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Ausgabe:

1910 Nr. 16

Spalte:

503-506

Autor/Hrsg.:

Lietzmann, Hans (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Handbuch zum Neuen Testament. 5. Bd 1910

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 16.

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und Aufgabe' des apologetifchen Vortrags; 2) von den j Anerkennuug des erftaunlichen Fleißes abnötigen, und
prinzipiellen Richtlinien' für den apologetifchen Vortrag; ; die Anerkennnug wird zu williger Bewunderung der
3) vom /Thema' des apologetifchen Vortrags; 4) von den t fchier unerfchöpflichen Fülle großer Gefichtspunkte und
jfjberzeugungsmitteln' des apologetifchen Vortrags; 5) von , wertvoller tiefer und wahrer Gedanken fich fteigern, die
dem ,Aufbau' des apologetifchen Vortrags; 6) von den ohne Ermüden in gleichmäßigem Reichtum von der
.Darftellungsmitteln' des apologetifchen Vortrags; 7) von erften bis zur letzten Seite, einem quellenden Brunnen
.Optimismus und Peffimismus' im apologetifchen Vortrag, i gleich, der unaufhörlich Waffer fpendet, vor uns ausge-

Es war gewiß gut und zweckdienlich, daß Vorlefungen breitet werden. Es ift ein geniales Werk, das dem fcharf-
wie die hier vorliegenden im Rahmen eines zweifelsohne j finnigen und gelehrten Verfaffer zur Ehre gereicht,
nützlichen Unternehmens einmal gehalten wurden. Da- Um fo ernfter, freilich auch um fo peinlicher, wird

gegen könnte man am Ende fragen, ob eine zweimalige ; die Pflicht der Kritik. Sie wird fich felbftverftändlich auf
Veröffentlichung abfolut notwendig war. Es mag jedenfalls prinzipielle Erörterungen befchränken müffen, demnach
dem Autor nicht ganz leicht geworden fein, die Selbft- die Frage ins Auge zu faffcn haben, ob und inwieweit das
verftändlichkeiten wiederholt drucken zu laffen, ohne die ; Werk feinen Zweck erfüllt, eine praktifche Auslegung des
es eben bei folchen methodologifchen Anweifungen gar ! Neuen Teftamentes zu bieten. In dem erften Äbfchnitt
nicht abgehen kann: ,dann lehret man euch manchen j der ausführlichen Einleitung (S. 1—76) äußert fich der
Tag, daß, was ihr dort . . . getrieben . . . frei, eins! zwei! j Verfaffer über ,Wefen und Aufgabe' der praktifchen Ausdrei
! dazu nötig fei'. legung: ,Wir follen und wollen mit Hilfe des zeitlich

Immerhin enthält die Schrift gewiffe Grundgedanken, und örtlich bedingten Neuen Teftamentes Menfchen-
die nicht eindringlich und oft genug eingeschärft werden feelen gewinnen, pflegen und ftärken. Wichtiger als das
können: Der eigentliche Gegenftand der Apologetik nicht j Verftändnis der Vergangenheit ift uns die Beeinfluffung
einzelne Dogmen, fondern die chriftliche Weltanfchauung. der Gegenwart mit Hilfe diefer gefchichtlichen Urkunde.
Ihre Aufgabe eine dreifache: 1) diefe chriftliche Weltan- : Wie wird das Hiftorifche dauernd wertvoll, wie das Ein-
fchauung auf die religiöfen Erlebniffe, aus denen fie her- ; malige allgemein anwendbar? Das ift das Problem'. Sehr
vorgegangen ift, zu begründen; 2) fie als eine .Glauben - : wohl! Aber zu einer Auslegung der .Vergangenheit',
erkenntnis' abzugrenzen gegen die wiffenfchaftliche Er- ! wie das Buch fie bieten foll, gehört doch allem zuvor das
kenntnis; 3) zu zeigen, daß fie, obwohl von der wiffen- J Verftändnis der ,Vergangenheit', und dies hochwich-
fchaftlichen Erkenntnis ihrem Urfprung und dem Objekt | tige Verftändnis ift ganz unentbehrlich, wenn die Beein-
nach verfchieden, fich doch mit derfelben zu einer har- j fluffung der Gegenwart durch die .Vergangenheit' normal
monifchen Einheit zufammenfchließen läßt, Nicht neu, ! fich geftalten foll. Mit anderen Worten: alle praktifche
aber ganz vortrefflich, dies Programm! Auslegung des N. T., foll fie anders theologifch gefund

Straßburg i. E. E.W. Mayer. ! und .v^b".l w"tv,oU -in',muß iuf gram-

matifch-hiftorifcher Auslegung beruhen. Diefe hat dar-

zulegen, was der Schriftabfchnitt für den Verfaffer und die

Handbuch zum Neuen Teftament. In Verbindung mit H. erften Lefer bedeutet hat, die praktifche Auslegung hat

Greßmann, E. Kloftermann, F. Niebergall, L. Rader- darzutun, was der richtig verftandene Schriftabfchnitt für

1 r> ur ji j u u t-i t • 4. die Gegenwart bedeutet. Alle Beforgnis, in pedantifche

macher, P. Wendland, herausgegeben von Hans Lietz- Ai -u- a • ri r r u t_t a • < r ,,

' ' , . Akribie und in erfchrecklichen ,Hiftorismus zu verfallen,

mann. Fünfter Band. Praktifche Auslegung des ; kann von der pflicht des theologifchen Predigers und

Neuen Teftaments für Prediger und Religionslehrer ; Lehrers, diegrammatifch-hiftorifche Auslegung zur Grund-
von Prof. Lic. Friedrich Niebergall. Tübingen, J. C. , läge aller weiteren Arbeit zu machen, nicht entbinden.

Wird fie ausgefchaltet, fo möchte die religiöfe Beeinfluffung
der Gegenwart ohne Auslegung des N. T., alfo
in textlofen Predigten u. dgl., anzuraten fein.

Wir laffen die Frage unerörtert, ob es überhaupt wohlgetan
ift, eine praktifche Auslegung, die nicht für weite

B. Mohr 1908. 09. Lex.-8° M. 10

I. Allgemeine Einleitung. Die Evangelien und die ApoUelge-

fchichte. (IV, 271 S.) — II. Die Paulinifchen Briefe, Hebriierbrief
und Apokalypfe. (V, 304 S.).

Die praktifche Auslegung des N. Teftaments im fchriftfrohe Kreife, fondern für Theologen benimmt ift,
vorliegenden fünften Bande ift der grammatifch- ! ohne jene wiffenfchaftliche Auslegung darzubieten. Ge-
hiftorifchen Auslegung der vier erften Bände voraus- ! nug, daß N. eine grammatifch-hiftorifche Auslegung nicht
geeilt. Während diefe einer Mehrzahl von Gelehrten , gibt. Wird fie etwa als vorhergehende Arbeit des Lefers
zur Bearbeitung übergeben find, ift der fünfte, umfang- vorausgefetzt? Daß N. felbft fich um fie bemüht hat und
reiche Band, der das ganze Neue Teftament umfaßt, in bemüht, bezweifele ich felbftverftändlich nicht, obgleich

die Hände eines einzigen Verfaffers gelegt. Ich vermute
mit Grund, daß das Werk nicht erft während der kurzen
Zeit der Ausarbeitung entftanden ift; langjährige Vorarbeiten
und andauernde intenfive Befchäftigung mit dem
Stoff zu praktifcher Verwertung werden vorangegangen
fein. Ift die Vermutung richtig, fo hätte ich im Intereffe
des Verfaffers und feines Werkes gewünfeht, daß der

er nicht viel davon zu halten fcheint. Was jedoch an
wiffenfehaftlicher Exegefe durchfehimmert, fcheint den
.Schriften des N.T.' von Joh. Weiß entnommen zu fein;
auch zu manchen grundlegenden Anfchauungen und wertvollen
Gefichtspunkten werden fie, befonders im vierten
Evangelium, den Stoff geliefert haben. Wer das Buch
N.s zur Hand nimmt, wird nicht die Nötigung empfinden,

Charakter des Buches als einer Lebensarbeit aus- zuvor fich wiffenfehaftlich zu orientieren, vielleicht wird
drücklich hervorgehoben wäre. Denn die oft beobachtete er das Werk von J. Weiß zu Rate ziehen, wenn ihm
Tatfache ift pfychologifch fehr erklärlich, daß, je zahl- nicht eine gute Überfetzung zu genügen fcheint, um fich

reicher die literarifchen Produktionen eines Autors find,
umfomehr das Mißtrauen gegen Solidität und Gehalt
der Produktionen fich regt. Die Erfahrung beftätigt es
ja auch nicht feiten, daß, je größer die Bändezahl eines
Autors und je rafcher ihre Reihenfolge wird, umfomehr
auch die Oberflächlichkeit der Arbeit zunimmt. Diefem
Buche gegenüber würde jedoch die Regel nur durch
die Ausnahme beftätigt, und das bezeichnete Mißtrauen
, follte es überhaupt fich regen, würde als unbegründetes
Vorurteil fich kundtun. Eine nähere Kenntnisnahme
des Inhalts wird dem kundigen Lefer warme

in der praktifchen Auslegung fofort zurecht zu finden.
Weiß würde wünfehen, wie er einmal fagt, fein Werk
nicht herausgegeben zu haben, wenn es zur Vernach-
läffigung der wiffenfehaftlichen Exegefe verführen follte.
Was N. in feinem Buche uns gibt, ift nicht praktifche
Auslegung, es find allerdings gehaltvolle, zahlreiche
und gedankenreiche Reflexionen, die jedoch nur feiten
aus dem Text hervorwachfen, vielmehr meiftens nur
aus einer, oft recht fchwachen Anregung durch den
Text entftanden find. Bildlich geredet: eine Kohle wird
vom Altar genommen und ein Feuerwerk wird damit