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Ausgabe:

1910 Nr. 13

Spalte:

395-396

Autor/Hrsg.:

Hennig, Ernst

Titel/Untertitel:

Die päpstlichen Zehnten aus Deutschland im Zeitalter des Avignonesischen Papsttums und während des großen Schismas. Diss 1910

Rezensent:

Sehling, Emil

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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 13.

396

Bistum Havelberg (S. 78ff.), fei es endlich im Lande
Stargard mit Strelitz, Ahrensberg und Lychen (S. I08ff.).
Schm. liefert hier eine aus zahllofen Einzelfundftellen
gefchöpfte Pfarreiftatiftik feiner Heimat, deren Verdienft
um fo mehr anzuerkennen ift, als die Aufzählung der
ermittelten Daten weniger auf Lefer denn auf mehr gelegentliche
Benutzer rechnen darf, denen ein forgfältiges,
auf beide Hefte fich erstreckendes Ortsregifter (S. 165fr.)
zugute kommen wird. Über das rein lokalhiftorifche
Intereffe erheben fich die weiteren Abfchnitte der vorliegenden
Studie, in denen einmal die Ergebniffe zu-
fammengeftellt (S. 124fr.), die Filialkapellen aufgezählt
(S. 130fr.) und endlich die Archidiakonate in ihrer Bedeutung
für die kirchliche Organifation gewürdigt werden
(S. 146fr.). Nur einiges mag hier angemerkt fein, zu-
erft die Tatfache, daß in der Gefchichte der kirchlichen
Gliederung Mecklenburgs zwei Perioden zu unter-
fcheiden find, die der Gründung großer landesherrlicher
Kirchfpiele bis rund zum Jahre 1235, die mit der Ko- 1
lonifation felbft einfetzte, und die der kleineren und j
kleinften Kirchfpiele bis rund zum Jahre 1335, die von !
Klöftern oder von der Ritterfchaft geftiftet wurden, der- j
art daß nach 1335 die Einrichtung neuer Pfarreien fo j
gut wie aufhörte. Überrafchend ift auch die Feftftellung, j
daß von etwas mehr denn hundert Kapellen die Mehr- I
zahl bereits dem dreizehnten Jahrhundert angehört, im j
Laufe des vierzehnten aber der Kapellenbau allmählich j
fein Ende fand. Nicht recht befriedigt der letzte Ab-
fchnitt über die Archidiakonate. Schm. ift hier feinem
geographifch-ftatiftifchen Verfahren allzugetreu geblieben, |
indem er vornehmlich auf die Feftlegung der Grenzen
der einzelnen Archidiakonate fein Augenmerk richtete.
Dankenswerter noch wäre es gewefen, hätte er dem j
Recht der Archidiakone größere Beachtung gefchenkt —
die kurzen Bemerkungen S. 146f. geben wenig mehr als allgemein
Bekanntes —, hätte er dieStellung der Archidiakone
in Mecklenburg verglichen mit der, die für die Nachbar -
diözefe Brandenburg F. Curfchmann (Die Diözefe Brandenburg
, Leipzig 1906, S. 229 fr. 344 fr.), für die oberrheinischen
Sprengel E. Baumgartner (Gefchichte und j
Recht des Archidiakonates der oberrheinifchen Bistümer
mit Einfchluß von Mainz und Würzburg. Stuttgart 1907;
f. jetzt überdies f. Lohr, Die Verwaltung des kölnifchen
Großarchidiakonates Xanten am Ausgange des Mittelalters
, ebd. 1909) erfchloffen haben. Schon in der An- j
zeige des erlten Teiles gaben wir der Hoffnung Ausdruck
, Schm. möchte auch das Recht der Pfarren und [
dieStellung ihrer Inhaber behandeln; heute, da fie noch
nicht erfüllt ift, dehnen wir unferen Wunfeh auf die
verfaffungsgefchichtliche Würdigung auch der Archidiakonate
aus. Für beides hat Schm. den Grund gelegt dank
einem Fleiße, der jeglichen Lobes wert ift gleich der
Kirchfpielkarte, die er feiner Arbeit beigefügt hat.

Königsberg i. Pr. A. Werminghoff.

Hennig, Ernft, Die päpftlichen Zehnten aus Deutfchland im

Zeitalter des Avignonefifchen Papfttums und während j
des großen Schismas. Diff. Halle a. S., E. Karras
1909. (XII, 45 S.) gr. 8»

Diefe Abhandlung, eine tüchtige Königsberger
Differtation, ftellt einen Abfchnitt aus einem größeren
Werke dar. Sie gibt einen Überblick über die fogenann-
ten ,Kurial-Zehnten' aus Deutfchland im Zeitalter des
Avignonefifchen Papfttums und während des großen J
Schismas. Kurialzehnten waren Steuern, welche die j
Päpfte auf die Einkünfte des Klerus legten, im
Gegenfatze zu den Territorial- oder Reichs-Zehnten,
welche die deutfehen Könige oder die Landesherren
(und zwar zunächft nur mit ausdrücklicher Bewilligung
des Papfles, getreu dem mittelalterlichen Syfteme von
Staat und Kirche) von den Klerikern verlangten. Die
Papft-Steuern wurden teils für Kreuzzüge, oder gegen die j

Türken, dann aber auch für andere Zwecke ausgefchrieben.
Der Verf. fchildert eingehend das Ausfehreiben, die Erhebung
, den Erfolg und die Verwendung diefer Kurial-
Zehnten in Deutfchland und liefert damit einen wertvollen
Beitrag zur Gefchichte der Befteuerung der
Geiftlichen in Deutfchland, der päpftlichen Finanzgebarung
und zur mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte
überhaupt. Die Fortfetzung wird die Reichs- und Terri-
torial-Zehnten in der fraglichen Epoche behandeln.

Erlangen. Sehling.

Heidrich, Ernft, Dürer und die Reformation. Leipzig,
Klinkhardt & Biermann 1909. (IX, 82 S. m. 1 Tafel.)
gr. 8° M. 2—; geb. M. 2.75

Die frifch und lebendig gefchriebene, Max Lenz gewidmete
Schrift Heidrichs zerfällt in 2 Teile, von denen
der erfte für uns hauptfächlich in Betracht kommt: nämlich
I. Dürer und die Schwärmer. Die Bedeutung der
Apoftelbilder. S. 1—58. II. Dürer und die Lutherifchen.
S. 58—82. Mit Recht fieht Heidrich in den Apoftel-
bildern ein Bekenntnis Dürers, aber wie ift diefes gemeint
? Ift es ein Proteft gegen das Papfttum, wie es
1627 der Kurfürft Maximilian von Bayern und feine
Jefuiten auf Grund der Bibelftellen und der Widmung
an den Rat, die Dürer durch den Schreibmeifter Neudörfer
darunter fetzen ließ, auffaßten und Zucker ,ausführlich
zu begründen verfuchte', (S. 6) oder will hier Dürer
weit von allen Schwarmgeiftern abrücken, von Zwingli-
anern und Täufern, wie Heidrich will, indem an er die fehr
beachtenswerte Abhandlung von H. Merz ,Die Bedeutung
der vier Apoftel Albrecht Dürers' (Chriftlich.es Kunftblatt,
Stuttgart 1878, S. 6ff) anknüpft? Merz hatte die Bilder
als einen Kampfruf Dürers gegen das Täufertum aufgefaßt
und die vier Sprüche 2 Petr. 2, 1. 2, 1 Joh. 4, 1. 2. 3,
2 Tim. 3, I. 2, Marc. 12, 38. 39. 40 alle in diefer Richtung
gedeutet (S. 7). Der Verfuch Thaufings, den beiden
Tafeln eine verfchiedene Spitze zu geben, die erfte Tafel
auf Grund der beiden Sprüche 2. Petr. 2 1. 2; 1 Joh. 4,1 ff.
als deutlichen Proteft gegen die Neuerer, die radikalen
Sektierer, gegen die Wiedertäufer ,und Deiften', die zweite
Tafel auf Grund der Sprüche 2 Tim. 3, iff., Marc. 12,38 f.
als Proteft gegen ,die Anhänger des Alten, die Sitten -
lofen Priefter und die meinungsftolzen Humaniften' zu
zu deuten, wird als mißlungen zu betrachten fein. Denn
es ift keine Frage, daß der Grundgedanke, der den
Künftler bei feinem Werk befeelte, ein einheitlicher gewefen
war, und daß die vier Sprüche nur gegen einen
gemeinfamen Feind gerichtet fein können. Aber wer ift
diefer Feind, vor dem Dürer den Rat warnt, dem er die
Tafel zu widmen gedachte und im Herbft 1526 verehrte
mit der Mahnung: ,Alle weltliche Regenten in diefen
fährlichen Zeiten nehmen billig Acht, daß fie nit für das
göttlich Wort menfehliche Verführung annehmen. Dann
Gott will nit zu feinem Wort gethon noch dannen genommen
haben'? (S. 4.)

Heidrich nimmt nach eingehender Unterfuchung der
Vorgänge in Nürnberg an, daß ,die Bekämpfung des
Schwärmertums aus der unverrückbaren Wahrheit der
heil. Schrift' der eigentliche Zweck der Apoftelbilder
war, wenn auch ,rein Perfönliches, der Wunfeh einer
öffentlichen Rechtfertigung gegenüber heimlichen Anklagen
' wegen Zwinglianismus und Schwarmgeifterei der
Ausgangspunkt gewefen fein könnte (S. 39). Vgl. S. 26:
,Um allen Anfchuldigungen zu entgehen, die man wegen
feiner Stellung zu Zwingli und wegen feiner persönlichen
Beziehungen zu den Malern und Denk gegen ihn erheben
konnte und jedenfalls (!) auch wirklich erhob, hielt Dürer
es für gut, durch eine öffentliche Kundgebung weit abzurücken
von der kompromittierenden Gefellfchaft des
Schwärmertums'. Aber es fehlt der leifefte Beweis dafür,
daß irgendwoher Anklagen gegen Dürer auf Zwinglianismus
oder Schwärmertum wirklich erhoben wurden.