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Ausgabe:

1910 Nr. 13

Spalte:

388-392

Autor/Hrsg.:

Paton, Lewis Bayles

Titel/Untertitel:

A critical and exegetical Commentary on the Book of Esther 1910

Rezensent:

Bertholet, Alfred

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3§7

Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 13.

388

tum in Israel, das Richterbuch und die Nachtgefichte
des Zacharja. Die beiden Auffätze über Maleachi's
Predigt und über Nehemja find hier zum erften Mal
bekannt gemacht. Diefer letzte über Nehemja, fowie
die über den Baum der Erkenntnis, über den Streit
zwifchen Ahab und Elia und über Prophet gegen Prophet
d. h. befonders über den Kampf des Jeremja
gegen Hananja find Vorträge im eigentlichen Sinne,
fie find in chriftlichen Vereinen gehalten und ver-
fuchen es ebenfo, wie die anderen hier veröffentlichten
Auffätze, diefen Kreifen ein gefchichtliches Verftändnis
des A. T.s zu vermitteln. Damit ift gegeben, daß es V.
nicht fowohl um die Aufzeigung neuer Probleme oder
die Löfung noch fchwebender zu tun ift, als vielmehr
um die Vermittlung deffen, was als Ertrag wiffenfchaft-
licher Arbeit fich durchgefetzt hat. V. befitzt die unerläßlichen
Erforderniffe, ohne die diefe Aufgabe nicht
erfolgreich zu löfen ift: gründliche Kenntnis aller in
Betracht kommenden Fragen, gepaart mit forgfam abwägendem
Urteil, und eine ftarke religiöfe Perfönlichkeit,
welche die Fähigkeit hat, die wiffenfchaftlichen Ergebniffe
auch religiös fruchtbar zu machen und fo feinen Lefern
bezw. Hörern zu zeigen, daß durch das gefchichtliche
Verftändnis des A. T.s nicht eine Verarmung, fondern
eine Bereicherung unferer religiöfen Erkenntnis gegeben
ift, ja daß das eine Befreiung von einem unerträglichen
Druck bedeutet. Ich verweife, abgefehen von den eben
erwähnten Vorträgen, auf die größeren Auffätze über
das Richterbuch und über die Nachtgefichte des Zacharja:
dort werden in knapper Form die Lefer in die haupt-
fächlichften Probleme eingeführt und zu einem religiöfen
Verftändnis des Buches angeleitet, wobei V. unumwunden
zugefteht, daß der größte Teil diefer Richtergefchichten
für uns religiös wertlos ift, oder auf unterchriftlichem
Niveau fteht. In nicht minder glücklicher Weife führt
V. die Lefer in das Verftändnis der Nachgefichte des
Zacharja ein, indem er den gefchichtlichen Hintergrund
zeichnet, auf dem diefe Nachtgefichte erwachfen find,
den Zufammenhang der Gedankenreihen des Zacharja
untereinander wie ihre Bedeutung für jene Zeit darlegt,
endlich die Berührung mit chrifllichen Gedankenreihen,
nicht minder aber auch ihre Verfchiedenheit von unferer
Vorftellungswelt heraushebt. In gleich trefflicher Weife
bringt V. feinen Lefern Maleachi nahe, indem er auch
hier den hiftorifchen Hintergrund zeichnet, auf dem die
Predigt des M. erwachfen ift, ihren Zufammenhang mit
der vorexilifchen Prophetie, — nicht minder aber die
ftarke Differenz mit derfelben und die Urfache davon
klar legt. Der letzte Vortrag zeichnet ein anfchauliches
Bild der Wirkfamkeit des Nehemja und feiner Bedeutung
für die Entwicklung des Judentums: durch ihn im Bunde
mit Ezra wird aus dem jüdifchen Volk der vorexilifchen
Zeit die jüdifche Gemeinde, deren ganzes Leben durch
das Gefetz umzäunt ift. V. hebt die gefchichtliche Notwendigkeit
diefer Entwicklung heraus, zeigt aber zugleich,
wie durch Erhebung einer zeitgefchichtlichen Notwendigkeit
zu einer von den Schranken der Zeit losgelöften
dauernden die Entwicklung des pharifäifchen Judentums
bedingt ift, während das Chriftentum in die Bahn einer
gefunden Entwicklung einlenkt.

Man wird dem Verf. aus feiner großen Vorficht des
Urteils keinen Vorwurf machen können: die Hörer und
Lefer, welche V. vor fich hatte, machten eine derartige
Vorficht zur Notwendigkeit, denn es galt, diefe Kreife
in eine ihnen bisher unbekannte Welt einzuführen. Es
ift daher begreiflich, daß V.'s Ausführungen nur an wenig
Stellen den Widerfpruch des Fachmannes herausfordern.
Ich erwähne beifpielsweife die Ausführungen auf S. 115 ff.,
wo V. an die Tatfache erinnert, daß Jofua, Richter,
Samuel und Könige zu den eigentlich prophetifchen
Büchern im altteftamentlichen Kanon gehören, während
als eigentlich hiftorifches Buch nur die Chronik mit Ezra
und Nehemja angefehen werden könne. Bei diefem

fei es dem Verf. wefentlich um Zufammenhang und
möglichft genaue Darfteilung der Ereigniffe zu tun, dagegen
bei den prophetifchen Gefchichtsbüchern flehe
die Gefchichte im Dienfte der Predigt, und es fei den
Verff. nicht fowohl um die Darftellung der Gefchichte
als vielmehr des Rates Gottes ufw. zu tun, hier fei die
Gefchichte lediglich Mittel zum Zweck. Diefe Scheidung
läßt fich nicht aufrecht erhalten: Gefchichtsbücher im
ftrengen Sinn haben wir im A. T. überhaupt nicht, felbft
in dem großen nachexilifchen Gefchichtsbuch des Chro-
niften liegt ein folches nicht vor, denn wenn irgendwo fo
haben wir hier tendenziöfe Gefchichtsfchreiberei, während
wir in den fogenannten prophetifchen Gefchichtsbüchern
Partien haben, die an hiftorifchem Wert den beften
Stücken in Ezra und Nehemja gleichkommen. Vielmehr
ift die Stellung jener Gefchichtsbücher Jofua — Könige
unter die Nebi'im und der anderen Gefchichtsbücher unter
die Ketubim ausfchließlich durch hiftorifche Gründe be-
ftimmt. Doch genug davon. Ref. kann nur wünfchen,
daß auch wir für unfere Gemeinden recht viele Publikationen
hätten, in denen die gleiche Kenntnis der
Probleme, diefelbe Unbefangenheit des Urteils und die-
felbe Kraft der religiöfen Perfönlichkeit fich kund tun,
wie in diefer Arbeit Valetons.

Straßburg i/Elf. W. Nowack.

Barton, Prof. George Aaron, Ph.D., A critical and exegeticai
Commentary on the Book of Ecclesiastes. (The International
Critical Commentary.) Edinburgh, T. & T.
Clark 1908. (XIV, 212 p.) gr. 8° s. 8.6

Paton, Lewis Bayles, Ph.D., D.D., A critical and exegeticai
Commentary on the Book of Esther. (The International
Critical Commentary.) Edinburgh, T. & T. Clark 1908.
(XVII, 339 p.) gr. 80 s. 10.6

Bartons Kommentar zum Prediger und Patons
Kommentar zu Efther bilden eine wertvolle Bereicherung
des fchon rühmlichft bekannten Kommentarwerkes, dem
fie angehören. Zugleich legen fie vom Stande der altteftamentlichen
Wiffenfchaft in den Vereinigten Staaten
Nordamerikas wieder das rühmendfte Zeugnis ab.

Was zunächft Bartons Kommentar zum Prediger
anbetrifft, fo liegt fein Wert nicht darin, daß er für die
Exegefe diefes Buches neue Bahnen einfchlüge, fondern
darin, daß fein Bearbeiter, auf dem bisher Erarbeiteten
fußend, mit größter Gründlichkeit und Umficht ein fehr
maßvolles Urteil verbindet. Mit Recht fieht er z. B. in
Siegfrieds bekannter Aufteilung des Predigers unter eine
ganze Anzahl einzelner Autoren eine Übertreibung (S. 28.
44). Ich kann nur unterfchreiben, was er S. 162 in diefer
Beziehung lagt: , Whcn a modern man realizes how many
different conceptions and moods he can entertain, he finds
fewer authors in a book like Qoheleth'. Um fo größer
ift feine Übereinftimmung mit McNeile (vgl. S. 30), deffen
Introduction to Ecclesiastes ich in diefer Zeitung (1905,
Sp. 394—6) befprochen habe. Darnach nimmt B. wenig-
ftens einen Chafid und einen Chakam als Gloffatoren des
urfprünglichen Werkes an. Dem Chafid weift er zu: 2,26;
3, 17; 7,18b. 26b. 29; 8,2b. 3a 5. 6a. 11—13; U>9b.; 12, ia
13h (S. 45); dem Chakam: 4, 5; 5,3.(2)73(63); 7,13.3. 5.
6—9. II. 12. 19; 8, 1; 9,17. 18; 10,1—3. 8—14a. 15. 18. 19
(S. 46), wozu noch 12,9—12 kommt. Damit dürfte B. im
Prinzip im Rechte fein. Indeffen fehe ich keinen Grund
2,26 auszufcheiden; nur muß man äiü und Xtfin nicht,
wie B. tut, im moralifchen Sinne nehmen: vielmehr ift
jener der Gott Wohlgefällige, diefer der ihm Mißfällige.
Noch fkeptifcher bin ich in der Ausfcheidung gewiffer
Chokmaftellen, die deutlich Sprichwörter find. Gerade als
folche könnten fie, in Anführungszeichen fozufagen, vom
urfprünglichen Autor felber hin und wieder aufgenommen
fein, fei es, daß er fich zu ihnen zuftimmend, fei es, daß