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Ausgabe:

1910 Nr. 9

Spalte:

279-280

Autor/Hrsg.:

Veeck, Otto

Titel/Untertitel:

Geschichte der Reformierten Kirche Bremens 1910

Rezensent:

Bode, Julius

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Seite 1

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279 Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 9. 280

Das Heft zerfällt in drei Abteilungen; die erfte gibt j und der Handel in Gefahr. Tatfächlich wurde ihr die
eine fyftematifche Überficht über die behandelten Kirchen- ! Zollfreiheit in Sund und Belt entzogen. Dann weckte
körper und ihre Kirchenkreife und Kirchfpiele, deren Ge- die F. C., diefe .Pandora', die nur .Schein und Deckel'
famtgebiet aus dem Titel des Heftes fich ergibt; diezweite I ift, in der die .Urheber ihre Irrtümer verteidigen wollen',
berichtet in alphabetifcher Folge kurz über die Gefchichte [ diefes .ungeheure Gedicht von der Perfon Chrifti, das
der einzelnen Gemeinden und zählt bei jeder einzelnen I die Theologen aufgebracht, womit fie alle Artikel unferes
die vorhandenen Aufzeichnungen auf; die dritte gibt über j chriftlichen Glaubens verfälfchen', langen heftigen Streit,
letztere eine generelle Überficht. Das ift allerdings eine | Sie wurde abgelehnt. Der Übergang zum Calvinismus
gründlichere Bearbeitung, als beifpielsweife die in der 1 vollzog fich dann unter heftigen Streitereien über Erb-
Zeitfchrift des hiftorifchen Vereins für Niederfachfen | fünde, Taufe, Abendmahl, Bilder. In den achtziger Jahren
1896 S. I ff. bezw. 65 ff. niedergelegten der evangeli- j des fechzehnten Jahrhunderts wurde das reformierte Be-
fchen Kirchenbücher der Provinz Hannover und der ; kenntnis angenommen und 200 Jahre feftgehalten (Pe-
katholifchen im Bistum Hildesheim und den Diözefen J zelius, v. Büren). Die einfachfte Form des Gottesdienftes
Osnabrück und Schleswig-Holftein, die im ganzen nur und das Brotbrechen wurden eingeführt, Kreuzfchlagen,
Nachrichten bringen über Alter und Beftand. Wenn in Exorzismus, Jähtaufen, Kerzen, Meßgewänder, Konfe-
jener gründlichen Weife Bearbeitungen aller Kirchen- j kration und Elevation der Elemente abgefchafft. Der im
bücher und pfarramtlichen Nachrichten angeftrebt würden, Jahre 1595 eingeführte consensus ministerii follte eine
fo könnten diefe derForfchung wahrhaft nutzbringend er- Zufammenfaffung der Lehr- und Gottesdienftordnung, ein
fchloffen werden. Programm für die Zukunft fein. Diefer wird ausgiebig

Die Einleitung bringt für die vorbereitenden Er- behandelt und im Anfchluß daran die Dordrechter Synode

hebungen bei den einzelnen Pfarrämtern ein genau aus- und ihre Folgen gefchildert, während das nächfte Kapitel

gearbeitetes Frageformular, das geeignetenfalls der Be- fich mit der Abfchaffung des Superattendenten und des

achtung empfohlen wird, außerdem eingehende Klagen i Seniorats und mit der Gefchichte des geiftlichen Minifte-

über den mangelhaften Zuftand der meiften Pfarrarchive, j riums befaßt, welches man als eine reformierte Synode der

denen man viele Lefer aus den beteiligten Kreifen und i Stadtgeiftlichkeit bezeichnen kann, an deren Spitze nach

vor allem beffernden Einfluß wünfcht. | Senatsbeftimmung das Direktoriat, unter den 4 alt-

tiouj : xi„r„ v:~rA„^„A r«k.a ' ftädtifchen Primarien halbjährlich wechfelnd, ftand. Die

Ilfeld 1. Harz. Ferdinand Lohrs. .. , „ „ . , ... , ■> „. . ... , ' , , ,

nachften Kapitel über den Pietismus (Undereyck, Joach.

Veeck, Paft. Dr. phil. Otto, Gefchichte der Reformierten Neander, Henneberger, Lampe u. a.) und den Ratio-
Kirche Bremens. Im Auftrage des Minifteriums der ] nalismus, die in dankenswerter Ausführlichkeit geboten

n tu Dfi-i u T>„ werden und im kleinen faft alle Erfcheinungen wider-

ftadtbremifchen Pfarrkirchen bearbeitet. Bremen, _ . , , . . , , , . ,. ,. ? v t ■

fpiegeln und originell beleuchten, die zu dieler Zeit im

kirchlichen Leben unferes Vaterlandes zutage traten,
find befonders intereffant. Mit dem Anfang des 19. Jahrhunderts
datiert das Aufkommen einer neuen Theologie
und Frömmigkeit, auch neue Lehrftreitigkeiten nach fich
ziehend (Paniel, Nagel, Dulon, Schwalb). Vor den jüngften
theologifchen Kämpfen (Chriftusproblem, Taufformel,
Moniftenbund, Religionsunterricht) bricht Veeck ab in
der richtigen Erkenntnis, daß erft aus größerer zeitlicher
Entfernung ruhiger über Schaden und Segen diefer Be-
ftrebungen abgewogen werden könne.

Der zweite Teil behandelt fehr ausführlich die
Ordnungen und Einrichtungen der Kirche, Verfaffungs-

G. Winter 1909. (VIII, 319 S.) gr. 8° M. 5—

Wie in der Darftellung der profanen Gefchichte, fo
ift Bremen nun auch in der der Kirchengefchichte feinen
beiden Schwefterftädten Hamburg und Lübeck vorausgeeilt
. Dr. Veeck hat unter ausgiebiger und fehr forg-
fältiger Benutzung des vorhandenen Quellenmaterials die
Gefch. der ref. Kirche Bremens gefchrieben. Der Ver-
faffer verrät überall feine hiftorifche Bildung und feinen
hiftorifchen Blick. Er hat fich beftrebt, in zehnjähriger
mühevoller Arbeit das arg zerftreute Material zu fammeln;
er verlieht es, diefes richtig einzufchätzen und zweck-
entfprechend auszunutzen, fodaß aus den handfehriftlichen

Bruchftücken und Buchdeckeln, aus Akten und Privat- | änderungen, das Verhältnis zu Lutheranern und Katho-
notizen, aus mündlichen Mitteilungen und perfönlichen I liken, Armenpflege und Wohltätigkeit, die franzöfifche
Erfahrungen ein Gefamtbild geworden ift, das auf der | Gemeinde in Bremen, das Verhältnis zu auswärtigen
einen Seite durchaus den Eindruck der Gefchloffenheit j Glaubensgenoffen, der Stadt- und Landgemeinden unter
macht, auf der andern aber auch nicht, wie es wohl j einander, der Kirche und Schule zu einander. Dort wird
fonft vorkommt, die Lückenhaftigkeit des Materials | erzählt von den Predigern und ihrem Verhalten, ihrem
durch allzu kühne Kombinationen und Phantafiefprünge Einkommen, ihrer Stellung, von Gottesdienften, Sakra-
zu überbrücken verfucht. Da nun die Bremifche Kirchen- I mentsfeiern, Bettagen, Gefangbüchern, Leben und Sitten

gefchichte in vielen Phafen wirklich typifch ift und die
wertvollften Illuftrationen bietet für das, was zu der betreffenden
Zeit an Strebungen und Gedanken unfer
Volksganzes durchwogte, fo kann man dem Buche das
Zeugnis nicht vertagen: es handelt fich hier um eine
folche Darbietung eines folchen Stoffes, daß das Werk
weit über den Rahmen unterer bremifchen, weit auch

im alten Bremen, bis zur Auflöfung der reformierten
Kirche. Da werden nicht nur Direktiven für die Zukunft
ernft abgewogen gegeben, fondern vor allem ein allgemein
intereffierendes Kulturbild, das überaus anziehend
und lehrreich ift nicht nur für den Bremer, nicht nur für
den Forfcher, fondern tatfächlich für jeden Gebildeten.
Wer Kirchen- und Kulturgefchichte einmal an einem

über den der reformierten Kirche Beachtung verdient. Über ! typifchen Beifpiel ftudieren möchte, der lefe diefes auskleine
Wiederholungen wird man gern hinwegfehen.

Das Werk zerfällt in zwei Teile, deren erfter ausgehend
von der reformatorifchen Predigt Heinrich von
Zütphens 1522 die Grundlegung und Entwicklung der
Lehre und Verfaffung behandelt. Gleich hier fallen überaus
grelle Schlaglichter auf die Abendmahlsftreitigkeiten.
Hardenberg, mit Melanchthon befreundet, von Luther
hochfehätzt, wollte nur eine fakramentliche, nicht materielle
Nießung des Leibes und Blutes Chrifti zugeben
und weigerte die Unterfchrift der C. A. und der A. C,
fodaß fich der König von Dänemark zu der Äußerung
berechtigt glaubte, würde der Ketzer noch länger in
der Stadt geduldet, fo fei Gottes Zorn ficher zu erwarten

gezeichnete, inhaltsreiche Buch, für das wir dankbar, und
auf das wir ftolz fein dürfen.

Bremen. Julius Bode.

Merkle, Sebaftian, Die katholifche Beurteilung des Aufklärungszeitalters
. Vortrag, auf dem Internationalen Kongreß
für hiftorifche Wiffenfchaften zu Berlin am 12. Auguft
1908 gehalten. Berlin, K. Curtius 1909. (XIV, 112 S.)
gr. 8° M. 2 —

Der durch feine gerechte Kritik des Deniflefchen
Lutherwerkes (Deutfche Literaturzeitung 1904 Sp. 1226—
1240) und fein tapferes Eintreten gegen die maßlofen