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Ausgabe:

1910

Spalte:

218-219

Autor/Hrsg.:

Stutz, Ulrich

Titel/Untertitel:

Der neuste Stand des deutschen Bischofswahlrechtes 1910

Rezensent:

Hoffmann, H.

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21/

Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 7.

218

ders beachtenswert ift das Kapitel über ,die Chiffrefchrift
der Natur'. ,Geiftige Geltalten in der Hülle der Sinnlichkeit
zu fehen', der Hang die ,Sinnenwelt' als .Schrift des
Gedankens' zu deuten, ift Humboldt feit feiner Kindheit
geläufig. In folchen Ideen lebte ja der Kreis der Jakobi,

tifchen Darltellung. Diefe Lücke wird durch die vorliegende
Schrift ausgefüllt. In fyftematifcher Anordnung
werden die öffentlichen und bürgerlichen Rechtsverhältnilfe
der geiftlichen Orden und ordensähnlichen Kongregationen
der katholifchen Kirche an der Hand der gegenwärtig

Lavater und Hamann, dem er in feiner Jugend nahe ftand. 1 innerhalb des preußifchen Staates geltenden Rechtsnormen
Sie bildeten den Hintergrund für die damals mächtig an- 1 gefchildert. Man darf die Arbeit Giefes als eine fehr
wachfenden Ideen über Phyfiognomik und Mimik, ja fie j dankenswerte und verdienftliche bezeichnen. Was fich
verbinden fich auch mit der religiöfen Naturauffaffung I als Gefamtergebnis betrachten läßt, ift dies: daß für die
und begründen fo eine Art von moderner Logoslehre Regelung der ganzen Verhältniffe prinzipielle Gefichts-
(S. 154). punkte nicht oder kaum maßgebend gewefen find. Po-

DerdritteAbfchnittbcfchäftigt fich mit der Pfychologie. , litifche und konfeffionelle Gründe ftehen der vom Verf.
Für die enge Verbindung, in welcher im Aufklarungszeit- 1 gewünfchten durchgreifenden Verbefferung oder Neuord-

alter diefe mit der Äflhetik fleht, ift bezeichnend das Kapitel
über ,die Charakterologie'. Die abfirakte Pfychologie zer-
ftört die Lebendigkeit des Charakters als eines Ganzen, in
dem ein Moment durch das andere bedingt ift. Die wahre
wiffenfchaftliche Methode muß daher den Charakter in
feiner Totalität auffaffen, d. h. ,fie wird notwendig nicht

nung wohl dauernd im Wege.

Pofen. H. v. Hoffmann.

Stutz, Prof. Dr. Ulrich, Der neufte Stand des deutlchen
Bilchofswahlrechtes. Mit Exkurfen in das Recht des 18.
und 19. Jahrhunderts. (Kirchenrechtliche Abhandlun-
™' ™^ hZh^ ! 8«- Herausgegeben von U. Stutz. 58. Heft.) Statt-

vierte Kapitel diefes Abfchnitts behandelt Humboldts J 1, LT. * f ~" '* " c ' on .»

Stellung zur Religion, die Beurteilung derfelben in dem I Sart' F- Enke r9°9- (XIV, 258 S.) gr. 8« M, 9 _
Auffatz,ÜberReligion',wonachdieReligionkeinenunmittel- 1 Ein Erlaß des Kardinalffaatsfekretärs vom 26. Juli 1900
bar moralifcheh Einfluß hat und noch weniger eine im- hat die fich auf die deutfchen Bifchofswahlen beziehenden
mittelbar politifche Bedeutung, und die mit der zunehmend J Bullen und Breven interpretiert und ergänzt. Verf. legt
metaphyfifchen Richtung der römifchen Jahre fich ftei- , Inhalt und Bedeutung diefes neuen Erlaffes dar. Er flellt
gernde Wertfehätzung der Religion, die aber in erfler J zutreffend feft, daß der Erlaß nur Kirchenrecht fchafft,

fodaß der Staat durch ihn nicht gebunden ift. Für den
Staat befitzt er aber doch Bedeutung. Verf. fagt: ,Für
den Staat verbindliches Bifchofswahlrecht vermag der
Erlaß nur zu fchaffen, wenn und infofern die Regierungen
ihn fich gefallen laffen'. Verf. nimmt alfo an, daß hier
auf dem Wege der Übung den Staat bindendes Recht
entftehen könne. Ift diefes richtig, fo wird der Staat
jedenfalls genau zufehen müffen, ob er fich den Erlaß

Linie der griechifchen Religion gilt, an welcher das
Symbolifche, d. h. die Darfteilung der überfinnlichen
Idee im Sinnlichen und Anfchaulichen ihn anzieht
(S. 295 ff.). Der vierte Abfchnitt behandelt die Äflhetik,
wobei die Beziehungen zu Kant und zu Schiller erörtert
werden, und der fünfte die Ethik, welche Kant und die
Griechen ,in humaniftifchem Geifte verbindet'. Den
Hauptinhalt diefes Abfchnittes bildet aber die Schil

derung der Entfaltung der Humanitätsidee bei Hum- gefallen laffen kann, oder ob er gegen jeden Verfuch,
boldt von der erften zur zweiten Periode, in welch' i ihn der Regierung gegenüber durchzuführen, proteftieren

letzterer der Trieb zur Humanität verltanden wird ,als
ein ins Unendliche fortgefetzter Verfuch, in der Individualität
das Ideal zu erreichen' (S. 443). Der Schluß
des Werkes prüft die Tragweite der Humanitätsidee für
das Bildungsideal der Gegenwart im Sinne einer Ge-
fchichtsphilofophie, welche den Gipfel des deutfchen
Geifles in den klaflifchen Idtalismus der deutfchen
Literatur verlegt.

Von dem reichen Inhalt des Werkes, das unzweifelhaft
den hervorragendften Erfcheinungen der neueften
philofophifchen Literatur beizuzählen ift, vermag ein kurzer
Bericht diefer Art jedoch nur Andeutungen zu geben.

muß. Verf. kommt zu dem Ergebnis, daß der Staat mit
dem Erlaffe zufrieden fein kann, und man wird ihm da
im allgemeinen zuftimmen können. Vorficht ift aber
doch geboten, befonders was den Paffus über die Minder-
genehmheit der Kandidaten angeht. Es ift hier beftimmt,
daß die Kapitel nur folche Per fönen auf die Lifte fetzen
dürfen, bezuglich deren feftfteht, daß fie (ich durch ein
eifriges Beftreben, die öffentliche Ruhe zu wahren und
dem Lande.sherrn oder Staat die Treue zu halten, auszeichnen
und deshalb dem Landesherrn nicht minder
genehm find. Das bisher geltende Recht legt das Urteil
über die Genehmheit vollkommen in das freie Ermeffen

Man mag gegen einzelnes kritifche Bedenken haben | des Staates. Die Formulierung des Erlaffes kann man
(z. B. gegen die allzugroße Annäherung der Humboldt- fo deuten, daß hier das bisher geltende Recht anerkannt
fchen an die Kantifche Ethik, durch welche der prin- j wird. Und diefe Auslegung ift die des Verf. Von anderer
zipielle Gegenfatz einer Ethik des kategorifchen Impe- Seite dagegen ift fchon die Deutung laut geworden, daß
rativs und einer Ethik des äfthetifchen Humanismus die Mindergenehmheit nach einem feften Maßftabe be-
teilweife verwifcht wird), man wird aber angefichts des urteilt werden müffe, nämlich danach, ob der Kandidat
ganzen Werkes der verdienftvollen Aufdeckung einer (ich in dem oben genannten Sinne auszeichne oder nicht;
Fülle von gefchichtlichen Beziehungen, dem Scharffinn damit wäre dann eine Einfchränkung der Ablehnungs-
der begrifflichen Auseinanderfetzung, der gefchmack- 1 gründe gegeben. Ift diefe zweite Auslegung richtig, dann
vollen und anregenden Darftellung feine volle Aner- , würde jedenfalls das Recht der Regierung befchränkt
kennunn nicht vertagen können. ; ™erden' falls der Erlaß von 1900 auch für fie bindendes

Dresden Th. Elfen hans. ?Ude- Es foll hier nicht behauptet vverden, daß

ijresoen-_.__—--- I diefe Auslegung die richtige ift, daß fie insbefondere in

Giefe, Dr. Friedrich, Das katholifche Ordenswefen nach dem der Abficht der Kurie lag, als fie, wie Verf. wohl zutreffend
Geltenden Dreußifchen Staatskirchenrecht. (Sonderab- meint, unter dem Drucke der kirchenpolitifchen Lage in
druck aus den Annalen des Deutfchen Reichs' 1908. : Frankreich den Erlaß herausgab. Aber es ift doch zu
druck aus den ,/nnaien u bedenken, daß die Interpretation wandelbar ift, daß in

Nr. 3, 4, S.) München, J. Schweitzer 1908. (101 S) j anderen Situationen eine andere Auslegung Platz greifen
gr. 8° Nlcht im Handel. kann_ Es würde daher Aufgabe des Staates fein, daß er

Das Verhältnis des Staates zum Ordenswefen fpielt , rechtzeitig verhindert, daß jener Paffus des Erlaffes von
dauernd in Treffe und Parlament eine erhebliche Rolle. , 1900 für ihn jemals Recht wird. — Verf. hat feine Aus-
Wer fich aber über die rechtlichen Seiten diefes Ver- ; fuhrungen durch eine große Anzahl von Quellen und
hältniffes informieren will/wird bisher oft vergeblich nach j Exkurfen in grundl.chfter Weife belegt. Man hat alle
Aufklärung gefucht haben, es fehlte an einer fyftema- t Urfache, ihm für diefe gelehrte Arbeit über das moderne