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Ausgabe:

1910 Nr. 12

Spalte:

370-372

Autor/Hrsg.:

Busch, Jos. Hub.

Titel/Untertitel:

Das Wesen der Erbsünde nach Bellarmin und Suarez 1910

Rezensent:

Bruckner, Albert

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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 12.

370

gegen ftellen, welches der Herausgeber der ,Bibliotlicca
Wiffeniana' mcifterhaft bearbeitet hat, wird die Erleichterung
würdigen, welche Boehmers eigene Sammlung
jetzt darbietet.

H. {teilt fich die Aufgabe, Valdes als ,fpanifchen
Theologen' im engeren Sinne heraustreten zu laffen,
und obwohl man das Wort: ,wer den Dichter will
verftehn, muß in Dichters Lande gehn' — doch nicht
ohne weiteres auf die Theologen anwenden dürfte, wird
in unferem Falle der Verfuch anzuerkennen fein. Aber
— ift es auch ein Verfuch, der zu befriedigendem Ergebnis
führt? Ich möchte dies bezweifeln. Wir können über
Valdes als Theologen — abgefehen etwa von dem Wie-
derfchein feiner Perfönlichkeit in dem engeren Freundes-
kreife in Neapel feit 1536 — lediglich aus feinen Schriften
urteilen. Da liegt aus der fpanifchen Zeit vor der Dialog
,Mercur und Charon', der eine eindringliche Kritik
der Zuftände in der Kirche vom Standpunkte eines
religiös gerichteten Erasmianers aus gibt, daneben allerdings
gewiffe Züge eines Myftikers zeigt, die ihre Parallelen
im gleichzeitigen fpanifchen religiöfen Leben —
aber auch anderswo — finden. Dann tritt die große
Lücke bis 1534 ein, wo in Neapel der Dialogo de la
Lengua niedergefchrieben wird — wir wiffen nichts
Nennenswertes über Valdes aus direkten Quellen betreffs
jener ganzen, für feine Entwicklung überaus wichtigen Zeit,
wir find im wefentlichen auf Rückfchlüffe aus der reichen
Produktion des letzten Quinquenniums von 1536 ab an-
gewiefen — ,Alfabcto Crisliano', ,110 Divinc Considcra-
zioni die Kommentare und die kleinen Schriften.

Da Valdes in dem ,Alfabcto' die Höhe theologifcher
Formulierung feiner religiöfen Grundanfchauungen erreicht
hat, io wird bei der Unterfuchung der Quellen,
aus denen er fchöpft. gerade bezüglich dicfer Schritt
und ihres Inhaltes die Frage zu (lellen und dann für ihn
überhaupt maßgebend fein: ift das fpezififch fpanifches
Gut, was hier geboten wird, oder haben auch andere
Einflüfie auf Valdes gewirkt? Bekanntlich ift das Letztere
die communis opinio, und diefer fchließt fich auch der Verf.
der vorliegenden Unterfuchung da an, wo Taulers Predigten
und andere Schriften deutfcher Myftiker bezeichnet
find als ,eine Quelle, aus der Valdes für die Myftik
des vAlfabeto«. das Meifte fchöpfte' (S. 58). So modifiziert
Verf. — auch in dem Kapital ,Valdes und die deutfche
Reformation' S. 169 fr. — felber feinen Ausgangspunkt.

Aber in einigen anderen Punkten bleibt er in einem
gewiffen Gegenfatze zu bisherigen Anflehten. So er-
fcheint ihm abnorm, daß ValdeVbisher meift im Rahmen
der italienifch - reformatorifchen Bewegung behandelt
worden ift. Das ift aber ganz natürlich: fein reformato-
rifches Wirken läßt fich erft auf italicnifchem Boden
verfolgen, die Mitglieder des Freundeskreifes in Neapel
find mit einer Ausnahme Italiener, fogar die theologifchen
Schriften des Meifters find uns faft ohne Ausnahme nur
in italienifcher Sprache erhalten, und mehreren der her-
vorragendften literarifchen Erzeugniffe der italienifchen
Reformation ift unverkennbar der Stempel Valdesfchen
Geiftes aufgedrückt. Was will dagegen die allerdings
nicht zu leugnende Tatfache bedeuten, daß Valdesfche
Gedanken nach längerer Zeit fich auch bei Männern
wiederfinden.» die in der Gefchichte der kleinen Märtyrergemeinden
in Sevilla und Valladolid und fonftwo in
Spanien genannt werden, und von denen z. B. Carlos de
Sefo doch ,nach feiner eigenen Angabe das Evangelium
in Italien um 1550 kennen lernte' und ,Schüler des Valdes
war'? (Schaefer, Gefch. des fpan. Prot. etc. I, S. 251).

Trotz alledem ift der mit großer Hingabe gemachte
Verfuch des Verf., die Provenienz Valdesfcher Theologie
endlich einmal genauer feftzuftellen, wie gefagt zu begrüßen.
H. legt da mit Recht zunächft den Finger auf ,Mcrcurio
y Cärott', wo fich dann ein Zwiefaches bei Valdes, eine
"fpanifch religiöfe Unterlage und erasmifche Reformideen
ergeben. Weiterhin aber wird mit der nach Anficht des

I Verf. als Puls in Valdes wirkenden .fpanifchen Volks-
feele', die doch allzu fehr ins Allgemeine ,hiftorifch' unterbaut
wird (S. 152 ff.), in einer Weife operiert, daß die
Unterfuchung nicht zu ihrem Rechte kommt und die
eigentliche Thefe nicht bewiefen wird.

Während der Verf. sich mit den fpanifchen Quellen
j und Bearbeitungen vertraut zeigt, ift feine Kenntnis der
in Betracht kommenden italienifchen Literatur und Ver-
I hältniffe nicht ausreichend. Der nach Valdes' Tode von
Bonfadio vom Gardafee aus an Carnesecchi gefchriebene
Brief wird S. XXIV f. fpanifch mitgeteilt, obwohl die
eigene Hinweifung des Verf. den italienifchen O.iginal-
druck, dem viele andere gefolgt find, richtig angibt.
Selbft Bayles Urteil über Valdes wird in der fpanifchen
Überfetzung Caballeros' und alle Zitate aus dem ,Alfa-
! beto Cristianar in Ufoz' Rücküberfetzung gegeben! Wo
dann freilich S. XVII aus Botta's Stoma d Italia zitiert
wird, erfolgt das italienifch, aber mit fehr vielen und
| lächerlichen Fehlern nicht nach der Originalausgabe,
fondern nach Caballero.

Was das Urteil über neuere Arbeiten angeht, fo ift
1 die Art zu beanftanden, wie S. XXII, A. 1 über die recht
1 tüchtige Arbeit Schlatters (,Die Brüder Alfonfo und Juan de
I Valdes,' 1901) geurteilt wird, ohne daß ihr Titel auch nur
genannt würde. Die von dem Verf. erwähnten 40 bisher
unbekannten Briefe des Valdes (vgl. m. Julia Gonzaga,
1900, S. 113) find noch nicht erfchienen, jedoch ift nach
neuefter Information der Befitzer der Kopien nach wiederholten
Unterbrechungen nunmehr damit befchäftigt,
die Briefe druckfertig zu machen.

Königsberg. Benrath.

Bufch, Sem.-Oberlehr. Dr. Jof. Hub., Das Welen der Erb-
[ünde nach Bellarmin und Suarez. Eine dogmenge-
fchichtliche Studie. Paderborn, F. Schöningh 1909.
(X, 204 S.) gr. 8° M. 4.60

Der Verfaffer unternimmt es in diefer fleißig gearbeiteten
Skizze die Korrekturen, die die beiden Koryphäen
des Jefuitenordens Bellarmin (1542—1621) und
Suarez (1548—1617) an der fpätfcholaftifchen Lehranfchau-
ung von der Erbfünde vorgenommen haben, im einzelnen
nachzuweifen, ihre Bedeutung für die Gefchichte der
Theologie im wefentlichen aufzuzeigen und sie aut ihren
dogmatifchen Wert zu prüfen.

Zu diefem Zwecke gibt er im erften grundlegenden
Teil (S. 7—71) nach kurzen biographifchen Skizzen und
einer knappen Orientierung über die Anlage und den
Zweck feiner Arbeit eine kurze Gefchichte der Lehre von
der Erbfünde von ihren Anfangen bis zum Konzil von
Trident. Er geht dabei im ganzen umfichtig und be-
fonnen vor, fo daß man den Refultaten feiner diesbezüglichen
Unterfuchungen weithin zuftimmen kann, fo namentlich
wenn er hervorhebt, daß bei den griechifchen Kirchenvätern
nur ganz feiten von dem Schuldcharakter
des Erbübels, d. h. von der Erbfünde im eigentlichen
Sinne die Rede fei, und daß die auguftinifche Erbfündenlehre
im Mittelalter faft völlig in Vergeffenheit geraten
fei. Aber im einzelnen wird man doch fehr oft anderer
Anficht fein. So wird man fich fragen, ob tatfächlich
Pf. 50, 7 und Hi. 14, 4 genügen (S. 9 f.), um von einer
Erbfündenlehre auch im Alten Teftament zu reden. Will
doch auch Köberle in feinem gründlichen Werke ,Sünde
und Gnade im religiöfen Leben des Volkes Israel bis
auf Chriftum' (S. 515, 568 ff.) erft in der apokryphen und
und pfeudepigraphen Literatur des Spätjudentums die
erften deutlichen Anfätze zu einer Erbfündenlehre finden
Zu der Erklärung von Rom. 5,12 (S. 12) k<p d> = e 'o
quod mit notwendiger Ergänzung von in co hätte bemerkt
werden dürfen, daß bereits die Pelagianer dies fo
erklärt haben, allerdings ohne das in co hinzuzudenken
Bei dem Zitat Tatians S. 17: ,Non nati sumus ut more-
remur .. . Per peccatum venditi sumus. Nihil mall fac-