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Ausgabe:

1910

Spalte:

399-401

Autor/Hrsg.:

Völker, Karl

Titel/Untertitel:

Der Protestantismus in Polen, auf Grund der einheimischen Geschichtsschreibung dargestellt 1910

Rezensent:

Tschackert, Paul

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kationen von R. Hoppeler kennen. G. Finsler veröffentlicht
einen leider unvollftändig gebliebenen Vortrag Eglis
für den Ferienkurs der theol. Fakultät in Zürich 1908
über die Neuausgabe von Zwingiis Werken, den der erkrankte
Mann leider nicht mehr halten konnte. ,Es ift,
als ob er in demfelben einen Rückblick auf fein Lebenswerk
werfe', indem er den ungemeinen Fortfehritt der
neuen Ausgabe aufzeigt gegenüber der von Schuler und
Schultheß nach der methodifchen und ffofflichen Seite
und die ungemeine Bereicherung unferer Kenntnis von
Zwingiis Arbeit durch die neuentdeckten Schriften, be-
fonders feine Prophetenkommentare und die lateinifche
Hiobüberfetzung und die bisher unbekannten Aufzeichnungen
Zwinghs vom Marburger Gefpräch über feine
Verhandlung mit Melanchthon und feine merkwürdige
Unterredung mit Luther. Aus der von Egli hinterlaffe-
nen Sammlung von Biographien reformatorifcher Perfön-
lichkeiten werden 2 Stücke: Hans Gebentinger und
Heinrich Häffi von Glarus mitgeteilt, weiter 2 Difticha
des Eßlinger Schulmeifters Ägid. Krautwaffer {Lym-
pholerius) auf Zwingiis Tod, die der Stimmung in Süd-
deutfchland Ausdruck geben. S. 279, Z. 2. 1. Sinapio,
S. 280, Z. 24 ift Bechinger, wie Roth, Augsburgs Ref-. G.
1, 217, 307 zeigt, Wolfgang Wackinger. Das zweite
Heft gibt die gedankenreiche Gedächtnisrede von Prof.
Dr. v. Schultheß-Rechberg über Calvins Gedankenwelt
, aus der die fchöne Zeichnung von Calvins Eigenart
gegenüber Luther und Zwingli, ,zwei unvergängliche
Ideen im Prädeftinationsgedanken' (S. 307) und Calvins
Einfluß auf die Kirchen und Völker feines Bekenntniffes
(S. 308) hervorgehoben zu werden verdienen. Die Karikatur
auf Calvin, von welcher eine Abbildung dem Heft
beigegeben ift, wird der Zeit des durch Samuel Huber
neuentfachten Streites der Konfeffionen ebenfo angehören
, wie die beiden zur Nachforfchung zu empfehlenden
Spottbilder, welche die Rechnungen des württemb.
Kirchenkaftens (Staatsarchiv Stuttgart) erwähnen: ,1590
Jan. 30 Jakob Zöberlin, Maler zu Tübingen, der auf Befehl
Dr. Jak. Andreäs das Zwinglifch Bett auf einen
Birnbaumftock geriffen 2 fl. 16x. 1593 Juli 31 Jakob
Zyberlin, Maler zu Tübingen, von dem calvinifchen
Gefchütz und Feilung zu reißen, 4 fl. 30 x.' Zum
roten Uli S. 316 bildet Herzog Ulrich von Württemberg
eine Parallele. Er hieß bei feinen Feinden wegen feines
rotblonden Haars und Barts der rote Böfewicht (Heyd,
Ulrich 1, 127).

Stuttgart. G. Boffert.

Völker, Dr. Karl, Der Proteftantismus in Polen, auf Grund
der einheimifchen Gefchichtsfchreibung dargeftellt.
Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung 1910. (VIII,
240 S.) gr. 8° M. 6—, geb. M. 7 —

Nach einer orientierenden Einleitung befpricht der
Verfaffer die Quellen zur Gefchichte des Proteftantismus
in Polen, hauptfächlich foweit fie von polnifchen Autoren
felbft herrühren, und unterfcheidet, entfprechend dem
Werdegang des polnifchen Proteftantismus, 1. die prote-
ftantifchen Quellen des 16. Jahrh., 2. die katholifchen
Quellen des 16. Jahrh., dann 3. die proteftantifche Kirchen-
gefchichtsfehreibung des 17. Jahrh. und 4. die katholifche
Gefchichtsfchreibung des 17. Jahrh.; darauf 5. die proteftantifche
Gefchichtsfchreibung des 18. Jahrh. und 6. die
katholifche Gefchichtsfchreibung des 18. Jahrh.; endlich
7. das neunzehnte und zwanzigfte Jahrhundert. Ein Ortsund
Perfonenregifter fchließt das Werk. — Zu bemerken
ift dabei zu allernächft, daß zu diefem Inhalt des Buches
der Titel nicht paßt; denn eine ,Darftellung' des
,Proteftantismus in Polen auf Grund der einheimifchen
Gefchichtsfchreibung' wird nicht gegeben. Nach dem
Titel müßte man eine Gefchichtsdarftellung oder Erzählung
der Schickfale des polnifchen Proteftantismus auf Grund
der polnifchen Gefchichtsfchreibung erwarten. Statt

deffen gibt der Verfaffer eine Hiftoriographie aus der
polnifchen Literatur in betreff des polnifchen
Proteftantismus,kann aber nicht umhin, fchließlich noch
zahlreiche andre Autoren anzuführen, die fich mit der
Gefchichte des polnifchen Proteftantismus befchäftigt
haben, natürlich deutfehe Autoren, bis herauf zu Kruske,
Hein, Criegern, Borgius, Dalton, Wotfchke und Löfche.
Diefer Umftand, daß fchließlich doch eine große Anzahl
deutfeher Autoren in den Kreis der Betrachtung gezogen
wird, regt zu der Frage an, ob es überhaupt erfprießlich
ift, eine folche Abgrenzung vorzunehmen, daß eine geiftige
Bewegung eines Landes nur nach den Darftellungen der-
felben aus demfelben Land zum Gegenftand der Betrachtung
gemacht wird. Müffen nicht die Stimmen aus anderen

j Ländern dazu kommen, wenn ein möglichft objektives
Bild der geiftigen Bewegung gewonnen werden foll?
Doch ich muß zugeben, daß eine Abgrenzung des Stoffes,
wie fie der Verfaffer vorgenommen hat, eben feine Sache
ift; er hat fich den Stoff fo abgegrenzt, wie er ihn bietet,
und das ift jedenfalls etwas Eigenartiges.

Jeder Kenner der Reformationsgefchichte Ofteuropas

[ weiß, daß bis heute die Gefchichte des polnifchen Proteftantismus
bei uns in Deutfchland noch im argen liegt. Das
kommt von unferer mangelnden Kenntnis der polnifchen
Sprache her. Um fo dankbarer muß man dem Verfaffer
fein, daß er in dem vorliegenden Buche alle kirchen-
gefchichtlichen und profangefchichtlichen polnifchen
Autoren anführt und befpricht, die fich je mit dem
polnifchen Proteftantismus befchäftigt haben. Als Weg-

1 weifer in die polnifche Hiftoriographie des polnifchen

| Proteftantismus wird es gute Dienfte leiften und als Nach-
fchlagebuch geradezu unentbehrlich fein. Ich möchte nur
gleich den Wunfeh hinzufügen, daß der Verfaffer feine
ausgezeichnete Kenntnis der polnifchen kirchengefchicht-
lichen Literatur dazu benutzen follte, uns eine erzählende
Darftellung der Gefchichte des Proteftantismus in Polen
zu fchenken. Männer, die beide Sprachen beherrfchen,
find unter uns feiten und follten ihr Pfund nicht vergraben,
fondern Wefteuropa in diefem Stücke belehren helfen.
Die Vorftellungen der ,Weftelbier' in Deutfchland über die
Zuftände und Verhältniffe,Oftelbiens' odergardesWeichfel-

. tales ftrotzen von Irrtümern, die doch auch gehoben werden
müffen. Freilich müßte der Verfaffer feine Auffaffung
der allgemeinen Kirchengefchichte erft noch einer Revifion
unterziehen.

Ich notiere als Entgleifung die Anficht des Verfaffers
S. 14, daß in Deutfchland das ,Luthertum' infolge des
Interims, d. i. nach 1552, ,notgedrungen im Flacianismus
Rettung fuchen mußte'. Da braucht der Verfaffer ja nur
1 einen Blick in die Lehrordnungen und Kirchenordnungen
! feit der Mecklenburger lutherifchen Kirchenordnung von
1552 bis zum Konkordienbuche 1580 zu tun, um fich zu
überzeugen, daß die lutherifchen Landeskirchen Nord-
deutfchlands denn doch etwas andres repräfentierten
als den Flacianismus. Die fogenannten ,Gnefiolutheraner'
find eine Handvoll Eiferer, nicht ,das Luthertum'. Im
übrigen enthält aber die Einleitung eine wohlgelungene
Schilderung des Auf- und Niederganges des polnifchen
Proteftantismus. Aber den fogenannten deutfchen,Unionis-
mus' im Anfang des 18. Jahrh. (S. 103) überfchätzt der
Verfaffer nach meinem Dafürhalten fehr erheblich. —
Wenn nun außer der polnifchen auch deutfehe Literatu r
zur Gefchichte des polnifchen Proteftantismus herbeigezogen
werden follte, da hätte der Verfaffer doch auch
aus meinem ,Urkundenbuche zur Reformationsgefchichte
des Herzogtums Preußen', (Leipzig 1890, 3 Bände), gar
| manches zur Reformationsgefchichte Polens notieren
können, z. B. die Darftellung der reformatorifchen Vorgänge
in Danzig 1525 und 1526 (U-B. Bd. I, S. 135—143),
und was über die evangelifchen Polen in Preußen zu er-
forfchen war, über Malecki, Seclutianus, Andreas Samuel,
Martinus Gloffa und über die polnifchen evangelifchen
Katechismen a. a. O 336—339. Auch fehlt, daß Dr. Franz