Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1909 Nr. 5

Spalte:

145-147

Autor/Hrsg.:

Ohle, Rudolf

Titel/Untertitel:

Die Hexen in und um Prenzlau. Eine Untersuchung über Entstehung, Verlauf und Ausgang des Hexenwahns 1909

Rezensent:

Köhler, Walther

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

145

Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 5.

146

Die an dem Buch gemachten Ausheilungen find keinen Hexenprozeß in dem katholifchen wie proteftan-
nichts Unüberwindliches. Sie laffen fich tilgen und beffern. tifchen Deutfchland, der nicht genau nach den Vorfchriften
Wir möchten nicht fchließen, ohne nochmals auf die Vor- des Hexenhammers geführt worden wäre'? Daß der
züge der Arbeit hinzuweifen, die relative Vollffändigkeit Hexenhammer durchfchnittlich das Gefetzbuch für die
in der Vorführung des Materials, in welchem nur die Hexenprozeffe gewefen ift, bleibt richtig, aber ohne AusSkulptur
fo gut wie gänzlich fehlt, während die Epigra- nahmer! Ebenfo fchief ift das allgemeine Urteil S. 23:
phik (Schmid fagt .Epigraphie'!) recht umfänglich zu Wort ,Die katholifche Wiffenfchaft, die verurteilt ift, das Erbe
kommt, die Überfichtlichkeit der Darfteilung und die der Väter cum beneficio inventarii zu übernehmen, muß
Lebendigkeit der Diktion. Wir wünfchen, daß das Buch fich daher noch heute mit diefen Teufelsfahrten abquälen!',
nach den bezeichneten Richtungen gefeilt und ausgeftaltet oder S. 28: ,Dagegen wurde in Rom jede Gunftbezeugung,
werde zu dem Werk deutfcher Sprache vom unterirdifchen jede Konzeffion der Kaifer fofort gebucht, um daraus
Rom, das äußerlich und innerlich auf der Höhe fteht. einen neuen Rechtsanfpruch des Papftes zu formulieren'.
Das icheint uns wichtiger, ratfamer und wünfehenswerter Man kann auch nicht ,die fcholaftifch gebildeten Inqui-
als daß der Verfaffer einen zweiten Band veröffentlicht, fitoren die Entdecker oder Erfinder der Hexen' nennen
der auf der hier gefchaffenen Grundlage weiterbaut (XI). (S. 32; vgl. oben Hänfen). Das Inftitut des Mönchtums

W°"h WRK____G..,g S.uh.f.u.h. g,eh ff'jäoTS-

«•..„,..., ^ „ *, ,. . j n 1 der Entfchluß zum Mönchsleben durch die weltlichen

Ohle, Pfr. L.c. theol. Dr. R„ Die Hexen in und um Prenzlau. Vorteile, die er brachte, mit benimmt worden'. Kann

Eine Unterfuchung über Entftehung, Verlauf und Aus- man das Streben des Mönches, ,durch die Flucht aus der

gang des Hexenwahns. (Sonderabdruck aus den Mit- Welt zunächft nur die eigene Seele zu retten', als ,ganz

teilungen des Uckermärkifchen Mufeums- u. Gefchichts- felbftfüchtig' bezeichnen? Ich dächte, das ,Eile, rette deine

Vereins zu Prenzlau. IV. Band. 1. Heft. 1908.) Prenz- e h£* *™.Inhalftte "ach zuerft Jefus gefprochen

1 o o ,,..„ x loc c qo m- 10>2öh im Ziele (limmt das Monchtum ganz mit

lau 1908. (Berlin, Mayer & Muller.) (86 S.) gr. öu ihm überein, nur der Weg ift ein anderer, den kann man

Der Verfaffer will an der Hand der handfehriftlichen kritifieren. Es iß nicht erlaubt, wenn der von O. zitierte

Chronik des Prenzlauer Pfarrers Süring (1654—73) Bei- Hauck von ,politifcher Zuverläffigkeit' fpricht, daraus

träge zur Gefchichte des Hexenwahns geben, die hier ,politifch-ultramontane Zuverläffigkeit' zu machen

zerftreut vorliegenden Angaben aus ihrer rein zeitlichen (S. 36). Daß die Privatbeichte erftmalig von Paul Anton

Reihenfolge löfen und zu einem Gefamtbilde vereinigen in feiner .Praxis des Beichtftuhls' 1697 angegriffen worden

(S. 1). Eine vortreffliche Aufgabe territorialkirchenge- fei, ift ein Irrtum (zu S. 41 Anm), das ift viel früher

fchichtlicher Forfchung, deren Zweck ja gerade ift, den gefchehen (vgl. meine Schrift: Die Anfänge des Pietis-

großen Gang der Gefchichte — in diefem Falle der mus in Gießen 1907 S. 75). S. 57 fchreibt der Verf.: ,1m

Kulturgefchichte — durch Kleinmalerei zu illuftrieren. übrigen war es höchft gefährlich, in diefer ernften und

Wenn der Verf. fich nur an fein Programm gehalten auf das äußere Dekorum fo verfeffenen Zeit auch nur

hätte in nüchterner, kritifcher Unterfuchung! Statt deffen einen Witz zu machen. Denn wenn er zumal obrigkeit-

ift von Süring fehr wenig, und meiftens in Anmerkung, liehe Perfonen traf, fo war eine hochnotpeinliche Kri-

die Rede, wohl aber de quibusdain aliis rebus, und das minalunterfuchung die F'olge'. Beweis: eine Disziplinar-

Ganze ift in den Ton unangenehmfter gehäffiger kon- unterfuchung in einer Schule wegen eines Schüler-

feffioneller Polemik gekleidet. Ein folcher in diefem witzes! . Darf man fo verallgemeinern?!

Maße ift fchon in einem Vortrage (O.s Abhandlung ift Für die Beurteilung des Hexenwahns glaubt ü. einen

aus einem Vortrage herausgewachfen) peinlich, in einer fundamentalen Unterfchied zwifchen katholifchen und

wiffenfehaftlichen Unterfuchung aber einfach ungehörig, proteftantifchen Hexenverbrennungen feftftellen zu können.

Damit wird gar nichts gefördert, wederhüben noch drüben. Luther fei ,zurn Glück nie in die Lage gekommen, ein

Der Hexenwahn ift nach 0. ,der dunkelfte Schmutzfleck, maßgebendes Urteil über die Hexen zu fällen' (S. 42).

mit dem der Ultramontanismus das Chriftentum befudelt' Gewiß, die Reformation hat den Hexenwahn nicht ab-

(S.2), von Petrus de Palude heißt es: ,fehr gut verdeutfeht: gefchafft; das wäre auch ,ein Wunder' gewefen; denn fie

aus dem Sumpfe' (S. 15), die .Verdrängung der weltlichen übernahm ja das auf ,den Hexenunfinn einkatechifierte'

Liebe durch die Liebe zur Mutter Gottes bedeutete nur Volk, übernahm fo inftruierte Prediger, wie hätte fie da

eine Vertreibung des Teufels durchBeelzebub, denOberften ,aus dem alten, ausgefahrenen Geleife des Ultramontanis-

der Teufel' (S. 20); S. 75 lefen wir: .Abfichtlich fehen mus mit einem Ruck herauskommen können?' Aber

wir hier ab von' der'nur peinlich berührenden Erörterung dennoch, gibt es einen .tiefen, fachlich bedeutenden

über das Gebären der Jungfrau, das zuerft der in folchen Unterfchied zwifchen den Hexenverfolgungen des Prote-

Sachen erfahrene Hieronymus ausgiebig erörterte, und ftantismus und zwifchen den Hexenverfolgungen der

über das fich natürlich die Nonnen fortgefetzt den Kopf Gegenreformation. Jene wurden wenigftens aus ehrlicher

zerbrachen'- bei Gregor d. Gr. .fpringen die Teufelchen Uberzeugung geführt und trafen zumeift wirklich anrüchige

fchon herum wie bei uns die Grashüpfer' (S. 76), S. 77 ift Perfonen..... Diefe dagegen werden fehr oft zu einer

von der Ballonfahrt des h. Haufes von Loreto' die Rede, ergiebigen Einnahmequelle des Fiskus geftaltet, aus der

Denifle gilt als ,Salontiroler' (S. 84) u. a. Bei einem der- das ganze Lumpengefindel der Schergen, Henker und

artigen Tone laufen natürlich zahlreiche Unrichtigkeiten Richter befoldet wurde, und der nicht unbedeutende

oder Schiefheiten unter. So heißt es fogleich am Anfange: Reft floß in die Kaffe der geiftlichen und weltlichen

In der Tat, alles, was wir von den Hexen wiffen, und was Landesherren, damit fie weiter leben konnten alle Tage

noch heute von diefem Wahne in unferem Volke lebendig herrlich und in Freuden!' (S. 63). Das Thema: Luther

ift flammt aus dem Hexenhammer' (S. 3). Ein Blick in und der Hexenwahn harrt noch der abfchließenden

Hanfens Quellenfammlung und feine Darfteilung zeigt, daß Unterfuchung, aber fo viel ift doch, zumeift durch die

wir auch ohne den Hexenhammer eine ganze Maffe von Forfchungen von Dr. Paulus-München (vgl. auch meine

den Hexen wiffen, und daß die Volksvorftellungen von den Bemerkungen in diefer Zeitung 1901 Sp. 6i7ff.) feftgeftellt,

Hexen Z T. in der Antike wurzeln. S. 6 und 10 lefen daß O.s Anficht unrichtig ift. Luther ift fehr wohl in

wir daß es keine Hoffnung gab, im Hexenprozeffe los- die Lage gekommen, ein maßgebendes Urteil über die

zukommen- in der Anmerkung zu S. 10 wird erzählt, daß Hexen zu fällen. Er hat 1526 in einer Predigt gefagt:

vier Weiber nach der Tortur freigelaffen wurden. Sind. Quare lex plus foeminas quam viros hic (Ex. 22,18)

diefe vier wohl die einzigen gewefen?! Und kann Verf. nominat, quamquam etiam viri in hoc delinquunti Quia

beweifen was er S 11 fagt: Jedenfalls gibt es fortan feminae plus istis Satanae superstitionibus obnoxiae sunt.