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Ausgabe:

1910 Nr. 1

Spalte:

14-17

Autor/Hrsg.:

Schelven, A. A. van

Titel/Untertitel:

De nederduitsche Vluchtelingenkerken der XVIe eeuw in England en Duitschland in hunne Beteekenis voor de Reformatie in de Nederlanden 1910

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 1.

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eiusdem ordinis definitore generali, redacta. Apud j
Claras Aquas 1908. Leipzig, 0. Harraffowitz. (VIII,
349 S.) Fol. M. 25 — j

Über die Entflehung diefes Bandes berichtet der
Herausgeber, P. Konrad Eubel, felbft in der Vorrede.
Seit 1898 hat er in drei ftarken Bänden die Fortfetzung 1
von Sbaraleas Bullarium Franciscaniim gegeben, worüber
in diefer Zeitung berichtet worden ift (zuletzt 1905 Nr. 13).
Der Abfatz diefer drei Bände war nicht gut. Viele Biblio- j
theken kauften fie nicht, weil fie die vier Stammbände
nicht hatten und deren Ankauf zu teuer war. Einen Neudruck
für fie zu veranftalten, war aber wegen der Korten j
unmöglich. So entfchloß er fich denn, einem Vorfchlag 1
von Hermann Haupt folgend, einen Erfatz dafür in Form
einer Epitome zu geben, d. h. alle Stücke Sbaraleas und
fpäterer Publikationen in Regeftenform zu bringen, die
wichtigften Stücke aber in einem Supplement in ihrem
wirklichen, manchmal den erften Drucken gegenüber ver-
befferten Wortlaut zu vereinigen und mit Erläuterungen
zu verfehen.

Im erften Teil, bei den Regelten, hat Eubel, wie getagt
, nicht nur die Bullen Sbaraleas, fondern auch die
aus fpäteren Publikationen aufgenommen, vor allem aus !
dem feltenen Supplementum zu Sbaralea, mit dem Flaminio
d'Annibali de Latei a von der ftrikteften Obfervanz 1780
das Recht feiner Partei gegenüber den von Sbaralea
vertretenen Konventualen hatte unterftützen wollen.

Dazu kommen Bullen aus den neueren Veröffentlichungen
zur Gefchichte der Ordensprovinzen von Tirol, Ofterreich
und der Konvente von Brixen und Würzburg und
endlich folche Bullen, die bisher in den vatikanifchen
Regeftenbänden und anderen Archiven überfehen waren.
Eubel hat alfo die große Arbeit diefer Durchficht abermals
geleiftet und fich nur der noch größeren und im Augenblick
überhaupt nicht durchführbaren Aufgabe entzogen,
alle europäischen Bibliotheken und Archive nach unbekannten
Stücken zu durchforfchen. Hier können in der
Tat wohl nur die Inftitute felbft allmählich helfen. Eher
könnten fich in anderen Urkundenfammlungen noch Nachträge
finden, die Eubel nicht herangezogen hätte.

Daß bei den meiden Bullen ein gutes Reged genügt,
wird jeder, der Bullarien kennt, beßätigen. Das Formelhafte
nimmt einen ganz außerordentlichen Raum ein, und
die einzelnen Bullen kehren unzähligemale fad unverändert
wieder, wenn etwa dem Orden ein Privileg erneuert
eine Vorfchrift neu eingefchärft, feine Mitglieder zu be-
dimmten Ämtern in und außerhalb des Ordens ernannt,
oder einzelnen Konventen beffere gewiffe Erlaubniffe erteilt
werden ufw. PHbel teilt dabei alles wefentliche mit: das
Incipit, das Originaldatum, die Nummer bei Sbaralea, den
Standort in den päpdlichen Regedenbüchern oder in
fondigen Archiven u. ä.; er gibt die Regeden felbd womöglich
in den Worten des Originals und bringt noch außerdem
diefe und jene Nachweife oder Erläuterungen. In
den meiden Fällen wird man mit diefen Regeden wirklich
auskommen. Bei wichtigen Stücken, insbefondere etwa
folchen, die die Verfaffungsgefchichte des Ordens betreffen
, wird man natürlich immer geneigt fein, fich am
Original felbd zu verfichern, ob der Auszug wirklich
alles Beachtenswerte aufgenommen hat.

In folchen Fällen tritt aber vielfach oder meid das
,Supplementum' ein, in dem Eubel die bedeutfamden
Bullen aus Sbaralea wie aus den fpäteren Publikationen
und feiner eigenen Ährenlefe aus den Archiven voll-
dändig und z. T. nach den hflichen Originalen abdruckt
und mit Erläuterungen und Nachweifen verfieht. Hier
find alfo vor allem in neuer Kollation die Bullen gedruckt,
in denen die Regeln der drei Orden bedätigt oder fpäter
die Regel des erden Ordens .erklärt' werden. Zum Schluß
folgen einige Nachträge zu den Bänden 5—7, befonders
aus der Zeit Johanns XXII., die jedoch fchon in früheren
Publikationen vorgelegen hatten.

Am Ende des ganzen Werks hat Eubel wieder Re-
gider beigegeben, von denen das erde in derfelben Weife
wie bei feinen früheren Bänden die Bullen in Gruppen
bringt, während die weiteren ein Verzeichnis der Per-
fonen und Orte, das letzte ein folches der Initien der
Bullen bringt.

Es id nun dringend zu wünfchen, daß diefer Band
nicht nur auf all den Bibliotheken angefchafft werde,
die die früheren Bände fchon haben, fondern auch der
Anlaß werde, Eubels frühere Bände 5—7 nachträglich
zu erwerben, wo es bisher nicht gefchehen war.
Tübingen. Karl Müller.

Schelven, Dr. A. A. van, De nederduitsche Vluchtelingen-
kerken der XVIe eeuw in Engeland en Duitschland in hunne
Beteekenis voor de Reformatie in de Nederlanden.
's-Gravenhage, M.Nijhoff 1909. (XXXII, 455 blz.) gr. 8°

M. 5—; geb. M. 6.25

Die Gefchichte der Niederländifchen Flüchtlingsgemeinden
hat fchon 1784 Brucherus als ein Bedürfnis
empfunden (S. I), konnte doch Rachfahl in feinem Werk
,Wi'lhelm von Oranien und der Niederländifche Aufftand'
(Halle 1906) 1, 147 mit Recht fagen: Für das Werden
des Niederländifchen Calvinismus ift faft noch lehrreicher
und wichtiger als die Gefchichte der Kirchen im Lande
felbft die der Exilskirchen. Es fehlt auch nicht an Dar-
ftellungen der Gefchichte einzelner Gemeinden. Es fei
nur an Wolters' treffliche Reformationsgefchichte der
Stadt Wefel (1868), an Ebrards Arbeit ,Die franzöfifch-
reformierte Gemeinde in Frankfurt 1554—1904' und Beffers
,Gefchichte der Frankfurter Flüchtlingsgemeinden' (beide
1906), an Heffels Ecclesiae Londino-Batavae Arehivum
I I—III (1887—1897) erinnert. Aber es fehlte an einer
i zufammenfaffenden Unterfuchung und Darftellung, die
van Schelven übernommen hat. Doch hat er die Flüchtlingsgemeinden
in Hamburg und Stade, dann die wallo-
nifchen und lutherifchen übergangen, da er nur die
niederdeutfch-reformierten behandeln wollte, was zu bedauern
ift. Man fpürt dem Werk die Sorgfalt und Gründlichkeit
an, mit welcher Sch. gearbeitet und den Quellen
nachgegangen ift und vor allem das Archiv der reformierten
Kirche zu Emden, aber auch die Archive in
Zürich und Genf benützte. Er konnte deswegen im An-
! nang S. 333—445 34 bezw. 37 Beweisftücke, Akten und
; Briefe v. 1554—1578 mitteilen. Ebenfo gründlich hat er
die gedruckte Literatur herangezogen, aus der er unter
i kritifcher Sichtung wertvolles Material auch in den Anmerkungen
darbietet. Wir begegnen fchönen Proben
1 feines kritifchen Scharffinns. So dürfte ihm der Beweis
gelungen fein (S. 289 Anm. 1), daß der Brief Calvins
(Opera Epp. Nr. 4169) an Wefel nicht mit Bonnet in das
Jahr 1560, noch mit Wolters und Baum in das Jahr
1553/1554, fondern mit Cuno in das Jahr 1545/46 zu fetzen
; ift. Auch fein Urteil ift meift billig und zutreffend. So
wird man feiner Abweifung von Gooßens Aufftellung
über ein tertiutn genus Protestantismi zuftimmen. Gooßen
unterfcheidet nämlich geiftvoll neben Luthertum und
Calvinismus den Bullingerianismus, neben der intellek-
tualiftifch-fpekulativen Theologie des Romanen Calvin
mit feiner düfteren Prädeftinationslehre die biblifch-fote-
riologifche Theologie Bullingers und Laskis, welche ur-
fprünglich die niederländifchen Kirchen beherrfchte, bis
die calvinifche Richtung, ,eine exotifche Pflanze im
holländifchen Paradies der Milde', die Oberhand gewann
(S. 321 ff.). Dem ftrengen Calvinift.en, der über die Abweifung
von Laski und den von ihm geführten Londoner
Flüchtlingen in Dänemark bei der ftrengen Winterkälte
und das Auftreten der Frankfurter Prediger gegen die
niederländifche Exulantengemeinde begreiflicherweife und
teilweife mit Recht fehr ftreng urteilt, ift aber doch die
Frage nicht gekommen, was denn flüchtige Lutheraner