Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1910 Nr. 10

Spalte:

306-308

Autor/Hrsg.:

Petschenig, M. (Ed.)

Titel/Untertitel:

Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum. Vol. LI, pars III 1910

Rezensent:

Jülicher, Adolf

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

305

Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 10.

306

daß erft diefer Befuch des afrikanifchen Chriften eine Chriften als den verachteten Zyniker bekämpft. Hier er-
grundfätzliche Auseinanderfetzung über die alte und die fchöpft E. feine Kunft in der Auslegung der rätfelhaftenTitu-
neue Religion herbeiführt, während bis dahin in Rom der latur, mit der Minuc. am Ende feiner Rede den Octavius beHeide
Caecilius und der Chrift Minucius friedlich zufammen- j denkt — notabene, ein in die ,TroftfchrifT recht übel
gelebt haben benutzt E. fein, um die Differenz der ! paffender Satz — homo Plautinae prosapiac, ut pistorum
geiftigen Atmosphäre in Rom und in Afrika zu veranfchau- j praecipuus, ita postrcmus philosophoriim. Die Unhalt-
lichen;von Verfolgungen der Chriften keine Rede, derDia- ! barkeit des überlieferten Textes hat er nochmals glänzend
log alfo möglichff fpät anzufetzen. Das Ganze ift keine j erwiefen, mit berückendem Gefchick die Plautina prosapia
Programmfchrift, es ift eine Gelegenheitsfchrift, im Brief- j gedeutet: der Mann ,vom edlen Hundeftamm', was eine
ftil gefchrieben, eine Troftfchrift, nach dem Tode zweier I unmißverftändliche Anfpielung auf den Zyniker fei, den
von den Freunden verfaßt von dem dritten, dem Über- > Letzten derPhilofophen. Aber felbft dies zugegeben wird
lebenden, und beftimmt für den Freundeskreis in Afrika, die Verbefferung von pistorum in istorum, die bei E. den
dem die Erinnerung an Octavius und Caecilius lebendig ; Ring des Beweifes fchließt, in diefem Zufammenhang uner-
erhalten werden follte. Die Form der von Caecilius und j träglich heißen müffen: unendlich überlegen ift ihr denn doch

Octavius gehaltenen Reden rührt von Minucius her, ihr
Inhalt und der Effekt, die Bekehrung des Caecil., beruhen
auf Wirklichkeit.

Eine Menge von Wahrheiten, die längft nicht all-

die Konjektur, piscatorum. Die Antithefevon isti und plulo-
sophi wo mit isti)a. auch eine Philofophengattung gemeint
ift, fcheitert fchon an ihrer rhetorifchen Zweckwidrigkeit.
Aber gern wollen wir uns in Zukunft eines Befferen

gemein anerkannt find, weiß E. in diefem Zufammenhang 1 belehren laffen. Denn Elter bringt zu der Arbeit mit,
überzeugend zu vertreten. Daß man fich die Zeiten des was außer guter Methode und umfaffendem Wiffen das
Untergangs des Heidentums viel zu fehr als eine Epoche Nötigfte ift, verftändnisvolle Liebe. ,Eine gute Sache
heftiger Zuckungen vorftellt (6), daß man eine Geftalt 1 fordert vor allem gute Exegeten': dies fein Schlußwort
wie Minucius nicht von einer Gefamtvorftellung über die wird durch feine Studie fo fchön gerechtfertigt, daß wir auch
chriftlichen Apologeten aus verftehen wird (7), daß man > nicht mehr fragen wollen, ob es denn bloß eine philo-
über denRedenim Octavius nicht ungeftraft die Einleitung 1 logifche Erklärung gibt, und ob ,philologifche Akribie'
und allgemeine Einkleidung vernachläfligt hat (10), daß und großzügige Hiltorie', die Arbeit der Philologen und
das Chriftentum unter den Gebildeten nicht notwendig ' die der Theologen, wie es mehrfach als E.s Meinung (z. B.
einen Kulturkampf heraufzuführen brauchte (16—18;) daß 57 oben) durchklingt, überhaupt gegen einander abge-
es nicht bloß martyriumsfüchtige Chriften gegeben hat (28). grenzt werden können. Die Aufgabe, die Elter fich gehellt
Über den verderblichen Aberglauben an die imitatio in hat, ift eine dem Philologen, Theologen, Hiftoriker ge-
der alten Literatur, über das Auffallende eines Religionsge- meinfame; was er zu ihrer Löfung beigetragen hat, hat
fprächs zwifchen einem Heiden und einem Chriften (31), j er gefchaffen, indem er alles dreies zugleich war.
über die Gefchichte des Dialogs finden fich beherzigens- j Marburg. Ad Jülicher

werteErörterungen. Wolltendochrecht viele neuteftament-

liche Kritiker fich das WortS. 35 gefagt fein laffen:, An Oc- _ . , . . ,. ... „ ,.

tavius erfieht man zugleich, wie von einem gewiffen Punkte CorPus scnptorum eccles.ast.corum lat.norum. Ed.tum consi-
an alle Kategorien der literarifchen Form überhaupt) lio et impensis Academiae Litterarum Caesareae Vindo-

bonensis. Vol. LIII. Sancti Aureli Augustini Scripta
contra Donatistas. Pars III: Liber de unico bap-
tismo, breviculus collationis cum Donatistis, contra
partem Donati post gesta, sermo ad Caesariensis ec-
clesiae plebem, gesta cum emerito Donatistarum epi-
scopo, contra Gaudentium Donatistarum episcopum
libri II, appendix, indices. Recensuit M. Petfchenig.
Vindobonae, F. Tempsky. — Lipsiae, G. Freytag

verfagen . . . Der literarifche Charakter einer Schrift ift
meift komplizierter, als ihn die übliche monographifche
Darftellung der einzelnen Literaturformen erfcheinen
läßt'. Nicht die Unterbringung unter einem Schema—Brief
z. B. oder Epiftel, Gefchichtsbuch oder Kampffchrift, — fondern
das Verftändnis der individuellen Befonderheit jedes
Exemplars follte das Ziel fein.

So fympathifch mir die Arbeitsweife Elters demnach
ift, trage ich doch Bedenken, mir feine Entfcheidungen
ohne weiteres anzueignen. Ich finde fie zu peremptorifch

zu fcharf formuliert. Der Octavius .nichts anderes als MDCCCX. (XIII, 447 p.) gr. 8» M. 15-

ein ehrenvoller Nachruf auf den eben verdorbenen Freund Die letzte Abteilung der antidonatiftifchen Schriften

(22), die Einleitung darin nicht für die Allgemeinheit Auguftins liegt nunmehr auch vor, 6 Werke aus den
beftimmt, ,auch der weitere Bericht über die Disputation I Jahren von 410 bis mindeftens 420; das erheblichfte
in Oftia nur eine Erinnerung an den Freund, ihre Mit- darunter die beiden Bücher contra Gaudentium. Schon

teilung als Tröftung für die Hinterbliebenen gedacht,
nichts weiter' (24)? Für Chriften ift der Oct. gefchrieben,
nicht für Heiden (32)? Und darum wird darin kein
Wort von dem inneren Glaubensgehalt des Chriftentums

das rafche Fortfehreiten der Publikation verdient Lob,
die Arbeit ift aus einem Geift, und die früher (f. Th. L.-Z.
1908, 560—2 und 1909, 487k) gerühmten Vorzüge der
Editionstechnik Petfchenigs treten im 3. Bande vielleicht

gefagt (33)? Nach S. 35 foll Minucius heidnifche Lefer , noch heller ans Licht: fehlten doch hier bisweilen wie
wieder nicht ausgefchloffen haben! Andererfeits will j beim breviculus collationis und ftreckenweife bei c. Gau-
Minucius an der Rede des Caecilius es chriftlichen Lefern | dentium alle handfchriftlichen Unterlagen. In folchem
zeigen, wie ein gebildeter Heide mit voller Überzeugung ) Fall muß von der Konjektur häufiger Gebrauch gemacht
dem Glauben feiner Väter anhängen kann, und welche werden, und P. hat da im allgemeinen eine glückliche
Vorurteile gegen das Chriftentum in diefen Kreifen ver- ) Hand. Wenn er die ficher echteZeile 220,7 ftreichen möchte,
breitet find (34)? Da fcheint mir die neue Auffaffung des fo teilt er diefen Wunfeh doch bloß im Apparat mit;
Dialogs — und in einigen Punkten auch der Lage der j auch 219,30t. — Zitat aus Act. I,6f. — klammert er die
Chriften zur Zeit des Minucius ■— doch einfeitig zuun- Worte et quando und vel momenta bloß ein, die er unter
gunften der alten ausgeprägt zu werden: mit einer privaten | Berufung auf 2 Parallelftellen für interpoliert hält; freilich
und intimen Veranlaffung läßt fich wohl eine allgemeine ; macht das von ihm in den Text geftellte praesentabis
Tendenz verbinden; bloß als Troftfchrift für einen kleinen | ftatt des überlieferten pracsentaberis die Worte et
Freundeskreis in Afrika wird wiederum nicht der ganze I quando vor regnum Israel unhaltbar. Da für Auguftin
Octavius verftändlich fein. beide Texte faft gleich gut bezeugt find, finde ich es

Von S. 36 bis 62 fucht E. den philofophifchen Stand- gewagt, hier zu ftreichen. 251,27 dünkt mich das lassamini
punkt der beiden Disputanten im Oct. zu beftimmen. a via vuquitatis ftatt lass. in iniquitatis via ,fv' unerträg-
Min. ift der Skeptiker, der in Octavius faft weniger den 1 lieh; der Lefer follte auch wie zu 251,3 auf Sap. 5,1 und