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Ausgabe: | 1910 Nr. 8 |
Spalte: | 245-247 |
Autor/Hrsg.: | Konschel, P. |
Titel/Untertitel: | Der Königsberger Religionsprozeß gegen Ebel und Diestel 1910 |
Rezensent: | Tschackert, Paul |
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245 Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 8. 246
1585 u.a.m. Schon diefe wenigen Titel geben Zeugnis diefe beiden Königsberger GeifUichen, fondern auch Mit-
von der Vielfeitigkeit des Mitgeteilten. glieder der erften ariflokratifchen Familien Oftpreußens
Der Fortfehritt gegenüber dem früheren Zuftand ift darein verwickelt, und ein ungeheurer böfer Klatfch hat
aber weder durch die bisherigen Angaben, noch auch fich darangehängt. Die objektive Wahrheit aber konnte
damit hinreichend charakterifiert, daß nur vier der Stücke niemand genau erfahren, weil die gerichtlichen Akten
unferes Bandes bei Richter fich finden (vgl. S. VI der des Prozeffes in Königsberg auf dem K. Staatsarchiv —
Vorrede), nämlich außer dem Reformationsedikt Fried- verfiegelt waren. Der Grund zur Sekretierung war die
richs von Liegnitz von 1527, der Kirchenordnung für Rückficht auf die beteiligten Familien der hohen Ari-
Liegnitz-Brieg von 1542 und der Brandenburgifchen ftokratie, die man fchonen wollte. Die Hiftoriker waren
Vifitations- und Konfiftorialordnung von 1573, namentlich ; alfo auf private Quellen und auf die Akten des Königs-
auch die große Kurbrandenburgifche Kirchenordnung berger Konfiftoriums, das den Prozeß aber nur eingeleitet
von 1540, bei der, foweit ich fehe, der Fundort bei hatte, angewiefen. In diefer Lage befand auch ich
Richter, Kirchenord'nungen I S. 323 ff. nicht angegeben mich noch, als ich meinen Artikel über Joh. Heinrich
ift. Erft dann erkennen wir den hohen Wert unferer Schönherr (und feine Anhänger) in der RE3 17, 676fr.
Sammlung ganz, wenn wir feftftellen, daß Verhältnis- (Leipzig 1906) fchrieb. In neuefter Zeit find nun endlich
mäßig nur wenige der übrigen 70 Stücke aus relativ die Gerichtsakten zur Benutzung frei gegeben, und der
leicht zugänglichen Sammelwerken, II aus Riedel, Codex erfte, dem es geftattet war, fie durchzuarbeiten, ift der
diplomaücus Brandenburgensis, 2 aus Müller-Parifius, Verfaffer der vorliegenden Schrift. Seine Arbeit wird
Abfchiede der . erften General-Vifitation, Magde- alfo für die Kirchengefchichte Oftpreuß ens ein Denkftein
bürg 1889 ff., 2 aus Mylius, Corp. Constitutionum Marchi- werden, und das um fo mehr, weil der Verfaffer fich
carum und 1 aus Mofer, Corp. iuris evangel. II abgedruckt bemüht hat, die Akten felbft fprechen zu laffen und
find, daß die übrigen aber aus alten, fchwer zugäng- allen Zeugen das Maß gefchichtlicher Gerechtigkeit an-
lichen, entlegenen und nur den Fachleuten bekannten gedeihen zu laffen, das ihnen gebührt. Er hat fich ein
Druckwerken flammen, z. B. 10 aus feiten gewordenen ; bleibendes Verdienft erworben: nachdem man über den
Büchern des 18. Jahrhunderts, 14 aus Lokalgefchichten, vielbefprochenen Prozeß faft fiebzig Jahre im Dunklen
13 aus Jahresberichten lokal- oder territorialgefchicht- getaftet, hat er darüber Licht verbreitet, daß unfer Urteil
licher Vereine, Programmen u. dgl., 11 aus Fachliteratur darüber nicht mehr fchwanken kann. — Da ich an der
für Armenwefen, Medizin, Bau-, Ackerbauwefen u. f. w. Schriftftellerei über diefes heikle Thema durch meinen
Mit beneidenswertem Finderglück und regftem Sammel- erwähnten Artikel perfönlich beteiligt bin, fo habe ich
eifer hat Sehling alle diefe weit zerftreute Literatur zu- Konfchels Buch mit größtem Intereffe gelefen; zu meiner
fammengebracht und fo für fein Buch eine bewunde- Freude konnte ich aber konftatieren, daß ich in der
rungswürdige Vollftändigkeit erreicht. Hauptfache, ohne die Akten zu kennen, das Richtige
Bei Nr. 37 und 65 der chronologifchen Überficht getroffen habe. Der Verfaffer erkennt das auch felbft
hätte irgendwie angemerkt werden können, daß die S. 108 an.
Stücke nicht abgedruckt, fondern nur in Regeftenform Die Freigebung der Akten bringt nämlich das übergebracht
werden. Bei der Brandenburgifchen Kirchen- rafchende Refultat, daß nichts Ungeheuerliches darin fleht.
Ordnung von 1572 fehlt auf S. 94 die Numerierung: 5. Die Geheimhaltung war von feiten der Staatsregierung
Das Stück: ,Ablchied und Ordnung im Jungfrauenklofter gut gemeint, hat aber gerade den böfen Klatfch geftemert
St. Annen, der Religion halber gemacht, 1541' (S. 272) Das Schlimmfte, was man den .Muckern' nachgefagtlhat
wäre aber vielleicht den aus Handfchriften erftmalig ab- gefchlechtliche Reinigungsübungen unter Unverheirateten'
gedruckten Urkunden noch beizuzählen gwefen; wenig- find nicht vorgekommen, und Unzucht oder Ehebruch ift
ftens ift ein bisheriger Abdruck aus den Angaben auf in ihrem Kreife niemand zur Laft zu legen. Ebel der
S. 265 nicht zu erfehen. gefalbte Prediger, um deffen Kanzel fich zahlreiche' reli-
Daß der Herr Verfaffer auf meine Bitte eingegangen giöfe Naturen fammelten, hat fich in Predigt und Kon-
ift und außer dem forgfältigen Regifter diefesmal auf; firmandenunterricht nichts zu fchulden kommen laffen-
S. IX—XIV noch eine genaue Inhaltsüberficht beifügt, wohl aber hat er es als Seelforger in dem privaten
werden ihm hoffentlich mit mir alle Benutzer des Buches Kreife, der fich um ihn fammelte, an Takt und Befonnen-
Dank wiffen. Es wäre fehr zu begrüßen, könnten diefe heit fehlen laffen. Als gefühlsfeliger Romantiker ift er
Inhaltsüberfichten für Band I und II noch nachgeliefert den für ihn fchwärmenden Frauen näher getreten als
werden. Ebenfo wäre es eine Erleichterung für das fchicklich war; doch find felbft in diefem Punkte grobe
Nachfchlagen, wenn in dem trefflichen chronologifchen Ausfchreitungen nicht nachgewiefen. Daß man fich in
Regifter, das gewiß auch den künftigen Bänden wird diefem Kreife geküßt hat, war kein /Ritus', erklärt fich
beigegeben werden, und das man häufig beim Auffuchen aber wenn es vorgekommen ift, noch weit harmlofer als
benutzen wird, die Nummern der Abdrücke in Klammern die Kuffe in Goethes Kreife zu Weimar. Denn öftlich
hinzugefügt würden. Dadurch würde man in den Stand i von der Weichfei wirkt die flavifche Sitte; dazu aber
gefetzt, zu den einzelnen Stücken ohne Umweg auch gehört ganz befonders der Kuß. Dort find die Menfchen
immer gleich die einleitenden Bemerkungen zu finden. warmherziger als im .Reiche'. Ich habe in Königsberg
Wir freuen uns mit dem Herrn Verfaffer, daß fein gefehen, wie auf der Straße befreundete Dienftmädchen,
fchönes Werk nun ficheren Fortgang findet, und wün- die fich zufällig trafen, fich um den Hals fielen und fich
fchen glückliche Beendigung! — küßten als ob fie fich nach einer langen Reife wieder-
Kon..».,, P, »er ^^Ä^Ä^LgÄ^ Ve'r"
undDieftel. (Muckerprozeß.) ErfteDarftellung auf Grund
des vollftändigen Aktenmaterials. (Schriften derSyno
dalkommiffion für oftpreußifche Kirchengefchichte.
irrung Ebels als Seelforger in der Anwendung der Schön-
herrfchen Naturphilofophie in diefen Kreife. Schönherr
hatte einen uranfänglichen Gegenfatz von Licht und
Finfternis angenommen; dem entfprechend dachte auch
7- Heft. Königsberg i. Pr„ F. Beyer .909. 112 S.) ^T{^ltAa^°^enKd^ entfprechend dachte auch
pr 30 M. 1.70 , Llcnt" u"d F'nfternisnaturen und machte die Licht-
gr- 8 / nav"ren zu geifthchen Führern der Finfternisnaturen- die
Der Königsberger Religionsprozeß gegen die beiden finfteren werden den lichten total untergeordnet-' die
Prediger Ebel und Dieftel 1835 bis 1842 ift bis jetzt in lichten haben feelifche Vollmacht über die finfteren- die
Altpreußen eine cause celebre; denn es waren nicht bloß finfteren müffen ihnen beichten, mündlich und fchriftlich