tat einen andern ,Gottesbeweis' und die langjährige Vertrautheit mit den biblifchen Texten
eine andere .Theodizee' gibt es nicht. Ich kann fonft auf Schritt und 1 ritt anmerkt, erwägt R. die Anläffe für
auf Einzelheiten des Textes verzichten, da den Lefern dic Änderungen, denen gerade die altteftamentlichen
diefer Zeitfchrift felbftverftändlich nichts wefentlich Neues i poetifchen Texte, fpeziell die Pfalmen ausgefetzt gewefen
gefagt wird. Dagegen dürfte intereffieren, was Tr. hier (lnd. Durch mannigfache, den Zeitbedürfniffen angepaßte
im Literaturanhang über fein Verhältnis zu Harnack fagt: Redaktionen und durch erbauliche in den Text gedrungene
Hervorzuheben wäre für meine Gefamtauffaffung nur, ! Randbemerkungen ift, abgefehen von den natürlichen
daß fie, was ich früher überfehen hatte und bei jetzt Verderbniffen und Änderungen, wie fie jedes Schrifttum
wieder vorgenommener Lektüre hervorheben muß, doch der Antike erfährt, die Originalgeftalt vieler Pfalmen oft
der Darftellung fehr nahe fleht, die Adolf Harnack in i bis zur Unkenntlichkeit entftellt. Wie man auch über
dem o-länzenden Schlußkapitel feiner .Dogmengefchichte' ! die Refultate denken mag, jedenfalls verlangt das unge-
ge^eben hat. Ich unterfcheide mich davon im Grunde ; wohnliche Maß von Fleiß und Scharffinn, das von R. für
nur durch die etwas andersartige dogmengefchichtliche i die Gewinnung unverfehrter Liedertexte aufgewendet ift,
Gefamtanficht, die die .katholifchen Refte' nicht bloß | rühmende Anerkennung. Gelegentlich ift freilich der
dem Katholizismus, fondern fchon dem Urchriftentum 1 heißen Mühe Lohn die Einficht in die Unmöglichkeit, den
großenteils gutfehreibt und die Kontinuität zwifchen | urfprünglichen Text wicderherzuftellen. Was R. veran-
apollolifchem Chriftentum, Kirche und Dogma für größer laßt, nach den bekannten bahnbrechenden Arbeiten von
hält Ebenfo erfcheint mir auch die Kontinuität zwi- ! Sievers, feine eignen .Grundzüge' zu veröffentlichen, ift
fchen lutherifcher Kirche und Orthodoxie einerfeits und (nach S. 5/6) der Umftand, daß Sievers neuerdings die
Luthers Lehre andererfeits erheblich ftärker, als das bei , Grenzen zwifchen Poefie und Profa im A. T. zu ver-
Harnack der Fall ift- In allem übrigen aber möchte ich wi fchen beginnt und auch die Textkritik nicht in der
meine volle Zuftimmung und meinen Anfchluß an diefe Schärfe ausübt, die R. für notwendig hält.
Darftellung ausfprechen'. Nachher freilich muß Tr. feine Und nun die metrifchen Regeln R.s! Zunächft eine

grundfatzlfche Differenz von H. im Kirchenbegriff noch 1 Vorbemerkung. R. wird es mir nicht übel nehmen, wenn
deutlich ausführen. — Ich darf nicht vergeffen zu er- ich ihn daran erinnere, daß, folange wir keine völlig
wähnen, daß die fehr reichen Literaturnachweife dem geficherten Texte des A. T. haben — und werden wir die
Büchlein auch für Theologen feinen besonderen Wert je bekommen? ? — von einer ftrengen Verbindlichkeit
geben. metrifcher Regeln eigentlich noch keine Rede fein kann.

•zi ctrhnfter R- nätte darum beffer getan, feine öfter durchbrechende

Hannover- Siegesgewißheit (z. B. S. 5, 15, 23), daß feine Metrik"

orientalifch gefprochen, das /Siegel- aller bisherigen metrifchen
Theorien fei, etwas zu dämpfen. Er fchadet
fo nur der guten Sache, für die er kämpft.

R.s ,Grundzüge' enthalten eine Rhythmik (S. 27—48)
und eine Strophik (S. 48—71). Was R. unter C. Die
Sprache der Poefie und die Quellen ihrer Schönheit und
Kraft' S. 7i—75 beibringt, gehört meines Erachtens nicht