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Ausgabe:

1909 Nr. 3

Spalte:

67-68

Autor/Hrsg.:

Rothstein, J. Wilhelm

Titel/Untertitel:

Juden und Samaritaner. Die grundlegende Scheidung von Judentum und Heidentum. Eine kritische Studie zum Buche Haggai und zur jüdischen Geschichte im ersten nachexilischen Jahrhundert 1909

Rezensent:

Steuernagel, Carl

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6y Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 3. 68

Schwierigkeiten, die folcher Auffaffung entgegenftehen,
gerecht zu werden, vgl. 4, 6 ff. 14. 5, 2. 7, 11 u. a. Völlig
unmöglich ift H.s Anficht über Zeh. 9—14: fie zeugt
nicht nur von einer auffallenden Verftändnislofigkeit des
literarifchen Problems, das diefe Kapitel im Verhältnis
zu den Kapp. 1—8 bieten, fie verkennt auch völlig den
hiftorifchen Untergrund, von dem aus allein diefe Kapitel
verftändlich find, denn fein Verfuch, z. B. 11, 8 ff. aus
Ter. 22—24 zu erklären muß durchaus als gefcheitert ange-
fehen werden: felbft wenn man eine folche Beziehung auf
Jer. 22 ff. zugeben wollte, bleibt doch das -MX nTO völlig
unerklärt. — In bezug auf die Textkritik nimmt H. eine
mehr konfervative Stellung ein, einen Teil der allmählich
zur Anerkennung gekommenen Konjekturen eignet er fich
an, in anderen Fällen fchlägt er eigene Wege ein, aber
ich kann nicht fagen, daß das mit Glück gefchieht. Das
gilt auch u. a. von feinem Verfuch, die alphabetifche Form
in Nah. 1 u. 2, 1. 3 wiederherzuftellen. Auch ich habe
das feinerzeit verfucht, aber einfehen müffen, daß das auf
Vorausfetzungen beruht, die für den zweiten Teil des
Liedes offenbar nicht zutreffen. Jedenfalls ift ohne fehr
ftarke Eingriffe ein derartiger Verfuch nicht durchzuführen
, der zudem, da die Überfetzungen uns faft völlig im
Stich laffen, immer nur fubjektiven Wert haben kann.

Aber trotz diefer Einfchränkungen verdient diefe
Arbeit Lob, weil fie in franzöfifcher Sprache die einzige
ift, die den Lefer in die hauptfächlichften Probleme, welche
die kleinen Propheten dem Exegeten ftellen, einzuführen
vermag.

Straßburg i. Elf. W. Nowack.

Rothftein, Prof. D. J. W., Juden und Samaritaner. Die

grundlegende Scheidung von Judentum und Heidentum
. Eine kritifche Studie zum Buche Haggai und
zur jüdifchen Gefchichte im erften nachexilifchen
Jahrhundert. (Beiträge zur Wiffenfchaft vom Alten
Teftament. Herausgegeben von Rudolf Kittel. Heft 3.)
Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung 1908. (82 S.)
gr. 8° M. 2--; geb. M. 3 —

Bekanntlich bereitet der Abfchnitt Hag 2, IO—19 der
Auslegung erhebliche Schwierigkeiten. Für fie bietet R.
eine Löfung, die in der Hauptfache darin befteht, daß
er 2,15—19 aus dem gegenwärtigen Zufammenhang aus-
fcheidet und hinter 1,15 verfetzt. Genauer befchränkt er
die echten Worte Haggais auf 2,15. 16. 18a. 19a(?) 19b
und ift er geneigt, zwifchen 1,15 und 2,15 auch 1,13
unterzubringen, wobei er allerdings für 1,13a eine Textverderbnis
zugibt. Sachlich ergibt fich dann aus der
Kombination von Hag und Esr. 3,8 -4, 5 folgende Deutung
. Am 24-/6. des 2. Jahres des Darius wurde der
Grundftein des Tempels gelegt, refp. der nach Esr 5,16
fchon früher begonnene, aber unterbrochene Tempelbau
neu begonnen. An diefem Tage hat Haggai die Worte
1, 13. 2,15—19* gefprochen, in denen er unter Hinweis
auf das bisherige AusbleibendesSegensJahwaes(2,15b. 16)
verkündet, daß von nun an Jahwae feine Gemeinde fegnen
werde. Am 21./7. hat er die Gemeinde, die den vielleicht
infolge der Benutzung von Reften des alten Tempels
und der Bauten Schefchbaffars fchon ziemlich weit geförderten
Bau bereits mit kritifchen Augen betrachtete,
durch die Verheißung künftiger Verherrlichung durch
Jahwae ermutigt. Am bedeutfamften ift die neue Deutung
von 2,10-714. Man fieht in diefem Abfchnitt gewöhnlich
eine Äußerung über die Gemeinde, die mit
dem Tempelbau befchäftigt ift. Mit Recht findet R. es
jedoch fehr auffallend, daß Haggai über diefe fo fcharf
geurteilt haben follte, fie fei unrein, obwohl 1,12 bereits
von einer Änderung im Verhalten des Volkes zu melden
wußte und 2,5 erklärte, daß Jahwaes Geift in feiner
Mitte fei. R. bezieht die Äußerungen von 2, IO—14 auf
das pisn ay, das nach Esr 4, 1 f. die Forderung geßteHt

hatte, zur Beteiligung am Tempelbau zugelaffen zu werden.
Haggai gab durch fein Orakel den Ausfchlag dafür, daß
es als ein unreines Volk abgewiefen wurde. Daß die
Abweifung in Esr 4,3 anders motiviert wird, erklärt R.
daraus, daß Serubbabel vorausfah, daß das pnxn ay
die Abweifung durch Intrigen beim perfifchen Statthalter
beantworten würde, und daß er diefen von vornherein die
Spitze abbrechen wollte, indem er die Abweifung durch
den Hinweis auf das Edikt des Cyrus motivierte, das nur
von den fiblMn 153 redete, fo daß gerade die perfifche
Obrigkeit an feiner Loyalität nicht zweifeln konnte.
Gerade im Hinblick auf die Serubbabel drohenden
Schwierigkeiten ift dann auch Hag 2, 20—23 (ein an
Serubbabel gerichtetes Orakel vom gleichen Tage) be-
fonders bedeutfam.

Der Verf. hat feine Auffaffung durch eine fehr forg-
fältige, aber auch fehr minutiöfe Analyfe aller Zeugniffe
über die Zeitverhältniffe geftützt. Er verhehlt fich nicht,
daß diefe Zeugniffe vielfach nicht ausreichen, um eine
wirklich fichere Vorftellung zu gewinnen. Und in der
Tat wird man zu manchen feiner Ausführungen doch ein
Fragezeichen machen dürfen. Aber es handelt fich
dabei um nebenfächliche Details; in der Hauptfache
glaube ich ihm unbedingt zuftimmen zu müffen, namentlich
betreffs der neuen Deutung von Hag. 2,10—14
und der Behauptung hiftorifcher Zuverläffigkeit des Berichtes
von Esr 4, 1 ff., der nur durch 3,8 und 4,5 chrono-
logifch falfch fixiert ift. Aus der Zahl der Fälle, wo ich
zu den Ausführungen des Verf.s ein Fragezeichen fetzen
möchte, hebe ich nur einen hervor. Nach R. kommen
die vielen hiftorifchen Ungenauigkeiten in Esr 3,8—6
nicht auf die Rechnung des Chroniften, fondern eines
fpäteren Bearbeiters, der auch die aramäifchen Stücke
erft eingefügt hat. Ich kann nur das zugeben, daß es
unberechtigt war, wenn man alles, was der Chronift berichtet
, ohne daß es durch andere Quellen beftätigt wird,
für ein Produkt feiner Phantafie erklärt hat. Mit Ent-
fchiedenheit aber möchte ich behaupten, daß R. den
Begriff pari ay falfch gedeutet hat. Er bezieht ihn in
allen in Betracht kommenden Zeugniffen auf die Samaritaner
und die Überrefte der Judäer, die im Lande geblieben
waren, und glaubt, daß die neue Gemeinde auch
diefe Überrefte der Judäer abgewiefen habe. Hiergegen
fprechen Hag 2,4, wo fchwerlich nach 1,12. 14. 2,2 zu
korrigieren ift (wie will man die Einführung des pXfi ay
in einem den Späteren fremden Sinn in die Worte Haggais
erklären?), und Sach 7,5. Diefe Stellen beweifen,
daß p-ixn ay für Haggai und Sacharja, alfo wohl für
ihre Zeit überhaupt, einen andern Sinn hatte als beim
Chroniften in Esr 4, 4. Dafür, daß die übisn 133 fich
von den Überreften der Judäer, die fie im Lande antrafen
, abfonderten, fehlt jedes Zeugnis. Doch wird an
dem Hauptergebnis des Verf s auch dadurch nichts We-
fentliches geändert. Für die neue Erklärung von Hag 2
find wir ihm zum größten Dank verpflichtet. Möchte
er bald auch die verfprochene Fortfetzung feiner Arbeit,
eine Unterfuchung von Sach 1—8, der Öffentlichkeit
vorzulegen in der Lage fein!

Halle a. S. C. Steuernagel.

Das Neue Teftament überfetzt in die Sprache der Gegenwart
von Hauptpaft. Curt Stage. Große Ausgabe.
Leipzig, Ph. Reclam jun. 1907. (584 S.) gr. 8°

Geb. M. 4—; in Leder m. Goldfehn. M. 6 —

Stages Überfetzung des Neuen Teftaments in der
Reclamfammlung ift zum erften Male 1896 erfchienen
und läuft in ftereotypierter Ausgabe bei diefem Unternehmen
fort. Sie ift feinerzeit in diefer Zeitfchrift bereits
von H. Holtzmann (Bd. 23, 458 ff.) in ihrer Eigenart
befchrieben, mit Recht gelobt und gegen einige Angriffe
verteidigt worden. Der Verlag gibt jetzt von