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Ausgabe:

1910 Nr. 7

Spalte:

198-199

Autor/Hrsg.:

Windisch, Hans

Titel/Untertitel:

Der messianische Krieg und das Urchristentum 1910

Rezensent:

Bauer, Walter

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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 7.

19S

griechifch als jüdifch'? (S. 11). Es ift: ganz richtig, daß | nach Israel, ,zu dem Volk, das wir mit Recht als den
ihm der Gegenfatz, der zwifchen dem griechifchen und | klaffifchen VertreterderHeilandsideezubetrachten pflegen',
jüdifchen Denken befteht, gar nicht zum Bewußtfein | und durchmißt mit rafchen Schritten die Zeit von Arnos
kommt. Aber weshalbP Das Wahlverwandte der helle- j bis zu den Pfeudepigraphen, indem er uns einen Blick
niftifchen Anfchauungen nimmt er in Anfpruch, um es 1 auf die mannigfaltigen Formen werfen läßt, welche der
feiner Frömmigkeit dienftbar zu machen, die im Nomis- ' Heilandsgedanke hier zeigt. Naturgemäß fchließt fich
mus, in der Freude am Kultus, in der Verherrlichung : die Gefchichte der Idee im Urchriftentum an. Griechi-
feines Volkstums wurzelt. Dabei verfährt er, wie in der i fche Juden — ihr größter ift Paulus — machen aus dem
Einleitung zum Leben des Mofes S. 219 mit Recht her- Meffias Israels, für den die Jünger Jefus gehalten haben,
vorgehoben wird, nicht ,halbfchlächtig'. Jede unaufrichtige ! den Heiland der Welt. Und Paulus ift es, der einer
Tendenz, jedes Verfteckfpielen und Diplomatifieren ift Vorftellung Bahn bricht, die von dem Weltheiland ftatt
ihm fremd. Sodann, bei der Wertung der Schriften Philos Befreiung von irdifcher Knechtfchaft Erlöfung von der
ift es doch wohl nicht ausreichend, zu fagen, in der j Sünde und dem Tode erwartet. Daneben ift freilich
Schriftengruppe, welche eine fyftematifche Darftellung i auch in der Chriftenheit noch lange der Gedanke ge-
der Genelis gibt, fei die Bibel nach dem Wortfinn mit 1 pflegt worden, daß der Chriftus weltliche Hoffnungen
ethifcher Tendenz erläutert worden, die Allegorie aber nur J verwirklichen werde.

hier und da hinzugefügt (S. 3). In der Schrift über Abra- Diefer in fluffigem Stil elegant hingeworfenen Skizze

harn folgt die Allegorie meift in bewußter Abwechfelung j folgen nicht weniger als 25 Seiten mit Anmerkungen —
der ethifchen Deutung, auch betont Philo öfter (z.B. De Jos. 1 für den Forfcher vielleicht der intereffantefte Teil der
§ 125), daß er beide Erklärungen zu geben beabfichtige. i Arbeit. Befonders eingehend behandelt Lietzmann die
In der Angabe der von Philo benutzten altteftamentlichen j vierte Ekloge, das babylonifche Gottkönigtum, ägypti-
Schriften ift noch Esra und Jona hinzuzufügen. fches Lob des Königs und den altchriftlichen Sprach

Leipzig. G. Heinrici.

Lietzmann, Hans, Der Weltheiland. Eine Jenaer Rofen

, r A , T1 A ii/r__,.„0 .. inucinc RH 11111 uiv. jui-uii.iAUMg genauen, uaid iciiuinai:

vorlefung mit Anmerkungen. Bonn, A. Marcus u. j ^ ^ Jefus yon der Münfal der zehn

gebrauch des Wortes Soter. Zu der auf S. 44 aufgeworfenen
Frage, ,ob etwa Zehnmonatskinder als Götterkinder
oder fonft zu großen Dingen auserwählt galten',
möchte ich mir die Bemerkung geftatten, daß Tertullian

E. Weber's Verl. 1909. (59 S.) 8° M. 1 — redet ,Mv^ Marc_ lv 2I ed% Kroymann S. 491), jedoch

Es ift höchft dankenswert, daß Lietzmann feine Jenaer | in einem Ton, als fei das bei den Menfchen das Üb-
Rofenvorlefung über den Weltheiland durch den Druck j liehe (vgl. De anima 37). Sollte der Zahl 10 vielleicht
einem größeren Publikum zugänglich gemacht hat. Das eine Rechnung nach Mondmonaten zugrunde liegen?
Thema ift ebenfofehr allgemeiner Teilnahme ficher, als ; Marburg (Heffen). Walter Bauer,

mir feine Durchführung muftergiltig zu fein fcheint.

Nachdem Lietzmann zunächft auf das vielfach Hypo- Windifch, Priv.-Doz. Lic. theol. Dr. phil. Hans, Der
thetifche feiner Darlegungen hingewiefen und die Auf- memanilche Krieg und das Urchriftentum. Tübingen,
gäbe genauer begrenzt hat, nimmt er feinen Ausgangs- x „ „ . ,,,TT c. on ,,

punkt bei der vierten Ekloge Vergils mit ihrer Ver- j J- C- Mohr l9°9- (VII, 95 S.) gr. 8» M. 2-

heißung von der unmittelbar, d. h. für das Jahr 40 v. Chr. Der Arbeit Windifchs liegt ein im akademifch-theo-

bevorftehenden Geburt eines Kindes, das herangewachfen logifchen Verein zu Leipzig gehaltener Vortrag zugrunde.
König des goldenen Zeitalters werden foll. Die Erwartung ; Den letzten Anftoß zur Wahl des Themas hatte das Er-
einer der nächflen Zukunft angehörigen Ablöfung des I fcheinen von Kautskys Buch ,Der Urfprung des Chriften-
gegenwärtigen Jammers durch Zuflände märchenhaften i tums' (1908) gegeben. Wie der Vortrag den Studenten,
Glücks teilt Vergil mit anderen Zeitgenoffen. Woher ! fo will die Schrift in erfter Linie den im Amt flehenden
aber flammt feine Überzeugung, daß die Heilsperiode | Theologen die Auseinanderfetzung mit jenem Werk er-
gleichfam fchon angebrochen fei und daß fie einen leichtern. Die Thefe Kautskys, die es zu entwurzeln galt,
König als Vollender haben werde? I lautet fo: Jefus ift der Meffias der Rebellion gewefen

Als Antwort auf die erftere Frage verweift Lietzmann j ganz im Stil der Bandenführer, von denen Jofephus be-
einmal auf die politifchen Zuflände, den im Jahre 41 richtet. Seiner Gefangennahme ging ein verunglückter
ganz unverhofft zwifchen Oktavian und Antonius ge- Handftreich voraus. Als Häuptling einer galiläifchen In-
fchloffenen Frieden, fodann auf die Tatfache, daß man furgentenfehar wurde er von der römifchen übrigkeit
für das Ende der vierziger Jahre den Anbruch eines : hingerichtet. Der friedliche Jefus des Neuen Teflaments
neuen Säkulums erwartete, das fleh die Sehnfucht der , ift ein 1 endenzprodukt.

Welt als goldenes Zeitalter ausmalte.

Indem Windifch diefer Auffaffung zu Leibe rückt,

Weniger fchnell ift die andere Frage erledigt. Lietz- rollt er das Problem der Stellung des Urchriflentums
mann erinnert an die ca. 300 auf griechifchem Boden zum meffianifchen Krieg in ganzer Breite auf. Wenn er
einfetzende Entwicklung, die dahin führte, daß hervor- ; dazu nicht mehr Raum braucht, als er fleh tatfächlich
ragende Männer, Bedrängniffe befchwörende Helden mit zubilligt, fo hat das feinen Grund einmal darin, daß er fleh
dem göttlichen ' Titel eines Soter gefchmückt wurden.; flreng auf die Hauptfachen befchränkt, fodann in dem
Diefe urfprünglich griechifche Heilandsvorftellung ver- j faft durchgängigen Verzicht auf ein ausgefprochenes Her-
fchmolz — in Syrien bei den Seleuciden, in Ägypten ; anziehen der weitfehichtigen Literatur. Statt andere Autoren
bei den Ptolemäern ift es zu beobachten — mit der, zu zitieren und fleh mit ihnen auseinanderzufetzen, fuhrt
das Hauptelement beifleuernden, orientalifchen Gott- er dem Lefer in durchfichtigem Aufbau und fchöner
königsidee zu dem Heilandsgedanken, welcher die romi- ; Sprache die einzelnen Probleme vor.
fche Zeit beherrfchte Diefer römifchen Heilandsidee Er beginnt damit, die Glaubenskampfe und meffia-

geht Lietzmann nun zunächft nach und zeigt, wie Cäfar, ; nifchen Revolten zu fchildern, welche die jüdifche Ge-
Auguflus und die fpäteren Kaifer als Weltheilande ge- , ichicnte von Judas Makkabäus bis Bar Kochba verzeichnet
feiert worden find Dann kehrt er zurück und bemüht ; (S. 3—10). Dann fpricht er von dem meffianifchen Krieg
fich um die orienta'lifche Wurzel der römifchen Heilands- in der jüdifchen Eschatologie (10—28), um weiterhin
vorftellung Er wirft die Frage auf, wo fich im Morgen- 1 Jelu Stellung zum kriegerifchen Meflianismus zu erörtern
land die Idee eines Gottkönigs fände, von dem man (28—-59) Darauf prüft er die urchriftliche PJschatologie
erwartete daß er feinem Volk oder gar der ganzen ; auf AhrVerhältnis zur Idee des ftreitbaren Meffias (60-78)
Welt ein Zeitalter abfoluten Glücks bringen., werde, und laßt feine Darlegungen endlich in einer Schluß-
Dann leitet er uns über Babylon-Affyrien und Ägypten betrachtung ausklingen (78-95).