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Ausgabe: | 1910 Nr. 15 |
Spalte: | 452-453 |
Autor/Hrsg.: | Bauer, Leonard |
Titel/Untertitel: | Das Palästinische Arabisch. Die Dialekte des Städters und des Fellachen. Grammatik, Übungen und Chrestomathie. 2., vollst. umgearb. Aufl 1910 |
Rezensent: | Schwally, Friedrich |
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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 15.
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liehen Revolution im Menfchen kommt, und infofern
weder Natur noch Gefchichte noch der fittliche Gefchmack
den Anfang des fittlichen Lebens begründen wie feine
Fortfetzung verbürgen können, um dann in den fittlichen
Grundfätzen der chriftlichen Lebensanfchauung ein
Prinzip fittlichen Fortfehritts zu finden, der den Ausblick
auf eine wirkliche Erhöhung des Menfchheitslebens eröffnet
, in feinem ethifcheri Peffimismus durch fefte Verknüpfung
mit dem religiöfen Glauben ergänzt wird und
feinen konfequenten Abfchluß findet im Jenfeitsglauben,
der im letzten Grunde die Autonomie nicht aufhebt,
fondern konftituiert.
3. Kaiweit — der Verf. ift Direktor des Prediger-
feminars zu Naumburg a. Qu. — bietet Vorträge aus dem
Görlitzer Lehrerverein über ,die Stellung der Religion
im Geiftesleben'. In außerordentlich umfichtiger, manch
alte Mißverftändnifle zurückweifenderDarftellung befpricht
er die Eigenart der Religion gegenüber dem wiffenfehaft-
lichen Erkennen (Kant, Ritfehl), die Religion in Abhängigkeit
von der Sittlichkeit (Kant, Cohen), in Verwandtfchafc
.und Gegenfatz zum Afthetifchen (Fries, Kierkegaard), ihre
Ableitung aus einem allgemeinen Prozeß (Hegel, Hart-
niann-Drews), die Begründung ihrer Selbftändigkeit durch
Schleiermacher, ihre Umdeutung im Intereffe ihrer Lei-
ftung für Kultur und Humanität (Natorp, Höffding), ihre
Behandlung in Verwandtfchaft mit dem gefamten Kulturleben
und in ihrer Eigenart (Eucken) und endlich die
Religion ,in ihrer Gleichheit mit dem gefamten Welt-
gefchehen' (K.Heim). In einer abfchließenden Zufammen-
faffung ftellt der Verf. die der Religion mit allem Geiftesleben
gemeinfamen wichtigen Grundzüge heraus, ihre
,Selbftbegründung', die Unbeweisbarkeit der Grundbehauptung
, den Entfcheidungscharakter, die Bewährung in der
Leiftung, fowie ihre Eigentümlichkeit, die Beziehung auf
Gott. Jene Gemeinfamkeit wird die Vorurteile gegen fie
überwinden helfen, ihre Wichtigkeit erweift ihr heilfamer
Einfluß aufs Gefamtleben. Endlich gibt fie allem
menfehlichen Geiftesleben erhöhte Bedeutung durch die
Beziehung auf Gott; fo wird das Geiftesleben aus feiner
Ifolierung herausgenommen, wie von der Subjektivität
befreit.
4. Külpes gefchickte Darftellung und vornehme
Würdigung Kants, in 2. verbefferter und vermehrter
Auflage erfcheinencl, zeigt einleuchtend die Entwicklung
des Philofophen aus feiner Zeit und über feine Zeit
hinaus als großen Vermittlers und Weiterführers, feine
Bedingtheit durch Rationalismus, Pietismus, Empirismus,
die Vorzüge und Schranken feiner Ergebniffe auf Grund
diefer Bedingtheit und der damaligen wiffenfehaftlichen
Lage, und kritifiert fpeziell Kants Apriorismus und Phänomenalismus
von unferm vertieften erkenntnistheore-
tifchen undpfychologifchenbezw. pfychophyfifchen Wiffen
aus, fchließlich feine Hauptbedeutung findend in der
perfönlich-wiffenfehaftlichen Einheit der drei Momente:
der Überlegenheit der Vernunft über die Sinnlichkeit,
der Autonomie des Erkennens und Wollens und dem
Primat der praktifchen Vernunft vor der theoretifchen.
Ein näheres Eingehen auf die genannten zur Kritik
flehenden Probleme ift hier nicht angängig.
5. Richerts Vorlefungen über Schopenhauer, gehalten
in der deutfehen Gefellfchaft für Kunft und Wiffen-
fchaft zu Bromberg 1904/5, erfcheinen mit einigen fachlichen
Erweiterungen in 2. Auflage. Er verfucht des
Philofophen Charakter zu verftehen (1), gibt eine rein
referierende Darfteilung feines Syftems(2.—5.) und nimmt
dann in einer Epikrife (6) felbft zu Sch. Stellung, den er
im Zufammenhang der Philofophie feines Jahrhunderts
(fpeziell mit Kant, Fichte, Schelling, unter Betonung der
von Volkelt nachgewiefenen individualiftifchen Unter-
ftrömung), als genialen Schriftfteller, romantifchen Künft-
ler der metaphyfifchen Intuition würdigt und in feinem
Peffimismus wie in feinem Verhältnis zu den Frauen zu
begreifen anleitet. Er findet das Grundgebrechen feiner
Philofophie in feiner Thefe von der Unvernünftigkeit
des Willens, die Sch. felbft nicht rein durchführt, mit
deren Aufgabe der Theismus notwendig gegeben ift. Sch.
wie Nietzfche fordern als Ergänzung einen Standpunkt,
der der Vernunft in Weltentwicklung wie Kultur gerecht
wird. Für unfere Zeit hat Sch. das Verdienft, in uns
das metaphyfifche Bedürfnis zu wecken und uns vor dem
Verfallen in feichte Empirie zu bewahren.
6. Henfei würdigt von fehr umfaffenden Gefichts-
punkten aus Rouffeau als den Mann, ,bei dem wir das erfte
Aufdämmern des Tages erleben, in dem unfere Arbeit wie
unfer Leben verläuft', indem er, auf eine durchgehende Ein-
zelanalyfe feines Lebens und feiner Schriften verzichtend,
I in 6 Stücken den Menfchen, feine Gefchichts-, feine
Rechtsphilofophie, feine Erziehungslehre, die neue Heloile
und feine Religionsphilofophie befpricht und fich unter
Ablehnung landläufiger Mißverftändniffe (z. B. bezüglich
der Wertung der Perfon, der Abficht des contrat social)
um Herausfteilung der wirklichen idealen Grundabfichten
R.s bemüht, deffen Einfluß in Frankreich faft geringfügig
erfcheint gegen feine Wirkung in Deutfchland, wo c
taufend Anregungen verfchwenderifch ausgeftreut hat
und zu einem der Väter des deutfehen Idealismus geworden
ift.
7. Natorp gibt z. T. auf Grund feiner früheren Veröffentlichungen
eine Darftellung Peftalozzis, die in ihrem
genauen Eingehen in die Einzelheiten ihres Gegenftandes
und zumal in die ganze Breite des P.fchen Schrifttums
faft zur Spezialftudie wird, die den Rahmen diefer Bändchen
verläßt. In drei Kapiteln werden P.s Lebensgang
und die Entwicklungsgefchichte feiner Ideen, die Prinzipien
feiner Pädagogik und endlich deren Durchführung
dargeftellt. Neu ift der im 2. Kapitel enthaltene fyfte-
matifche Aufbau der Ideen P.s. Inwieweit die fehr ftarke
Annäherung P.s an Kant zutrifft, und ob nicht P.s Auf-
faffung der Religion im Sinn des Natorpfchen Humani-
1 tätsgedankens umgedeutet ift, muß der Referent dem
Urteil genauerer Kenner zu entfeheiden überlaffen.
Lobberich b. Krefeld. Alfred Zille ff en.
Bauer, Leonhard, Das Palältinilche Arabifch. Die Dialekte
des Städters und des Fellachen. Grammatik, Übungen
und Chreftomathie. Zweite, vollftändig umgearbeitete
Auflage. Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung
1910. (X, 256 S.) 80 M. 6—; geb. M. 7 —
Das Buch behandelt den arabifchen Volksdialekt
Paläftinas als Idiom des Städters und des Fellachen. Für
I das erftere ift der Verkehr der einigermaßen gebildeten
Bevölkerung Jerufalems zugrunde gelegt, für das letztere
die Sprechweife der Bauern in der Umgebung Jerufalems.
Daneben fanden auch die Mundarten der Beduinen der
Philifterebene und des oftjudäifchen Gebirgslandes fowie
der Bewohner der mittleren und nördlichen Landesteile
(Samarien, Galilaea) mannigfache Berückfichtigung. Die
Anlage der Arbeit ift derart, daß einer fyftematifchen
Darftellung der P'ormen- und Satzlehre (S. 1 — 126) fich
im zweiten Teile ,Übungen' anfchließen (S. 127—159).
Den dritten Teil bildet ein ,Chreftomathie' (S. 161—255)
mit Erzählungen des mannigfaltigften Inhalts, welche ausgezeichnet
in die Denkweife der Eingeborenen einfuhren.
Am Schluß flehen forgfältig ausgewählte Gefpräch-
ftücke.
Was wir feither an grammatifchen Darftellungen des
paläftinifchen Vulgärarabifch befaßen, war fehr unvollkommen
und mangelhaft. Die Unterfchiede in den
Idiomen der Städter, Bauern und Beduinen waren ungenügend
beobachtet. Die Ausfprache vielfach falfch angegeben
, das Lexikalifche und Phrafeologifche unzuver-
läffig. Kein Wunder! Wenn es auch dem wiffenfchaftlich