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Ausgabe:

1910

Spalte:

465-469

Autor/Hrsg.:

Cramer, S. (Ed.)

Titel/Untertitel:

Bibliotheca reformatoria Neerlandica. Geschriften uit den Tijd der Hervorming in de Nederlanden. V. deel 1910

Rezensent:

Köhler, Walther

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46s

Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 15.

466

zantinifcher Kultur im allgemeinen, die ja feit 20 Jahren
in der Wiffenfchaft ftark im Abnehmen begriffen ift aber
bei den Gebildeten fich noch fehr weitverbreitet findet.
Er führt das abfchätzige Urteil über die Byzantiner auf
die Unkenntnis der byzantinifchen Literatur, der politi-
fchen und der Rechtsvcrhältniffe, ebenfo auf Unkenntnis
der fozialen und wiffenfchaftlichen Zufiände,
der kirchlichen Bewegungen im Volke und feines fitt-
lichen Niveaus zurück'(S. 3). Einige fehr treffende Sätze
ftützen dann die Behauptung. Wie wenig z. B. in By-
zanz von einer Knechtung der Kirche unter den Staat die
Rede fein könne, ließen Genalten wie die Kirchenfürftcn
Photios und Nikolaos Myftikos erkennen, die der Macht
der Kaifer trotzten und fich ruhig abfetzen ließen. Von
der inneren Kraft des Reichs legt die Tatfache Zeugnis
ab, daß Byzanz taufend Jahre lang, mehr als ein anderes
Reich, die Angriffe der wilderten Völker ausgehalten und
fie alle in den Zauberkreis feines Einfluffes gezogen hat.
Ohne Byzanz wäre uns das griechifch-römifche Erbe nicht
bewahrt und die Renaiffance des XIV. und XV. Jahrhunderts
nicht befchert gewefen. Die Kapitelüberfchriften
des Buchs lauten:

Der Bafileus und feine Bedeutung; das Zeremonien-
wefen; die internationalen Beziehungen und die romäi-
fche Diplomatie; die Militär- und Zivilbeamten, die
Agrarfrage, Archonten und Bauern; die Kirche und das
Mönchtum; Handel und Gewerbe, die Ausdehnung des
Handels im byzantinifchen Reich.

Auf den Inhalt und Gedankengang der einzelnen
Abfchnitte einzugehen, erfcheint als untunlich.

Das Buch ift für jeden Gebildeten, der Intereffe für
den Orient hat, eine außerordentlich anziehende Lektüre,
für den Theologen ift es darum fehr wichtig, weil es in
das geiftige Leben einer Welt einführt, der auch unfere
abendländifche Theologie ein gutes Stück ihrer Formen
und ihres Wefens verdankt.

Hannover. Ph. Meyer.

Dorner, D. Dr. A., Johannes Calvin. Rede, gehalten am
18. Januar 1910 in der Aula der Univerfität Königsberg
. Königsberg i. Pr., Aderjahnfche Buchhandlung
1910. (21 S.) gr. 8° • M. —75

Ein verfpäteter Nachtrag zur Calvinfeier. Der Verf.,
der die Univerfität Königsberg bei dem Genferfeft im
Juli 1909 vertreten hatte, hielt vorliegende Rede in der
Aula feiner Univerfität erft am 18. Januar 1910. Sie erhebt
nicht den Anfpruch, zu den in den zahlreichen
Calvinreden hervorgehobenen Gelichtspunkten wefentlich
neue Momente hinzuzufügen. Die Schilderung des Reformators
darf aber als eine wohlgelungcne bezeichnet
werden. Die Gefchloffenheit feiner durch den Gedanken
der Ehre Gottes beherrfchten Theologie, der voluntari-
ftifche Zug feines Charakters, feine Verdienfte um die
Organifation von Kirche, Schule und Staat, die durch
ihn dargeltcllte eigenartige Form proteftantifcher Frömmigkeit
und Kultur, die welterobernde Kraft des Calvinismus
, gelangen zu einem klaren und zutreffenden Ausdruck
. Die knappe aber inhaltsreiche Bemerkung über
Calvins Stellung zu Luther, Zwingli, Butzer (S. 21) verdient
volle Beachtung.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Bibliotheca reformatoria neerlandica. Geschritten uit den
tijd der hervorming in de Nederlanden, opnieuw
uitgegeven en van Inieidingen en Aanteekeningen
voorzien door Hoogl. Drs. S. Cramer en F. Pijper.
Vijfde deel: Nederlandsche Anabaptistica (geschriften
van Henrick Rol, Melchior Hoffmann, Adam Pastor,

De Broederlicke vereeninge) bewerkt door Dr. S.
Cramer. 's-Gravenhage, M. Nijhoff 1909. (XII
664 blz.) Lex.-8° fl. 8 —

Der fünfte Band diefes holländifchen reformations-
gefchichtlichen Monumentalwerkes ift den Wiedertäufern
gewidmet, und Cramer in Amfterdam hat die Bearbeitung
übernommen — gewiß der dazu Berufende! Zu meiner
Freude hat mein energifcher Proteft gegen den kritik-
lofen Abdruck des Textes mit allen feinen Druckfehlern
und Eigenheiten doch etwas genützt, es ift wie eine Er*
löfung, bei Cramer (S. X) zu lefen: In dessen herdruk
zijn behalve enkelc kennelijke drukfouien 00k sommige
van de acliteloosliedcn in de interpnnctie, die in het ori-
gineel veelvuldig vorkomen, verbeterd. Cramer hat in
Anmerkung forgfam notiert, wann er folche Änderungen
vornahm; das fcheint in manchen Fällen übertriebene
Ängftlichkeit, aber feien wir froh, daß überhaupt ein
lesbarer Text gefchaffen wurde! Um Mißverftändniffen
vorzubeugen, namentlich auch gegenüber der Kritik, die
Goeters (Theol. Arbeiten aus dem rheinifchen wiffenfchaftlichen
Predigerverein 1908) an meinen Forderungen
geübt hat, bemerke ich, daß felbftverftändlich jede fprach-
lich oder fachlich wichtige Lesart des Originaldrucks verzeichnet
werden follte, nicht aber Unfinn wie die Zerreißung
einzelner Wörter (vgl. die von mir bei der Re-
zenfion der früheren Bände gebotenen Beifpiele).

Das erfte Anabaptistiaim ift die Schrift von Heinrich
Roll ,Slotel van dat Secreet des Nachtmaels', gegenwärtig
noch vorhanden in einem Exemplar des theologifchen
Seminars zu Rochefter, der Univerfitätsbibliothek zu
Utrecht und der Stadtbibliothek zu Zürich (auf letzteres
hatte Hegler die Aufmerkfamkeit gelenkt; vgl. die von
mir aus feinem Nachlaffe herausgegebenen .Beiträge zur
Gefchichte der Myftik' S. 49 ff.). Das Büchlein ift gedruckt
bei Pieter de Zuttere oder Hyperphragmus in
Gent. Auf dem Titel fleht: al nu vorbetert en grondelick
zvederom gestelt na die eerste waer/iryt; Cramer möchte
daraus fchließen, daß diefem Drucke noch ein älterer,
jetzt verloren gegangener voraufging; das ift möglich,
namentlich wenn man das fogleich zu befprechende
Feilen des Druckers an feinem Texte beachtet, aber
nicht notwendig, ja kaum wahrfcheinlich. Die ,erfte
Wahrheit' ift doch wohl das Evangelium (Roll ftellt
Luk. 22,19fr. an die Spitze, fagt zudem im Vorwort,
daß für die nach der Wahrheit Dürftigen das Leben
in den göttlichen Schriften zu finden fei), es ift
der Maßftab gewefen für den ,Schlüffel', fie find .gründlich
' an ihm geprüft und gebeffert worden. Verfaßt ift
die Schrift vor 1532, an der Autorfchaft Rolls ift nicht
zu zweifeln, doch muß der Drucker an dem Texte gefeilt
haben, denn es wird in ihm Pfalm 129 in einer
poetifchen Faffung zitiert, die erft ca. 1556 nachweisbar
ift, und auch fonft hat der Drucker zvijzigingcn beigefügt.
In dem Index von 1570 ift das Werkchen notiert, ebenlo
in dem Katalog von Marnix 1600. Dem Druck der
,Slotel' ift beigefügt ,Eyne wäre Bedijnckijnge, lioe dat
Iiooclizvctrdicii licliaam Christi van Zinsen nnweiz'digen li-
chaam to underscheiden isz, doer vrage zmde antwoorde;
es fragt fich, ob auch diefe Schrift Roll zuzuweifen ift.
Die Frage ift nicht ganz ficher zu beantworten, dürfte
aber zu bejahen fein. Inhaltlich ftellen jedenfalls beide
Schriften ein fchlichtes Laienchriftentum dar. Die Abendmahlslehre
der ,Slotel' bietet, ohne fie zu nennen, eine
Auseinanderfetzung mit Luther, Zwingli, Carlftadt, Campanus
. Pofitiv ftellt Roll das Abendmahl in vollkommene
Analogie zum Paffahmahl. Wie es dort nicht um
das Lamm zu tun war, fondern um die dankbare Freude
über die Befreiung aus Ägypten, fo auch gedenken wir
beim Abendmahl an die durch Gott uns gefchenkte Er-
löfung von Sünde, Tod und Hölle; das tun wir in Nachfolge
des erften Abendmahls, denn auch Jefus freute fich
innig über die Erlöfung, die Gott durch ihn fchenken