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Ausgabe:

1909

Spalte:

79-81

Autor/Hrsg.:

Berbig, Georg (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Spalatiniana. I. - III 1909

Rezensent:

Bossert, Gustav

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79 Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 3. So

gebend geworden ift: das Apofteldekret nur geltend für
die Zeit des Überganges vom Judentum zum Chriften-
tum. Klaffifch formuliert ift diefe Stellung zu den Speife-
verboten in Nikolaus' I Responsa ad consulta Bulgarorum.
Wo fich Abweichungen davon im Abendlande finden,
gehen fie zurück auf den Einfluß des Morgenlandes. Abweichungen
finden fich in der keltifchen Kirche, bei
Theodor von Canterbury ufw. Böckenhoff geht die
Literatur der Bußbücher durch und hebt die einfchlä-
gigen Beftimmungen daraus hervor; er vergleicht fie mit
der alten römifchen Auffaffung und kommt zu dem
Refultate, daß diefe durch die Invafion der fremden
Bußbücher nicht wefentlich geändert worden fei. Die
Übereinftimmung zwifchen der keltifchen und orienta-
lifchen Obfervanz erfcheint B. fo groß, daß er geneigt
ift, einen Einfluß griechifchen Chriftentums in der keltifchen
Kirche anzunehmen. Eine neue Invafion griechi-
fcher Speifeobfervanzen fand dann durch Theodor v.
Canterburys Wirkfamkeit ftatt. Und endlich ift es von
Bedeutung, daß die Päpfte, die Bonifatius Vorfchriften
über Speifen machten, Griechen waren, und damit eine
dritte Beeinfluffung abendländifcher Sitte durch orien-
talifche Speifeobfervanzen hervorgerufen wurde. Darum
nimmt B. an, daß die gefamten Speifeobfervanzen für
die abendländifche Kirche den Charakter importierten
fremdländifchen Gewächfes hatten und darum auch nie
dafelbft heimifch waren (S. 114). Mit völliger Überwindung
des Heidentums wurden auch die Speifefatzungen
für das Abendland bedeutungslos, und der letzte, der
noch eine ausführliche Polemik gegen fie für nötig erachtet
, ift Robert Pulleyn im 12. Jahrhundert.

Der fchwache Punkt in B.s Ausführungen fcheint
mir die Vorftellung von der ,alten römifchen Auffaffung'
zu fein; von ihr wiffen wir im Grunde nichts, und find
die von Päpften dem Bonifatius gegebenen Weifungen
nicht auch römifche Auffaffung? Aber es ift ein Ver-
dienft, auf die Beeinfluffung des Abendlandes durch das
Morgenland und auf kulturgefchichtlich ungemein wichtige
Beftimmungen hingewiefen zu haben. Auf die Motive
des Verbots der Speifen ift der Verfaffer an den
geeigneten Stellen zu fprechen gekommen.

Kiel. G. Ficker.

Spalatiniana. I. Vita Georgii Spalatini ex ipsius avto-
ynäcpqi descripta M.D. XXXIV. — II. Index brevissi-
mus rerum illustrissimi Principis, Dn. Johannis Ducis
Saxoniae Electoris, in Electoratu inceptus colligi
M.D. XXVI. — III. Georgii Spalatini Ephemerides
inchoatae anno MCCCCLXXX. — Anhang: Einige
Lutherana und Aktenftücke aus dem Nürnberger
Veit Dietrich Kodex u. A. Herausgegeben von Dr.
Georg Berbig. (Quellen und Darftellungen aus der
Gefchichte des Reformationsjahrhunderts. Herausgegeben
von Georg Berbig. V. Band.) Leipzig, M.
Heinfius Nachf. 1908. (VII, 123 S.) gr. 8° M. 4 —

Berbig bietet zunächft aus dem Codex Buderi
fol. 87 der Jenaer Univerfitäts-Bibliothek, einem Kopial-
band aus der Bibliothek des 1763 verftorbenen dortigen
Juriften Chriftian Gottlieb Buder, 1. eine Autobiographie,
welche Spalatin 1534 begann, und die bis zum 8. März
1543 reicht. 2. einen Index brevissimus rerum illustrissimi
Principis Dn. Johannis Ducis Saxoniae, Plectoris
in Electoratu, den Sp. 1526 begann. 3. Spalatins Ephemerides
von 1480—1544. Von der Vita (S. 15—31) hat
Hortleder (,Von den Ürfachen des Teutfchen Kriegs
Kaifer Carls des Fünfften' ufw., Frankfurt a. M. 1617)
einen fehr unvollftändigen Auszug aus dem jetzt ver-
fchwundenen Original gegeben, das Buders Kopie einigermaßen
erfetzt, wenn auch der Text, wenigftens in dem
von Berbig gegebenen Druck, manches zu wünfchen

übrig läßt. Jetzt laffen fich alle wichtigen Ereigniffe im
Leben Spalatins genau beftimmen: Seine Stellung am
kurfächfifchen Hof, feine Beziehungen, zu Friedrich
dem Weifen, Johann dem Beftändigen und Johann
Friedrich, feine Reifen als Ratgeber diefer Fürften.
feine Tätigkeit als Diplomat, als Vifitator, als Gründer
und Kurator der Wittenberger Univerfitätsbibliothek.
Wir lernen auch Spalatin als forgfältigen Haushalter
kennen. Beachtenswert ift befonders fein Selbftbe-
kenntnis S. 19 und das Datum feines offiziellen Bruchs
mit der alten Kirche 1523 (S. 33—41). Der Index
brevissimus gibt einen kurzen Abriß über die Regierungszeit
des Kurfürften Johann, feine Taten, Reifen,
Erlaffe und Familienerlebniffe und fchließt mit dem
Schreiben Johann Friedrichs an König Franz von Frankreich
, dem er feines Vaters Tod und feinen Regierungsantritt
meldet. Die Ephemerides (43—87) füllten nach
Spalatins Abficht eine Ergänzung von Eufebius, Hieronymus
, Prosper und Palmarius' Chroniken bilden. Sie
gehen bis 1543 und werden von 1540 an fehr ausführlich
, während der vorhergehende Teil in aller Kürze
das von 1513—1526 reichende, von Mencken {Scriptores
rerum Germanicarum. praeeipue Saxonicaruin, Leipzig
1718, S. 589—664) veröffentlichte Chronicon Spalatins
vielfach ergänzt.

Im Anhang gibt Berbig wieder ein Stück aus Veit
Dietrichs Codex Solgcri, nämlich die Gutachten über die
Frage des Widerftands gegen den Kaifer: 1. von 1523
im lateinifchen Wortlaut, während bisher nur eine deut-
fche Überfetzung bekannt war. 2. von 1530. Erl. A.
54, 138 — Enders 7, 239. Erl. A. 64, 277. 3. die Varianten
zu Enders 8, 344ff. 4. das Schreiben, das bisher
an einen Bürger in Nürnberg gerichtet fchien, Enders
8, 378, und nun als an den Bürgermeifter in Frankfurt gerichtet
erwiefen wird. 5. Luthers Meinungsäußerung
Erl. A. 64, 269, die jetzt noch in den November gefetzt
wird. Luther müßte alfo noch Anfang November in
Torgau gewefen fein, aber dagegen fprechen die Briefe
vom 31. Oktober und 1. November aus Wittenberg.
Enders 8, 300. 301. Enders 8, 296 wird mit dem Datum
,Ende Oktober' recht behalten. 6. das Schreiben Bugen-
hagens aus Lübeck im urfprünglich lateinifchen Wortlaut
, während bisher nur die deutfehe Überfetzung ohne
den Anfang und Schluß (perfönliche Nachrichten) bekannt
war. Vgl. Enders 8, 304. 7. Ein Bericht über die Sendung
Math, von Beizig an den König von Frankreich. 8. Das
Gutachten Luthers und Melanchthons Gutachten über die
Zugeftändniffe an die Gegner vom Auguft 1531. De Wette
4, 281. Erl. A. 54, 244. 9. Der Brief Leonh. Käfers an
Mich. Stiefel, den W. Walther deutfeh in der ZKG. XVIII,
230 ff. mitgeteilt hatte, im lateinifchen Text des Originals.
10. Eine kurze historia vom 21. Oktober 1530. Sodann
folgen einige Briefe der Kurfürften Friedrich, Johann,
Johann P'riedrich und des Herzogs Johann Ernft aus dem
Koburger und Gothaer Archiv.

So hat Berbig mancherlei in diefem Heft der ,Quellen
und Darftellungen' zufammengefaßt, das für die Refor-
mationsgefchichte mehr oder minder von Wert ift. Aber
die Edition macht den Eindruck der Eilfertigkeit. Denn
anders läßt fich der Mangel an Textkritik nicht erklären.
Buders Kopialband mag fehr leferlich und deutlich ge-
fchrieben fein (S. 2), aber fein Text ift fehr oft zweifelhaft
, wenn nicht etwa der Mangel an Korrektur des
Drucks die Vorlage entlaftet. Letzterem Mangel fällt
jedenfalls der Druckfehler auf dem Titel (auro/patyn/ft)
zur Laft. S. 16 ift die von Berbig verfuchte Verbefferung
brevitate ftatt bonitate wegen sub, das auch nicht paßt,
unmöglich. S. 18 Z. 5 v. u. fehlt das Zeitwort. S. 20
Z. 28 fehlt vor uxore ab. S. 21 Z. 11 u. 12 1. Atnisiam,
Z. 14 Susatiam. Die Münze SexageniS. 23fr. bedarf der
Erklärung. S. 23 Z. 2 u. 1 v. u 1. annuo locario ftatt annale,
locario. S. 26, Z. 32 1. Bellaius. S. 28 muß Z. 3 der
Genetiv Regis Danorum erklärt werden. Sollte er noch