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Ausgabe:

1909

Spalte:

168-169

Autor/Hrsg.:

Norton, Frederick Owen

Titel/Untertitel:

A lexicographical and historical Study of diatheke from the earliest Times to the End of the Classical Period 1909

Rezensent:

Bauer, Walter

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Die Beweisführung Lütgert's wird dadurch von einem ' Gnoftifierende Libertiniften und Schwarmgeifter find
Schimmer der Berechtigung umkleidet, daß die Mißftände als in fich gefchloffene, zur Partei organifierte Gruppe
in Corinth nicht ifolierte, zufammenhangslofe Einzeler- i unter den Gegnern des Paulus bisher nicht nachgewiefen.
fcheinungen find, fondern offenbar Schößlinge aus einer i Dagegen ift uns die Wühlarbeit der Judaiften aus dem
Wurzel. Aber den Nachweis, daß diefe Wurzel die ! Galaterbrief zur Genüge bekannt. Ich halte es nach wie
Chriftuspartei fei, ift Lütgert Schuldig geblieben. Und i vor für ganz überwiegend wahrfcheinlich, daß auf ihr
das mußte er fchon deshalb, weil, wenn diefe Partei eine ; Konto die bitteren Stunden zu fetzen find, welche die

corinthifche Gemeinde ihrem Apoftel bereitet hat.
Marburg (Heffen) Walter Bauer.

fo ganz und gar dominierende Rolle in der Gemeinde
gefpielt hat, wie es nach Lütgert's befonders aus dem
I.Briefe gewonnenen Darlegungen fcheint, nicht mehr ein-
zufehen iff, wie noch drei andere Parteien neben ihr Platz Norton, Frederick Owen, Ph. D., A lexicographical and
haben. Flutet aber der Einfluß der Chriftuspartei über | hi8torical Study of öiafifa from the earliest Times to the
ihre Grenzen, kann man mit anderen Worten Apollos- > T, , , ~ -in-, z . , . T-
oder Paulusanhänger fein und daneben die wefentlichen I Lnd of the Classical Per.od. (Htstoncal and Linguistic
Merkmale des Chriftusmannes an fich tragen, dann fragt

Studies in Literature related to the New Testament.
Second Series, Volume I. Part VI.) Chicago, University
of Chicago Press 1908. (71 p.) Lex. 8° cts. —79

man wiederum vergebens, was denn eigentlich als das
parteibildende Element die Chriftusleute zufammenhält.
Lütgert hat, was nach 1. Cor. zur Signatur der Gefamt-

gemeinde gehörte,- mindeftens foweit fie heidenchrifllich Lewis> Frank Grant> Ph- D-> The lrenaeus Testimony to the

war — m. E. unzuläffiger Weife als ein Specificum der Fourth Gospel, its Extent,Meaning,and Value. (Historical

Chriftusleute hingeftellt. Viel richtiger als der Verfuch, and Linguistic Studies in Literature related to the

aus 1. Cor. Material zur Befchreibung einer beftimmten New Testament. Second Series, Vol. I. Part VII.)

Partei zu gewinnen ift der Hinweis (S. 142) darauf daß Chicago, University of Chicago Press 1908. (64 p.)

es von jeher ,eine hbertiniftifche Richtung innerhalb der °Q ' 7 » r/

Heidenchriftenheit gab', die fich ,fofort in den heiden- Lex- ° cts- 54

chriftlichen Gemeinden gebildet' hat. Die Arbeit Norton's gehört zu denen, aus welchen

Paulus bekämpft in 1. Cor. überhaupt noch keine der Theologe nicht direkt Belehrung fchöpfen kann, die

ausgefprochenen Gegner; weder der Blutfchänder noch ihm aber indirekt manches bieten. Auf theologifche Fragen

die Leugner der Auferftehung find folche im Sinne des geht fie nicht ein. Alt- und neuteftamentliche Stellen

zweiten Briefes. Der Apoftel ift mit der Gemeinde im fucht man in ihr vergeblich. Der theologifche Rezenfent

wefentlichen zufrieden (1, 4—9), hat freilich eine Reihe ift daher leider außer Stande, ihr eine fachwiffenfchaft-

von Ausftellungen zu machen, für die er aber Ohr und liehe Würdigung zu teil werden zu laffen. Wie der Titel

Gewiffen der ganzen Gemeinde in Anfpruch nimmt, fagt, enthält das Heft eine philologifche und hiftorifche

Anders fleht es mit 2. Cor. Führt Paulus in ihm die Studie über Wert und Begriff von öiadr/xr], ausgehend

Klinge gegen Hbertiniftifche Schwärmer? An diefem von der älteften Zeit abfchließend mit der klaffifchen

Briefe muß fich entfeheiden, ob Lütgert's Anficht halt- Periode ca. 300 vor Chr.

bar ift. Denn erft aus ihm ergibt fich, ohne den Zwang Die philologifchen Unterfuchungen füllen die Seiten
einer mindeftens nicht völlig zu fichernden Konftruktion 11—38. Voraus geht ihnen eine Bibliographie, und es
anzuwenden, das Wefen der Gegner des Apoftels. Lüt- folgen lehrreiche Erörterungen über das Teftament bei
geit bemüht fich in feinem zweiten Kapitel zuerft um den alten Griechen, feine Anfänge, feine Entwicklung,
den Nachweis, daß die in 2. Cor. Bekämpften keine No- über Modifikation der Willenserklärung und Adoption,
miften waren (S. 62), um dann zu der pofitiven Erklärung Man braucht nur z. B. an Gal. 3, 15 zu denken, um zu be-
fortzufchreiten: ,fie find Hbertiniftifche Pneumatiker'(S. 86). greifen, wie wichtig derartige Arbeiten für den Theologen
M. E. fcheitert die Lütgert'fche Auffaffung allein fchon an werden können, und um in den Wunfeh des Verfaffers
2. Cor. 11, 22. Mit befremdlicher und doch auch wieder 1 einzudämmen, feine Unterfuchungen möchten fortgefetzt
begreiflicher Eile fchlüpft Lütgert über diefen Vers hin- und in die helleniftifche Periode hinabgeführt werden,
weg. ,Die Gegner find Juden und rühmen fich deffen In Pleft VII wird das Zeugnis des lrenaeus über das
2. Cor. 11,22. Damit ift aber natürlich noch nicht bewiefen, vierte Evangelium auf Umfang, Sinn und Tragweite hin
daß fie Judaiften, Nomiften find. Auch Saulus ift ein Jude unterfucht. Zunächft ift an zwei Tabellen der Gebrauch
und rühmt fich deffen. Ein Judenchrift ift damit noch veranfehaulicht, den lrenaeus vom vierten Evangelium
nicht Nomift' (S. 48). Das ift alles. Als ob damit diefcs macht. Er benützt es im wefentlichen im felben Umfang
Hindernis aus dem Wege geräumt wäre! Lütgert mutet und in gleicher Textgeftalt wie wir. Doch weiß L. (S. 13),
uns zu, zu glauben, daß es in Corinth Judenchriften ge- ! daß fich bezüglich des 21. Kapitels kein irgendwie zwingengeben
habe, die gleichzeitig gnoftifierende Libertiniften und ! der Beweis führen läßt. Im zweiten Abschnitt wird die
Schwarmgeifter waren; alfo mit fo gut wie allem gebro- Frage aufgeworfen, welche Perfönlichkeit dem lrenaeus
chen hatten, was ihnen in ihrer jüdifchen Vergangenheit ; als Autor des vierten Evangeliums gegolten habe, und
heilig geweSen, und die fich gleichwohl gerühmt hätten, j mit Recht die Antwort erteilt: der Zebedaide Johannes.
Hebräer, Ifraeliten, Abrahams Same zu fein. Wie ähnlich ] Weniger überzeugend ift das dritte Kapitel, das den Wert
geftimmte Juden zu verfahren geneigt waren, lieft man ! des irenäifchen Zeugniffes für uns erörtert. Verf. bemüht
1. Macc. 1,15; vgl. 1. Cor. 7, 18. Und diefe mit ihrer Abkunft fich auf Grund der Briefe des lrenaeus an Victor und
fich brüllenden geborenen Juden füllten fich zu Führern Florinus fowie von Haer. III- 3 4 um den Nachweis, daß
einer doch ihrem ganzen Charakter und ihrer Anlage nach das Zeugnis des lrenaeus eigentlich als das des Polykarp
wefentlich heidenchriftlichen Partei aufgefchwungen haben! zu gelten hätte. Ich kann nicht finden, daß L. glücklich
Ich geftehe, einer folchen Schwierigkeit gegenüber em- operiert. Alle Erwägungen, weshalb lrenaeus eine aus-
pfinde ich die von Lütgert fo ftark betonte (S. 49), daß gezeichnete Information hätte befitzen müffen, täufchen
Paulus die Leute niemals ausdrücklich als Nomiften be- ! darüber nicht hinweg, daß er nach eigener Ausfage (III 34)
zeichne, weniger läftig. Auch müßte, wenn Lütgert's An- nur als heranreifender Jüngling den Polykarp gefehen,
fchauung die richtige wäre,dieChriftusparteiinCorinthdoch jedoch keinen Umgang mit ihm gehabt, keinerlei ihm
wohl bodenftändig fein. Aber nach 2. Cor. 10, 15 ift die perfönlich zugedachte Belehrung von jenem empfangen
Gegnerfchaft von außen in das Feld der paulinifchen Arbeit hat. Und ebensowenig befeitigen fie die enormen Schwierighineingetragen
worden. Auch nach 3, I ift fie offenbar im- keiten, welche der Annahme im Wege flehen, der Zebe-
portiert: feine Feinde verfügen über auswärtige Autori- daide wäre die große Autorität Kleinaliens. Der Vertäten
, deren Empfehlungsfchreiben ihnen den Weg ebnen, faffer unterftützt fie dabei S. 30 Anmkung auch nur fehr