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Ausgabe: | 1910 Nr. 8 |
Spalte: | 236-238 |
Autor/Hrsg.: | Schäfer, J. |
Titel/Untertitel: | Basilius des Großen Beziehungen zum Abendlande 1910 |
Rezensent: | Dräseke, Johannes |
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235 Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 8. 236
vorgeht, daß Annas von 6—15 nach Chr., Kaiphas gar Schäfer, J., Balilius des Großen Beziehungen zum Abend-
von 18—36 im Amte war. Befonders originell erfcheint |antje Ein Beitrag zur Gefchichte des 4. Jahrhunderts
er mir, abgefehen von den Wendungen feiner Polemik n Chr Münftef ■ w Afchendorff IQ09- (VIII 2o8
in zweierlei Hinficht. Er vertritt die Auffaffung, daß c.
das Paffahmahl am Abend des 13. Nifan bürgerlicher Rech- &r' 8 M- 5
nung', mit dem der 14. Nifan kirchlicher Rechnung'begann, Die vom Verfaffer fchon in der Faffung des Titels
gehalten worden fei, fo daß Jefus im letzten Jahr feines i zum Ausdruck gebrachte Befchränkung feiner Aufgabe
Lebensein regelrechtes Paffahmahl einnehmen und doch j verleiht feinem Werke innerhalb der zahlreichen, auf die
am 14. Nifan derben konnte (13 f. 21,23, 50f.). Das ift falfch. ! Gefchichte der ftaatlichen und kirchengefchichtlichen
Der Befehl Ex 12,6, das Lamm ,zwifchen beiden Abenden' zu Entwickelung des 4. Jahrhunderts bezüglichen Veröffent-
fchlachten, wurde in der fpäteren Praxis dahin ausgelegt, Heilungen der letzten Jahrzehnte eine befondere Bedeu-
daß es zwifchen 3 Uhr nachmittags und Sonnenunter- tung. Über den Verdienften des Bafilius um die auch
gang zu gefchehen habe, eine Zeitfpanne, die dem ,kirch- für das Abendland maßgebend gewordene Ausgeftaltung
liehen' und bürgerlichen' 14. Nifan — um den Gebrauch j der chriftlichen Glaubenslehren, um die Vertiefung und
diefer Terminologie mitzumachen — gemeinfam ift. Hat j Verinnerlichung des (trengfrommen Urbildes, dem die
Jefus alfo das Paffahmahl korrekt gehalten, fo kann er hervorragendften Chriften der damaligen Zeit nachtrach-
nur am 15. Nifan gekreuzigt worden fein. teten, um die Vergeiftigung der chriftlichen Lebensauf-
Direkt grotesk wirkt der Verfuch, dem 25. Dezember
als Datum der Geburt Jefu fchon im erften Jahrhundert
zu begegnen. Ich übergehe die Deklamationen darüber,
faffung überhaupt, Dinge, die, in eigenartigen Zufammen-
hang geftellt, oftmals gefondert zur Darftellung gebracht
worden find, follen doch — darauf ift des Verfaffers Plaupt-
welche Unterlaffungsfünde man der Kirche Chrifti auf- 1 augenmerk gerichtet gewefen — die für die religiöfe Entbürdet
, wenn man beftreitet, daß fie von Anfang an den Wickelung fo wichtigen kirchenpolitifchen Beziehungen
Geburtstag Jefu richtig gefeiert habe. Mehr intereffiert nicht vergeffen werden, die Bafilius mit wechfelndem Erfolge
der Beweisgang, durch den M. diefe Ergüffe unternützt. , zum Abendlande zu knüpfen verfuchte. Sie einmal gefon-
Bereits im Ausgang des erften Jahrhunderts haben fogar j dert zur Darftellung zu bringen, nachdem fie auf Grund
Ketzer (Bafilidianer u. a.) das Weinnachtsfeft gefeiert, I eingehender Prüfung der Quellen in ihren Vorausfetzungen
und zwar am 6. Januar des orientalifchen Kalenders. Sie ' erkannt und Bafilius' Beweggründe ermittelt find, muß
haben diefes Datum ohne Frage von den Rechtgläubigen von vornherein als verdienftlich bezeichnet werden,
übernommen, die daher fchon vor ihnen den Tag ge- ! Je weniger es fich leugnen läßt, daß, wie es fcheint, in
feiert haben müffen. Der 6. Januar ift aber nichts anderes den einzelnen Verhandlungen des Bafilius mit den
als der 25. Dezember des julianifchen Kalenders, der Abendländern kein rechter Fortfehritt zu erkennen ift,
dann fpäter an feine Stelle getreten ift (157, 159, 166f. defto mehr muß d'e Unterfuchung, wie Schäfer nach-
169). Hier find unbewiefene Behauptungen mit grobem ; ßrücklich hervorhebt, auf den inneren Zufammenhang, geIrrtum
zu einem wenig lieblichen Bukett vereint. Was wiffermaßen den geiftigen Faden innerhalb der Gedanken
heißt der alte jüdifche oder ägyptifche' (159) oder d« Bafilius gelenkt werden. Das ift aber nur dann mit
,morgenländifche'(i7o) Kalender? Woraus folgt, daß er im Ausficht auf Erfolg ins Werk.zu fetzen, wenn man die
Orient teilweife noch im 4. (186), ja im 5. (158f.) Jahr- einzelnen Zeitabfchnitte innerhalb der Verhandlungen
hundert im Gebrauch war? Kennt er überhaupt einen m't einander vergleicht, auch die verhältnismäßig oft
6. Januar, und konnte der mit dem 25. Dezember des
julianifchen Kalenders übereinftimmen? Was M. in diefem
Sinne vorträgt, erweckt den Eindruck, gänzlich undurchdachtes
und verworrenes Gerede zu fein. Aber gefetzt
den Fall, es ftecke mehr Überlegung darin, als ich zu
behandelten Fragen auf Grund umfaffender Quellen-
unterfuchung, vor allem auch die für eine Reihe wichtiger
kirchengefchichtlicher Ereigniffe bedeutungsvollen
Jahre 360—380, in denen fich fchon die Urfachen der
kirchlichen Trennung des Morgen- und Abendlandes
entdecken vermag: wo bleibt der Beleg dafür, daß alle entwickeln, einer erneuten Prüfung unterzieht.
Ketzer, oder fonft wer in den erften drei Jahrhunderten, , Die quellenmäßige Grundlage (§ 1 Die Quellen,
den 6. Januar morgenländifchen Stils als Geburtstag Jefu S. 2—11) tür diefe Unterfuchung bildet auch für Schäfer
begangen haben? M. denkt offenbar an das, was er Seite j die dreibändige Benediktinerausgabe des Bafilius. Es
154 (hoffentlich richtig) aus H. Kellners Heortologie ab- gibt eben noch keine andere und beffere. Und hier find
gedruckt hat. Danach foll Clemens Alexandrinus auf ■ es befonders die über alle Verhaltniffe, Stimmungen, ErLeute
zurückblicken, denen der 6. lanuar als Geburtstag fahrungen und handelnde Perfonen im Leben des Ba-
Jefu galt. Aber einmal ift bei Clemens (Strom. I 21,146) nlius Auskunft und Auffchluß gebenden Briefe, auf deren
nicht die Rede vom 6. Januar des jüdifchen' Kalenders, richtige Anordnung, Befragung und Auslegung alles an-
fondern vom II. Tybi, d. h. dem 6. Januar julianifcher i kommt. Der Verfaffer hat außerdem die für diefe Fragen
Rechnung. Und zudem ift Jefus nach jener clementini- ' befonders wichtigen, bekannten Unterfuchungen von
fchen Stelle am 6. Januar nicht geboren, fondern getauft, j Loofs, Lietzmann und Holl zu Rate gezogen und ift in-
Daß aber Jefus an feinem Geburtstag getauft fei, davon
will M. wegen des ,ungefähr' (Luc. 3,23) abfolut nichts
wiffen (187). Erwähnt man ferner, daß Ephraem (b. Momm.
S. 149h) und Epiphanius (Haer. LI 22), welche die Geburt
folge deffen gut beraten. Daß da aber trotzdem auch
heute noch manches fchwankend und, je nach dem
Standpunkte des Beurteilenden, zweifelhaft ift, das zeigen
die hierauf bezüglichen Ausführungen Schäfers (S. 4—
Jefu wirklich auf den 6. Januar legen, diefes Datum da- 7). denen man ™cht immer zuftimmen kann. Insbefon-
durch gegen jedes erlaubte Mißverftändnis fchützen, daß dere gdt mir dies von feinem Urteil über den Brief-
fie es dem 13. Tag nach der Winterfonnenwende gleich- 1 wechfel des Bafilius mit Apollinarius, wahrend er in dem
fetzen, alfo ganz ausdrücklich von dem 25. Dezember j Urteile über den Briefwechfel zwifchen Bafilius und Li-
julianifcher Ordnung unterfcheiden, fo dürfte den Phan- j banius Seeck beipflichtet, der ihn als echt in Anfpruch
tafien über den ,morgenländifchen' Kalender genügend | nimmt. _ In bezug auf beide kann ich an diefer Stelle
Ehre angetan fein. au* dasJenige verweifen, was ich 1907 hier (Theol. Litztg.
Nr. 9, Sp. 272) bei Gelegenheit der Anzeige von Seecks
Marburg/Heften. Walter Bauer.
Schrift über ,Die Briefe des Libanius' (Texte und Unt.
NF XV, 1/2) zum Ausdruck gebracht habe. Auf den
Briefwechfel zwifchen Bafilius und Kaifer Julian (Epist.
39—41), der ,allgemein für unecht gehalten' wird, gehe
ich nicht näher ein; feit den Benediktinern ift oft genug
darüber geredet worden. Betreffs der übrigen Schriften