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Ausgabe:

1910 Nr. 11

Spalte:

332-336

Autor/Hrsg.:

Soden, Hans Freiherr von

Titel/Untertitel:

Das lateinische Neue Testament in Afrika zur Zeit Cyprians 1910

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. II.

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chifche Wort dem Sinne oder der femantifchen Struktur
nach am genaueften zu entfprechen fchien. ,Auf diefe
Weife', meint Pr. (S. IV), ,war es möglich, ohne lange
Auseinanderfetzungen eigentümliche Nuancen des Sprachgebrauches
zu erklären'. Ich fürchte aber, mit folchen
Äquivalenten verliehe nur ein genauer Kenner des he-
bräifchen und ntlichen Sprachgebrauchs etwas anzufangen,
und an folche Benützer denkt ja Pr. erft in letzter Linie.
Hätte er fich darauf befchränkt, den Fällen, wo hebräifche
Bedeutungen auf das_ durch die LXX traditionell gewordene
griechifche Äquivalent abgefärbt haben, mehr
Aufmerkfamkeit zu fchenken, aber dann diefe Einflüffe
ausdrücklich hervorzuheben, er hätte den dazu nötigen
Raum mit Leichtigkeit gewinnen können durch die Aus-
fcheidung der Maffe der nichtsfagenden Äquivalente; es
dürfte z. B. bei jiqÖöwjiov der hebräifche Einfluß auf
die Phrafenbildung viel ftärker hervortreten.

Da alfo Pr. auf diefe Seite der ntlichen Wortforfchung
offenbar großes Gewicht legt, muß man um fo mehr
erftaunt fein, daß er die Berückfichtigung der zweiten
Seite, die doch gegenwärtig im Vordergrund des Inter-
effes fleht — grundfätzlich ausfchaltet; die bittern Worte,
die ihm die Weglaffung aller Parällelftellen aus klaffifcher
und helleniftifcher Literatur eingetragen haben, zeigen
deutlich genug die Enttäufchung der ntlichen Sprach-
forfchung. Ich kann zwar mit Pr. lebhaft mitfühlen,
wenn ihn angefichts der unzähligen Lücken in der Er-
forfchung der ntlichen Wörter ein gelindes Grauen be-
fchleicht (vgl. S. VI); es ift eben nicht dasfelbe, ob man
vereinzelte Wörter durch die griechifche Literatur hindurch
verfolgt, oder ob man diefe Forfchung für jedes
Wort durchführen follte. Was man alfo Pr. vorwerfen
kann, fcheint mir nur das zu fein, daß er das Nichts
dem ganz Unvollftändigen vorzog. Aber die Wiffenfchaft
wäre ihm doch dankbar gewefen, wenn er nicht nur auf
die einfchlägigen Arbeiten verwiefen, fondern auch mög-
lichft viele der jetzt fchon mit nicht allzu viel Mühe
erreichbaren Parällelftellen in extenfo geboten und etwa
ein paar neue hinzugefügt hätte; auch für Studenten
und Geiftliche dürfte die Bekanntfchaft mit helleniftifchen
Beziehungen heutzutage nichts Überflüffiges mehr fein,
ganz abgefehen davon, daß fie doch unbedingt zu den
Vorausfetzungen des genauen Verftändniffes des ntlichen
Urtextes gehört, dem Pr. mit feinem Lexikon in erfter
Linie dienen will. Es fei jedoch ausdrücklich bemerkt, daß
Pr., fo viel ich fehe, mit den bisherigen Refultaten der neu-
teftamentlich-helleniftifchen Wortforfchung durchaus vertraut
ift; aber er gibt nur autoritativdie dadurch gewonnenen
Überfetzungen, fo daß diefe vollftändig ifoliert daftehen.

Wer alfo, ohne eine Begründung zu verlangen, eine
im Allgemeinen zuverläffige, auf der Höhe der Forfchung
flehende Auskunft über die Bedeutung ntlicher Wörter
wünfcht oder fich über den Wortfehatz der ntlichen
Apokryphen unterrichten will, wird mit Nutzen zu dem
neuen Lexikon greifen. Für den Sprachforfcher kommt
es außer für diefen praktifchen Zweck nur infofern in
Betracht, als es ihm gelegentlich die Literatur an die
Hand gibt, die ihn im Studium eines Wortes weiter
führen kann; der Exeget wird etwa in der Dispofition
eines Artikels beachtenswerte Gefichtspunkte finden. Im
übrigen wird man eben Wilke-Grimm wegen der außer-
chriftlichen Belegftellen nicht entbehren können und
weiter warten müffen, bis Deißmann und Nägeli ihren
Vorarbeiten die geplanten Lexika folgen laffen.

Schiers (Graubünden). A. Debrunner.

Hawkins, John C, Bart, M. A., D.D., Horae synopticae.

Contributions to the Study of the synoptic Problem.
Second edition, revised and supplemented. Oxford,
Clarendon Press 1909. (XVI, 223 p.) gr. 8° s. 10.6

Nachdem ich über die vor 10 Jahren erfchienene erfte
Ausgabe fowohl in diefer Zeitfchrift (Jahrg. 1899, Sp.

625—27) als im Theologifchen Jahresbericht (Bd. XIX
S. 117 t) Bericht erftattet habe, bleibt mir bezüglich diefer
zweitenaußerder Verweifungauf das frühere, anerkennende
Urteil kaum noch etwas übrig zu fagen. Das Buch ift
,durchgefehen' mit dem Refultat, daß lediglich zwei wenig
belangreiche Zählungen genauer gegeben (S. 175. 214)
und ein Abfchnitt umgefchrieben und zugleich erweitert
worden ift (S. 107h), ohne daß der Inhalt dadurch tiefer
berührt erfchiene; es ift aber auch .ergänzt', nämlich
um 40 Seiten vermehrt worden infolge von Bezugnahme
auf weitere, neuere Literatur, darunter deutfehe
Werke wie von Wellhaufen und Harnack, englifche wie
von Burton und Burkitt, während franzöfifche wie von
Loify und Nicolardot fehlen. Die Einteilung ift diefelbe
geblieben. Die Wörter- und Phrafenverzeichniffe des
erften Teils vermitteln eine Anfchauung von der fchrift-
ftellerifchen Eigenart und relativen Selbständigkeit jedes
der drei Evangeliften. Die Liften des zweiten Teils gelten
dem Nachweife der daneben beftehenden engen Verwandt-
fchaft und zeigen, daß jeder Vernich einer ausfchließ-
lichen Erklärung aus mündlicher Überlieferung in die
Irre führt, vielmehr zwei fchriftliche Quellen anzunehmen
find, daraus u. a. auch die Erfcheinung der Dubletten
(S. 80—107) ihr naturgemäßes Verftändnis empfängt. Der
dritte Teil bekennt fich nicht mehr in derfelben zurückhaltenden
Weife, wie die frühere Ausgabe, fondern gleich
ganz nachdrücklich zur Priorität des Markus, die keineswegs
mehr als eine Hypothefe zu bezeichnen ift, fondern
das gefertigte Endresultat aller fynoptifchen Forfchung
darftellt (S. 115), und zwar fo, daß im großen und
ganzen der kanonifche Text als Grundlage für beide
Seitenreferenten genügt, während einzelne redaktionelle
Zufätze zugegeben werden (S. 152. 211). Eine zweite
Quelle — jetzt genannt Q — benutzt von Matthäus und
Lukas, aber nicht von Markus, hat jedenfalls zumeift
Redeftoffe, möglicherweife auch Erzählungen enthalten.
Alfo die Zweiquellentheorie in neuer, umfichtig angeflehter
Begründung! Noch fei aufmerkfam gemacht auf das
verfchiedene Verhalten der drei zu LXX (S. 135. 154L
198 s). Zur Charakteristik des Matth, dienen infonderheit
fein Kompilationsverfahren, feine Kunft der Anordnung
und feine Zahlenliebhaberei (S. 158f. 163 s). Ein höheres
Intereffe nehmen jetzt infolge des Anfchluffes, welchen
mittlerweile des Verf.s Stellungnahme bei Harnack (Lukas
der Arzt 1906, S. 19h 47h 56f.) gefunden hat, die Verhandlungen
über den dritten Evangeliften und deffen Verhalten
als Schriftsteller in Anfpruch, zumal in der Apoftel-
gefchichte. Hawkins zweifelt nicht an der Identität des
Verfaffers (S. 13—29. 174f.), hat daneben bei der Sorgfalt
feines Verfahrens auch ein Auge für die Differenzen
(S. 177 f. 181), aber feine Sprachliche Untersuchung der
Wirftücke (S. 182—189) führt ihr zu der, am Schluffe
(S. 219) noch einmal nachdrücklich ausgesprochenen Überzeugung
von der Selbigkeit der in der ganzen Apoftel-
gefchichte waltenden Hand. Damit Stehen wir bei dem
inhaltlich differierenden Charakter der Wirtlücke vor einem
literarifchen Rätfei, welches ich für meine Perfon nicht
mehr zu löfen vermag.

Baden. H. Holtzmann.

Soden, Hans Freiherr von, Das lateinilche Neue Teftament
in Afrika zur Zeit Cyprians. Nach Bibelhandfchriften
und Väterzeugniffen mit Unterstützung des kgl. preuf-
fifchen hiftorifchen Instituts herausgegeben. (Texte
und Unterfuchungen zur Gefchichte der altchriStlichen
Literatur. Herausgegeben von Adolf Harnack und
Carl Schmidt. Dritte Reihe — dritter Band.) Leipzig,
J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung 1909. (X, 663 S.)
gr. 8° M. 21 —

Das vorliegende Werk, das Produkt eines unermüd-
ren und zielbewußten Fleißes, zerfällt in 2 Teile: Die