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Ausgabe:

1910

Spalte:

417-419

Autor/Hrsg.:

Vacandard, Elphegius

Titel/Untertitel:

Études de critique et d‘histoire religieuse. II. Série 1910

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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Theologische Literaturzeitung.

Begründet von E. Schürer.

Fortgeführt von Prof. D. Ad. Harnack, Oberlehrer H. Schuster und Prof. D. Arth. Titius.

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Jährlich 26 Nm. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig. Halbjährlich 9 Mark.

Manufkripte und gelehrte Mitteilungen find ausschließlich an
lVT'P 1A IdlnV'P' ^föl Profcfibr D. Titius in Gottingen, Friedländerweg 26, zu fenden. Q .Tllli IQIO

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Vacandard, Stüdes de Critique et d'Histoire

religieuse (Grützmacher).
Reckendorf, Über Paronomafie in den femi-

tifchen Sprachen (Schwally).
Isaias. Diligenter revisus juxta Massorah (Volz).
Peckham, An Iutroduction to the Study of

Obadiah (Volz).
Blau fu ß, RömifcheFefle und Feiertage nach den

Traktaten über fremden Dienft (Aboda zara)

(Fiebig).

Lewis, Codex Climaci rescriptus (Schwally).
Milligan, Selections from the Greek Papyri

(Debrunner).
Babut, Priscillien et le Priscillianisme (Krüger).
Chronicon universale anonymi Laudunensis

(Mirbt).

Gromer, Die Laienbeicht im Mittelalter
(Drews).

Briefwechfel der Brüder Ambrofius und Thomas
Blaurer 1509 bis 1548 (Boflert).

Jung, Johannes Schwebel (Schornbaum).
Wcndland, Die Religiofität und die kirchen-

politifchen Grundfätze Friedrich Wilhelms des

Dritten (Seil).

Otto, Kantifch-Fries'fche Religionsphilofophie
(E. W. Mayer).

Simons, Die Konfirmation (E. Chr. Achelis).
Das freie Chriflentum in der Welt (Nieber-
gall).

Vacandard, £., Etudes de Critique et d'Histoire religieuse.

Deuxieme stirie. Paris, V. Lecoffre 1910. (V, 308 p.)
8° fr. 3.50

Der vorliegende Band enthält eine Sammlung fehr
verfchiedenartiger Studien des hervorragenden katho-
lifchen Hiftorikers, die bereits in verfchiedenenZeitfchriften
erfchienen find. Der erfte Auffatz über die förmliche
Einfetzung der Kirche durch Chriftus fetzt fich mit dem
bekannten Moderntften Loify auseinander. Nach Loify
führen die Evangeliflen die Begründung der Kirche auf
den erhöhten, nicht auf den hftiorifchen Chriftus zurück,

öffentliche Beichte bildete eine feltene Ausnahme. Man
Bellte als Prinzip auf, daß die öffentliche Beichte zur
Erbauung der Gemeinfchaft dienen müffe und nur mit
Zuftimmung des Beichtenden ftattfinden dürfe. Dagegen
war in den erften Jahrhunderten die Buße aller fchweren
Sünder eine öffentliche. Diefe öffentliche Exomologefe
hielt man mit dem Geheimnis der Beichte für vereinbar.
Später wurden nur die öffentlichen Sünden durch öffentliche
Buße gefühnt, die geheimen Sünden durch geheime
Beichte. In den älteffen Zeiten nahmen die Bifchöfe
die Beichte ab, feit dem 3. Jahrhundert funktionierte
vielfach ein befonderer Bußpriefter. Um 400 werden die

und deshalb ift die Annahme, daß der hiftorifche Chriftus PHefter neben den Bifchöfen zu Beichtigern. Im Orient

die Kirche eingefetzt hat, unerweislich und unwahrfchein-
lich. Demgegenüber beruft fich Vacandard vor allem
auf Matth. 16, 17—19, in denen er die deutliche Begründung
der Kirche durch Chriftus und der Einfetzung des
Primats des Petrus findet, während Loify diefe Worte
dem gefchichtlichen Jefus abfpricht. In würdiger Polemik
und nicht ohne Gefchick bekämpft Vacandard die einzelnen
Behauptungen Loifys und verteidigt feinen konfer-
vativen Standpunkt in der Beurteilung der evangelifchen
Gefchichte.

Der zweite, umfangreichfte und wertvollfte Auffatz

der traditionellen katholifchen Anfchauung fieht Vacan-

hören vor allem die Mönche die Beichte, die aber fpäter mit
prielterlichem Charakter bekleidet fein und bifchöflichen
Auftrag empfangen haben müffen. Der 21. Kanon des
Laterankonzils vom Jahre 1215 bringt die Bußdisziplin
im Abendland zum Abfchluß, indem die Beichte einmal
im Jahre von jedem Laien bei feinem eignen Priefter gefordert
wird.

Im 3. Auffatz über den Militärdienft der Chriften
behandelt Vacandard dasfelbe Thema wie Adolf Harnack
in feiner Militia Christi 1905, ohne wefentlich Neues zu
bringen. Er führt nur die Unterfuchung, die Harnack

behandelt den Urfprung der fakramentalen Beichte. Nach bis auf Konftantin geführt hatte, bis in das c. Tahrhundert

fort. Im nachkonftantinifchen Zeitalter lebt noch einmal

dard diefe in Matth. 16,29, Matth. 18,18 und Joh. 20,23 I die urchriftliche Meinung bei Martin von Tours, Victricius
begründet. Der Gebrauch der Beichte geht nach ihm j von Rouen und Paulinus von Nola auf, daß der Militär-
bis in die fruhefte Zeit der Kirche zurück. Seit Ende dienft mit dem Chriftentum unvereinbar' fei aber die Au-
des 2. Jahrhunderts empfehlen die Übung der Beichte torität Auguftins, Maximus' von Turin und Papft I eo
Origenes und Tertullian. Nur fchrecken die Bußübungen, des Großen verhilft in der Folgezeit der Anfchauune
die fich daran fchließen, vielfach die Gläubigen von ihrem zum Sieg, daß die Ausübung des^Militärdienftes wie die
Gebrauch ab. Je mehr fich diefe mildern, um fo häufiger ', jedes andern öffentlichen Amtes nicht zu beanftanden fei
wurde die Beichte. Die Mönche verbreiteten fie nicht Der vierte Auffatz erweift die früher weit verbreitete

nur in den Klöftern, fondern überall. Im karolingifchen , Annahme, daß das Konzil von Macon im Jahre c8e,
Zeitalter wurde die dem Ofterfeft vorangehende Beichte I den Frauen die Seele abgefprochen habe, im Anfchluß

zu einer feften Sitte. Jede Todfünde war eine notwendige
Veranlaffung zur Beichte. In den erften Jahrhunderten
rechnet man dazu nur Idolatrie, Hurerei und Mord. Aber
Tertullian, der diefe Anfchauung vertritt, fpricht bereits
von einer Zahl anderer, weniger fchwerer Sünden, die
dem Bifchof gebeichtet werden müffen, und die er als
vergebbare oder minuta bezeichnet. Eine fichere Unter-
fcheidung zwifchen vergebbaren und unvergebbaren
Sünden findet fich aber bei den Kirchenvätern nicht. Die
Beichte der peccata venalia wird erft durch die Mönche

an die Forfchungen von Gottfried Kurth definitiv als
Legende. Die Legende entftand dadurch, daß ein Bifchof
auf diefem Konzil die philologifche Streitfrage aufwarf,
ob der Name homo auch auf Frauen angewandt werden
dürfe, oder nur für Männer zu refervieren fei, die Frauen
aber nur als femina oder mulier bezeichnet werden
dürfen. Die Bifchöfe weifen im Anfchluß an den bib-
lilchen Gebrauch von homo diefe Meinung zurück.

Der fünfte Auffatz hat die albigenfifche Ketzerei
zum Gegenftand. Gegenüber Molinier, der in den Lehren

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eingebürgert, denen im 13. Jahrhundert die Laien folgen, der Katharer einen Verfuch der Befreiung des menfeh-

Nach Vacandard war die vorbereitende Beichte, die der liehen Gedanken und in ihrem praktifchen Verhalten

öffentlichen Buße voranging, von Anfang an geheim. Die einen Fortfehritt der fozialen Moral fieht, betont Vacan-

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