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Ausgabe:

1909 Nr. 4

Spalte:

115-117

Autor/Hrsg.:

Roth, Friedrich

Titel/Untertitel:

Augsburgs Reformationsgeschichte. Dritter Band. 1539-1547 bezw. 1548 1909

Rezensent:

Bossert, Gustav

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ii$ Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 4. 116

fich haben wollen. Z. 7 ,inen den halm zcien' kann hier I der Wittenberger Konkordie anzubahnen im Begriff waren
nach dem Zufammenhang nicht heißen: fie täufchen, , und mit ihrem ftark republikanischen Bewußtfein, dem
foppen, fondern ihnen den Halm, das Glücksloos, vorweg ! der hergebrachte Kaiferkultus der Augsburger ganz fremd

nehmen, ihre vorteilhafte Stellung untergraben. Z. 8 iren
fchwer und hoffmanszerei ausbrechen, ihr Gefchwür öffnen
d. h. ihre Praktiken am Hof aufdecken. Allerdings ift der

war, dieantikaiferlicheVolksbimmung imSchmalkaldifchen
Krieg verfchärften. Befonders tat fich Seb. Lepusculus
durch feine Pamphlete hervor; von ihm find S. 433ff. auch

Ausdruck .hoffmanszerei' noch nicht belegt, aber der t zwei Gedichte ,Caroli Gandavi Deploratio' und ,Christi-
Sinn ift klar. S. 30 Z. 30 wäre ,vbirley' zu erklären, j anorum supplicatio ad Deum contra Carolum Gandavum
Chrosner faß als vergeffener, überflüffiger Bruder in j Christianae libertatis oppugnatorein' aus dem Augsburger
einem Winkel d. h. zu Altenburg verfteckt. , Stadtarchiv abgedruckt. Beachtenswert ift auch die Mit-

Stuttgart G Boffert teilung aus den Gefprächen des Wolfg. Musculus und

den Schriften des Meifterfängers Martin Schrot. Anfpre-

Roth, Friedrich, Augsburgs Reformationsgefchichte. Dritter <£er}d ift die Schilderung der letzten Jahre des Bifchofs
Band. iS39-lS47>bezw. 1548. München, Th. Acker- Chnftoph von Stadion S. 212-216, der den größten
Atttt c, ö. i>t Gegeniatz zu feinem ehrgeizigen, unruhig ftrebenden

mann 1907. (VIII, 564 S.) gr. 8U M. 9- [ ftreng kurialiftifchen Nachfolger Otto Truchfeß von Waldburg
bildete, der als prachtliebender Kirchenfürft ,die
vollen Kiften und Kaften' feines Vorgängers, eines ,fehr
guten Haushalters', willkommenhieß,abernurzu bald leerte.

Reich ift der Gewinn, den der Hiftoriker für die
Gefchichte der fehr mangelhaften kirchlichen Verfaffung,
des Gottesdienftes (vgl. die Schilderung durch Wolrad
von Waldeck, S. 264ff.), der Ordnung der Liebestätigkeit
und der Bekämpfung des hergebrachten Bettels, des Schul-
wefens und der Bibliothek davonträgt, wie für die Ge-

Dem 1904 erfchienenen zweiten Band der wertvollen
Reformationsgefchichte Augsburgs, der keine deutfche
Stadt ein ähnliches Werk an die Seite zu ftellen hat, ift
nunmehr der dringend wünfchenswerte dritte Band gefolgt,
der die Gefchichte von der Zeit der vollendeten Reformation
und des Auszugs der alten Geiftlichkeit bis zum
Zufammenbruch der Verfaffung und der unbefchränkten
Herrfchaft des evangelifchen Glaubens nach dem Schmal-
kaldifchen Krieg herabführt. Für die gerade für Augs

bürg befonders wichtige Zeit des Interims und der ! fchichte der Täufer und Schwenkfelder. Der Aufenthalt
Wiederherftellung und Neuordnung der evangelifchen I Bernh. Ochinos in Augsburg ift jetzt vielmehr aufgehellt,
Kirche neben der katholifchen Reftauration gibt Roth | als dies Benrath in feiner fchönen Biographie möglich
diesmal nur einen fehr kurzen Überblick und ftellt eine ; war. Neu find 2 Melanchthonbriefe, vom 4. Mai 1544,
abgefonderte Behandlung der Zeit des Interims an einem der S. 189 abgedruckt ift, und vom 1. Febr. 1546, der
andern Ort in Ausficht. Es wäre aber fehr zu wünfchen, fich im Cod. germ. 940 der Münchner Staatsbibliothek
daß er lieber noch in einem vierten Band die Gefchichte ( findet, S. 509.

der evgel. Kirche in Augsburg bis zum Religionsfrieden Wenn Roth S. 128 fagt, Bonif. Wolfart fei zu Weil
1555 herabführte und das reiche Quellenmaterial in der- I im Haufe des ihm befreundeten Dr. Kneller geftorben,
felben für die deutfche Gefchichte hoch willkommenen , zu dem er in der höchften Not feine Zuflucht genommen,
Weife erfchlöffe, wie er es bisher und zumal im dritten ' fo fcheint er in Kneller einen Arzt zu fehen, was unrichtig
Band getan, der auch für die politifchen Ereigniffe der i ift. Denn er ift ein fonft wohl bekannter Rat des Königs
Zeit ungemein viel bietet. I Ferdinand und ein Gönner Schwenkfelds. Er flammte

Roth hat es verftanden, die Aufmerkfamkeit feiner
Lefer in vollem Maß anzufpannen. Ganz befonders
dramatifch wirken die letzten Kapitel. Die trugvolle
Politik des Kaifers und feiner Räte, womit er die Prote-
ftanten über feine kriegerifchen Abfichten täufcht, die

aus der Reichsftadt Weil, war alfo ein Landsmann und
Studienfreund von Joh. Brenz. Das Haus wird wohl das
ihm vom Klofter Bebenhaufen 1534/35 übergebene Haus
fein, das vor der Befitznahme durch Herzog Ulrich gerettet
werden follte, und das Kneller zur Zeit der Re-

kriegerifche Haltung Augsburgs mit feiner glanzvollen j ftauration des Klofters im Interim zurückgab (Akten des
Heerfchau und feinem Eifer für die Befeftigung der Stadt '. Staatsarchivs Stuttgart). Wolfart kam auf der Durchreife
nach dem Mufter Antwerpens, und die Werbung einer i nach Weil.

ftarken Kriegsfchar, welche die Stadt Heilte, aber auch i Wie in den beiden früheren Bänden gibt Roth eine
die Haltung der Augsburger Geldmänner, die nur unter Reihe wichtiger Quellenftücke, die wieder mit den An-
Habsburgs Fittigen eine Blüte des Handels für möglich merkungen nach den betreffenden Kapiteln eingereiht
halten und mit dem Ausbruch des Kriegs in ftarker An- j find. Es ift dies ficher die allerunbequemfte Art, die
zahl die Stadt verlaffen, der hoffnungsvolle Anfang des dem Lefer das Vergleichen mit dem zugehörigen Text
Kriegs unter Schertlins Führung mit dem Reformations- erfchwert, aber da Theobald in feiner Schrift über
verfuch im Gebiet des Bifchofs von Augsburg, die ge- Naogeorgus die Quellenftücke auch nach den zugehörigen
waltige Erregung der Geifter durch die von Augsburg '< Kapiteln des Textes eingereiht hat, und Ref. m. W. in
ausgehende Flugfchriftenliteratur, welche Karl V. als Karle der Anzeige des erften Bandes von diefer Anordnung
von Gent verächtlich machte, die jämmerliche Kriegs- j ernftlich abgeraten hat, müffen wir wohl an ein bayrifches
fuhrung durch Johann Friedrich von Sachfen und Philipp ; Spezifikum glauben und uns dreinfinden. Denn folche
von Heften, die Ausdauer Augsburgs im Widerftand gegen i Eigenheiten werden ja bekanntlich zäh, um nicht zu fagen,
den Kaifer, bis die Ergebung Ulms auch Augsburg mit ängftlich feilgehalten. Die Unbequemlichkeit der Befortreißt
, der Sturz des Zunftregiments, die Befetzung der ■ nützung tut aber dem Wert der Beilagen und Anmer

Stadt durch ein ganzes Regiment Spanier, die fchwierige
Lage der evangelifchen Pfarrer, die Abtretung der Hauptkirchen
an die Altgläubigen und die Befeitigung aller

kungen keinen Eintrag. Hier fei noch befonders auf die
erfte Beilage hingewiefen, welche den Streit von Musculus
und Cochläus über das Wefen und die Mißbräuche der

bisher tonangebenden Männer im Rat und in der Kirche ! Meffe 1542—45 auf Grund der gewechfelten Streitfchriften
— das wäre wohl für einen deutfchen Shakefpeare ein j behandelt S. 60 — 68. Dabei ift der Hinweis auf den
Stoff, wie er fich kaum fchöner denken läßt. Schön Neudruck der Schrift von Musculus durch Tob. Fabricius
herausgearbeitet find die Charakterbilder eines Georg j (Neuftadt an der Hardt 1608) noch befonders wertvoll,
Herwart, Jak. Herbrot, Sailer, Frölich, Nik. Maier, dann weil jetzt Klarheit gefchafft werden kann über Nikol.
der Theologen Wolfgang Musculus, Bonifacius Wolfart, Reneyfens von Bensheim Schrift, der 1527 Pfarrer in
Michael Keller, Kafpar Huberinus. Zu beachten ift der ! Neckarbifchofsheim war. Auf feine Schrift hat Vierordt
Einfluß der aus der Schweiz berufenen Theologen Joh. I aufmerkfam gemacht (Gefch. der Reformation in Baden
Haller, Seb. Lepusculus und Anderer, die in ihrem aus- i S. 237 Anm. 2), aber fie ließ fich nirgends finden. Ebenfo
geprägten theologifchen Standpunkt die Abwendung von j beachtenswert ift die Beilage S. 119, welche die zornvolle