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Ausgabe: | 1910 Nr. 14 |
Spalte: | 424-427 |
Autor/Hrsg.: | Babut, E.-Ch. |
Titel/Untertitel: | Priscillien et le Priscillianisme 1910 |
Rezensent: | Krüger, Gustav |
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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 14.
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behalten bleiben. Nur eine Beobachtung habe ich in I
diefer Beziehung gemacht, daß nämlich eine unverhältnismäßig
große Zahl der fonft nicht nachweisbaren Abweichungen
des aramäifchen Textes mit der maforetifchen
Überlieferung der hebräifchen Bibel übereinftimmt, Mich.
4,11. 4,21. Deut. 7, 5 ]. I Sam. 2,252. 25 *. 255. Hiob 6,28!
(hjtioxQtrpaxs). Jef. 40, 5Jer. 11,23 k 12,4! (jtaßng).
Die verehrte Herausgeberin hat fich durch diefe
Publikation die Wiffenfchaft der biblifchen Textkritik
und der biblifchen Philologie zu neuem großem Danke ,
verpflichtet.
Gießen. Friedr. Schwally.
Mi II ig an, George, D.D., Selections from the Greek Papyri.
Edited with Translations and Notes. Cambridge, Uni-
versity Press 1910. (XXXII, 152 p. w. 1 plate) 8° s. 5 —
Jede Auswahl von Papyri hätte ein Recht auf die
Beachtung der neuteftamentlichen Forfcher, umfomehr
alfo die von Milligan, die fpeziell vom ntlichen Standpunkt
aus zufammengeftellt ift. M. bietet 55 Nummern j
von mannigfaltigftem Inhalt und aus allen Zeiten, vom
älteften datierten Papyrus, einem vorzüglich erhaltenen
Heiratskontrakt (Elephantine-Papyri Nr. Ij anno 311/10
v. Chr.), bis zum chriftlichen Amulett des 6. Jahrhunderts
; daß die Briefe vorwiegen, ift nichts als billig bei
der Wichtigkeit gerade diefer Literaturgattung für das
NT. Die Vorzüge der M.fchen Sammlung find aber
nicht nur die treffliche Auswahl wichtiger Stücke, fondern
auch die überfichtliche chronologifche Anordnung
mit der fofort orientierenden typographifchen Hervorhebung
der Abfaffungszeit, ferner die editionstechnifche
Genauigkeit der Text wiedergäbe, die Beifügung erklärender
Anmerkungen, die hauptfächlich auf fprach-
liche und fachliche Parallelen zum NT. hinweifen, und
die klare englifche Überfetzung, mit der M. in erfreulicher
Weife einem Bedürfnis der nicht fpeziell in den Papyri
heimifchen Benutzer entgegenkommt. Alfo für jedermann,
der fich für Sprache und Briefform, für Kultur- und Reli-
gionsgefchichte der helleniltifchen Zeit, vor allem in
ihren Beziehungen zum NT., intereffiert, ift das Buch eine
reiche Fundgrube, die wir neben den bekannten, zum
Teil andern Zwecken dienenden Sammlungen von Wit-
kowski (Epistulae privatae Graccae quae in papyris
aetatis Lagidarum servantur; Leipzig 1906) und von
Lietzmann (.kleine Texte' Nr. 14: Griech. Papyri;
Bonn 1905) und den Wiedergaben von Papyri in Deiß-
manns .Licht vom Offen' (2. Aufl. Tübingen 1909) nicht
mehr miffen möchten, fo wenig auch M. diefe erfetzt oder
erfetzen will.
Einige Einzelheiten möchte jedoch der Referent
dem Verfaffer für eine allfällige zweite Auflage, die
man feinem Buch gerne wünfcht, zu bedenken geben:
Die Dedeutung des Zeichens ( ) (Wörter über der Zeile
nachgetragen) ift auf S. XXXIV nicht vollftändig angegeben
. Die Akzentuierung ift bisweilen fehlerhaft, fo
bei xXtjqov S. 61 (zweimal), ejznoeaorji S. 72 (zweimal),
Xvyyov S. 76, f/öecoq S. 99, avayvcbxi S. 112; inkonfe-
quent ift das coi von Kcbioq und rsXcötoq in Nr. 1 behandelt
': Kcoiav, aber Kcoiov und Kcöioq FeXojioq.
Der Wortindex ift leider fehr lückenhaft; wenn auch
M. offenbar nicht Vollftändigkeit beabfichtigte, was man
vielleicht begreifen, aber nicht loben wird, fo durften doch
keineswegs fehlen Wörter wie slpaxiopoq (1,4; IfiaxiGfioq
30, 13 ift angeführt), evxvyyäveiv rivi = .petitionieren'
(5,5, wo auf Acta 25,24 hinzuweifen war), En{s)l = ,fonft'
(22, 30, vgl. Rom. 11,6. 22 und fonft), alq in der Formel
coq kxmv ... (z. B. 30,4,. 5, vgl. Luk. 8,42; 3,23).
An wefentlicheren Überfetzungsfehlern find mir folgende
aufgefallen: 1, 12 ■>) 6h xoä$~ig tOxm . . . AqprjxQiat
. . . Ix xe avxoö 'l/QCtxXsiöov xal xätv Hn-axltidov siav-
xcov xal hyyaimv xal vavxLxmv ,let thc right of execu-
tion be . . . to Demctria . . . or H. himself and all H.s
friends both on land and seal ftatt ,... an (gegenüber)
H. felbft und allem Befitz des H. zu Waffer und zu
Land', vgl. die genaue Parallele 34,14 zrjq stQat-eojq ovonq
xoö txöidovzi MrjvoömQOV (= Qmi) staqa xov yapovvxoq
xal ex xöbv vsiagyovx mv avxm otavxcov ,the right of
execution belonging to M., the giver (pf the bride), upon
the husband and upon all that belongs to htm'. 5,2 ff.
ift zu konfluieren Gavrjq xal Taovq öiövfiai. . . Ivsxvyo-
psv ,wir, die Zwillingslchweftern Th. und T. (nicht Th.
and T. are tivins), . . . haben petitioniert'. 5,21 v<p
vficöv iplv nicht ,on you by us', fondern umgekehrt.
23,9 fr. xal tQmxrj&xlq . . . Gvvsvmyßri[i rjfislv kann
nicht heißen , You are also invited to . . . feast along
with us', fondern nur ,und (damit er, ostcoq Z. 6) der
Einladung gemäß . . . mit uns fchmaufen kann'; der
Brief ift alfo wohl keine Einladung, fondern die Bitte,
dem zu den Eingeladenen gehörenden Überbringer beim
Einkauf von Tauben für das Feft behilflich zu fein (auch
Nr. 21 ift ein folcher Begleitbrief für den Einkauf).
M. würde fich auch Dank erwerben, wenn er es ermöglichen
könnte, die fall fehlende Heranziehung fprach-
licher Parallelen aus klaffifcher und helleniftifcher Profanliteratur
nachzuholen, damit die Probleme der ntlichen
Sprache auch denjenigen Benützern nicht zu einfach er-
fcheinen, die den beherzigenswerten Satz auf S. XXXII
überfehen: ,Much requires still to be done before their
(der Papyri) exact linguistic and historical value ean
be fully eslimated'.
Schiers (Graubünden). A. Debrunner.
Babut, Prof. E.-Ch., Priscillien et le Priscillianisme. (Biblio-
theque de l'ecole des Hautes Etudes. Sciences hi-
storiques et philologiques. 169. Fase.) Paris, H.
Champion 1909. (XII, 316 p.) gr. 8° fr. 8 —
Es widerftrebt mir faft, die Befprechung diefer lehrreichen
Monographie mit einem Hinweis auf das vielzitierte
Schwankende Charakterbild' zu beginnen. Aber
Tatfache ift es eben doch, daß auch Priszillian zu den
gefchichtlichen Geftalten gehört, über die das Urteil der
Nachwelt nicht zur Ruhe kommen kann. Hat doch
noch vor wenigen Jahren Künftle (Antipriszilliana, 1905)
auf all die Anklagen wieder zurückgegriffen, die wir
verdummt glaubten. Ich halte Babuts gut fundierte,
befonnen durchgeführte und klar gefchriebene Arbeit
für wohlgeeignet, das Urteil derjenigen zu klären, die
noch der Belehrung bedürfen. Er bringt neben allerhand
Neuem natürlich viel Bekanntes, aber er rückt
auch das Alte überall in feffelnde Beleuchtung, fo daß
man ihm von Anfang bis zum Ende mit einer Teilnahme
folgt, die nicht nur dem Gegenftande, fondern auch der
Kunft des Schriftftellers gilt.
Der gefchichtlichen Darftellung, die übrigens nur
bis zum Konzil von Toledo (400) reicht, geht die
Quellenanalyfe voran; fechs Appendices behandeln Einzelfragen
. Ich hebe nur das hervor, was mir die Auf-
merkfamkeit der Forfcher zu verdienen fcheint. Wertvoll
find im Abfchnitt über die Quellen die Bemerkungen
über die Apologie des Itacius (S. 33 ff.), ihre Abhängigkeit
von Irenäus, foweit es fich um das Zerrbild der
Gnofis Priszillians handelt, und den Verfuch des Nach-
weifes, daß die Notizen bei Hieronymus (nach 398) und
der Bericht des Sulpicius auf Itacius zurückgehen. Fein
find die Beobachtungen über den Wechfel im Urteil
des Hieronymus in den Jahren von ca. 390—400. Leos
Brief an Turibius, deffen Echtheit Künftle beftritten hat,
Jülicher (diefe Zeitung 1906, Sp. 658) und Kattenbufch
(Gött. Gel. Anz. 1908, 243 ff.) für zweifelhaft halten, ift ,in-
dubitablement authentique' (17, A. 3). Das Ergebnis der
Quellenunterfuchung ilt das gleiche, wie fchon bei Dierich
u. a.: in Texten itacianifcher Herkunft darf man zuver-
läffige Nachrichten über Priscillians Lehre nicht fuchen.