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Ausgabe:

1910 Nr. 14

Spalte:

427-428

Autor/Hrsg.:

Cartellieri, Alexander (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Chronicon universale anonymi Laudunensis. Von 1154 bis zum Schluß (1219) für akademische Übungen hrsg 1910

Rezensent:

Mirbt, Carl

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Seite 1

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427

Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 14.

428

Anficht, daß P. eine efoterifche Doktrin befaß, die in
den Traktaten, wohl abfichtlich, nicht zum Ausdruck
gelangt. Man ftützt fich für diefe Behauptung gern
auf den Vorwurf der Zweideutigkeit, den Auguftin
(ctr. mendacium) auf Grund der Libra des Priszilli-
aniften Dictinius gegen die Sekte erhob. Aber B.
(286 ff.) weift darauf hin, daß wir gar nicht wiffen, was
in diefer Schrift geftanden hat; Auguftin hat fie nicht
gelefen und fpricht als Gegner. Darin jedenfalls trete
ich B. mit Überzeugung bei, daß es abfolut unzu-
läffig ift, das Zeugnis fo deutlich redender Quellen, wie
es die Schriften P.s find, aus trüben Quellen ohne Not
abzufchwächen. App. V (291 ff.) handelt von den Akten
des Konzils von Toledo 400. Den Befchluß macht in
App. VI (294ff.) der Nachweis, daß Corffens Datierung
der von ihm fo genannten monarchianifchen Prologe
auf das erfte Drittel des 3. Jahrh. (Rom) unhaltbar ift.
Die Prologe find priszillianifch. B. ift aber nicht der
Meinung Chapmans (Rev. Bened. 23, 1906 [nicht 1907,
wie S. 294 zu lefen ift], 335—49), der P. felbft für den
Verf. hält, fondern zeigt, daß die Arbeit erft nach 400 1
entftanden fein kann. Man wird Corffens Äußerung abwarten
müffen; mir leuchtet B.s Beweisführung ein. Der
Druck ift, auch in den fehr zahlreichen Belegftellen, gut;
dagegen läßt das Regifter, nach Stichproben, zu urteilen,
zu wünfchen übrig. Von kleinen Verfehen notiere ich: |
S. 18, A. 1, Z. 11: Ungedrückte ft. Ungedruckte; 84,
A. I, 13: on ft. ou; 101, IO devait ft. devaient; 137, 9:
Le ft. La; 193, 13: pas ft. par; 221, Nr. II, 4; 931 ft.
147; 258, Abf. 2, 1, 2 u. 12 Clinda ft. omnia; 267, 3: 21
ft. 23; 271, Anm. 3, 2: indifferente ft. indifferentem; 286,
A. 3: 413 ft. 467 (Verwechslung von ctr. mendacium j
mit de mendacid); 294, A. I, I: 1907 ft. 1906; 295, A. i: j
onvrage ft. ouvrage.

Erft nach Abfchluß vorftehenden Referates ift mir
der Auffatz von Germain Morin in der Revue Benedictine
26, 1909, 255—280, zu Geficht gekommen, in dem der
Nachweis geliefert wird, daß die in einer Laoner Hand-
fchrift (Cod. 113) erhaltene Abhandlung de trinitate ca-
tholicae fidei (derZufatz wohl nicht urfprünglich) niemand :
anders als Priszillian zum Verfaffer hat: Sabellianismus,
Zitationsweife, Berufung auf ein (zunächft weder von
Morin noch von Zahn und v. Dobfchütz identifiziertes) j
Apokryphon, Wortfehatz und Grammatik, alles paßt auf j
ihn. Zahn (f. Morin 269, 3 f.) hat übrigens feftgeftellt,
daß der Index bei Schepß um das Zitat auf p. 16, 1 aus
1. Joh. 2,20 zu bereichern ift. Auch Morin ift vom pris- j
zillianifchen Urfprung der Prologe überzeugt und weift
zahlreiche fprachliche Berührungen des neu aufgefundenen
Traktates zu den Prologen nach.

Gießen. G. Krüger.

.- I

Chronicon universale anonymi Laudunensis. Von r 154 bis

zum Schluß (1219) für akademifche Übungen heraus- ;
gegeben von Alexander Cartellieri, bearbeitet von j
Wolf Stechele. Leipzig, Dyk'fche Buchhandlung
1909. (V, 86 S.) gr. 8° M. 2.50

Von der Chronik des Anonymus von Laon gelangt
hier der Abfchnitt von 1154 bis zu ihrem Abfchluß 1219 !
zum Abdruck. Der Herausgeber will damit nach dem
Vorwort ,den Studierenden Gelegenheit bieten, die ver-
fchiedenen Seiten der Tätigkeit eines Herausgebers von
der Textherftellung bis zur Prüfung der Glaubwürdigkeit
felbftändig kennen zu lernen und fortwährend darüber 1
nachzudenken, wie fie der verfchiedenen Hilfsmittel habhaft
werden können. Später foll eine eingehende Auslegung
gageben und das anziehende, oft fo eigenartig
aus der Volksüberlieferung fchöpfende Werk durch Inhalts
- und Namenverzeichnis der Benutzung vollftändig
erfchloffen werden'. Da die Chronik auch mancherlei
kirchenhiftorifch wichtige Angaben enthält u. a. über

Ketzereien, Klofterleben, Urfprung der Waldenfer, die
Amalricaner, empfiehlt fie fich auch für theologifche
Seminare.

Marburg i. H. C. Mirbt.

Gromer, Stadtkapl. D. Georg, Die Laienbeicht im Mittelalter
. Ein Beitrag zu ihrer Gefchichte. (Veröffentlichungen
aus dem Kirchenhiftorifchen Seminar München
. Herausgegeben von A. Knöpfler. III. Reihe.
Nr. 7.) München, J. J. Lentner 1909. (VIII, 93 S.)
gr. 8° M. 2.40

Es handelt fich in dem vorliegenden Schriftchen um
die katholifche Sitte, vor Laien feine Beichte abzulegen.
Entftehung, Blüte, Verfall und die Theorie der Theologen
über diefe Sitte werden verfolgt. Mit demfelben Gegen-
ftand hatte fich, allerdings nur fkizzenhaft, Laurain (de
l'Intervention des la'iques, des diacres et des abbesses dans
i'administration de la penitence, Paris 1897) befchäftigt,
auch Königer war in feiner Schrift ,Die Beicht nach
Cäfarius von Heifterbach'(München 1906, S. 77ff.) darauf
eingegangen, und zwar war er dabei zu der gleichen
Anfchauung wie Gr. gekommen. Doch erft diefer hat
die Frage in größerem Umfang unterfucht. Wie denkt
er fich den Verlauf der Entwicklung? Die altchriftliche
Kirche kennt keine Laienbeichte. ,Ein allgemeines Prie-
ftertum mit der Folge, daß man nach Jakobus V, 16
einander die Sünden beichtete, läßt fich hiftorifch nicht
erweifen.' Spender der Sündenvergebung ift vielmehr
nur die Amtsperfon (Bifchof, bzw. Priefter). Die Entftehung
der Laienbeichte läßt fich nur aus der Entwicklung
des Bußwefens begreifen. So lange die Beichte in
erfter Linie den Zweck hatte, dem Priefter als Unterlage
für die Beftimmung der zu leiftenden Buße zu dienen —
und diefe beftimmte er nach den Bußbüchern —, war
die Laienbeichte unmöglich. Als aber die Buße veräußerlichte
und die Bußbücherpraxis verfiel, gewann die
Beichte als folche hervorragende Bedeutung. Sie wurde
felbft zum Bußwerk, ja durch das Erröten, die Befchämung,
die fie bewirkte, wurde fie zur Hauptfache der Buße. So
konnte die Laienbeichte entftehen. Diefer Prozeß dauerte
mehrere Jahrhunderte. Im 10. Jahrhundert tritt der Verfall
der Bußbücherpraxis ein, im 11. erfcheint die Sitte
der Laienbeichte. Die pfeudo-auguftinifche Schrift de
vera et falsa poenitentia bietet erftmalig die Theorie für
die bereits beftehende Praxis. Albert der Große und
Thomas v. Aquin, die Dominikaner, legten der Laienbeichte
fogar fakramentalen Charakter bei, während die
Franziskaner Alexander v. Haies und Bonaventura fie nur
als Werk der Tugend gelten laffen und fcharf von der
fakramentalen Priefterbeichte unterfcheiden. Nach Skotus
ift die Laienbeichte fogar möglicherweife fchädlich.
Währenddem lebte die Sitte felbft ruhig weiter, in den
Beichtbüchern oder Summen fehr häufig und eingehend
behandelt. Man empfahl, im Notfall Laien zu beichten,
weil ,dadurch die Reue vermehrt, die Befchämung als
der größte Teil der Satisfaktion erregt werde, die Erholung
eines Rates feitens eines kundigen Mannes möglich
fei und auch der Kirche angezeigt werden könne,
wie fie dem Verdorbenen zu Hilfe kommen könne'. Unter-
deß drang die franziskanifche Beurteilung der Laienbeichte
immer weiter durch und legte auch langfam die
Praxis lahm. Als Luther vom Standpunkt der Lehre
vom allgemeinen Prieftertum aus die Beichte und Ab-
folution auch durch Laien als berechtigt anerkannte, trat
die Kirche offiziell diefer Auffaffung entgegen. Das wirkte
auf die katholifche Sitte und Theorie infofern zurück,
als man katholifcherfeits nun die katholifche Laienbeichte
verwarf, um Verwechslung mit dem evangelifchen Brauch
oder gar deffen Nachahmung zu vermeiden. So wars
Ende des 17. Jahrhunderts, bis denn alsbald auch die
Praxis der Laienbeichte in der katholifchen Kirche auf-