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Ausgabe:

1909 Nr. 26

Spalte:

700

Autor/Hrsg.:

Knopf, Rudof

Titel/Untertitel:

Paulus 1909

Rezensent:

Schuster, Hermann

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Seite 1

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699 Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 26. 700

als Mangel an Verfländnis für die modernen Errungenschaften
gedeutet werden: kommt er doch zahlreichen
und wichtigen Ausfagen Loifys durchaus zuftimmend
entgegen (152. 170), namentlich der Annahme des unbedingt
ausgesprochenen Satzes: ,Jesus n'a jamais cru etre,
de son vivant deja, le Messie effectif et present, mais seu-
lement le Messie futur, de meme qu'il ?ia jamais co/isidere
le royaume de Dieu cotnme vraiment present (168). — In
feinen Conclasions (181 —194) zieht P. die Summe deffen,
was fich über das Leben und Wirken Jefu auf Grund der
kritifch gerichteten Urkunden feftftellen läßt, und fkizziert
in knappen Zügen das Bild feiner fittlichen und religiöfen
Perfönlichkeit.

In feiner auch den gebildeten Laien leicht verständlichen
Schrift bemüht fich der Verf. um ftrenge Sachlichkeit
. Der einfache nüchterne Ton feiner Darftellung
wird vielleicht dem franzöfifchen Lefer etwas trocken
erfcheinen; aber auch folche, die finden follten, daß eine
Schwungvollere Behandlung des Stoffs die Wiffenfchaft-
lichkeit der Unterfuchung nicht beeinträchtigt hätte,
werden ihm für die ruhige, lichtvolle, im betten Sinn aufklärende
und aufbauende Arbeit aufrichtig dankbar fein.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Wimmer, Oberlehr. Otto, Die Wertung der Güter diefer
Welt in der Lehre Jefu. I. Teil. Programm. Berlin,
Weidmann 1909. (2 t S.) 40 M. 1 —

Einen abschließenden zweiten Teil des vorliegenden
Programms foll die wiffenfchaftliche Beilage zum Jahresbericht
der Luifenftädtifchen Oberrealfchule zu Berlin
im Jahre 1912 bringen. Hier erft werden konkrete
Lebensverhältnisse zur Sprache kommen, wie Eigentum,
Familie, Arbeit, Erholung, Ehre und Rang ufw., während
diefer grundlegende Teil die ,Doppelfeitigkeit' des von
Jefus gepredigten Reiches Gottes fettftellt (,überwelt-
liches Gut' und ,innerweltliches Sittliches Ideal') und
demgemäß auch die Beziehungen zu den Gütern diefer
Welt begrifflich unterfcheiden, d. h. einerfeits als rein
negativer, andererfeits durchaus pofitiver Art auffaffen
lehrt. Aber diefe beiden ,anfcheinend fich widersprechenden
Seiten der Verkündigung Jefu vom Reiche Gottes
fügen fich doch zu einer höheren inneren Einheit zu-
fammen'. Denn fofern das Reich Gottes bei aller Über-
welthchkeit wenigstens in Geftalt hoffnungsfreudiger Erwartung
fchon jetzt zu einem verborgenen Befitz des
inneren Menfchen werden kann, verfügt es auch über
diefer feiner innerweltlichen Größe entsprechende Aufgaben
und erhebt negative Forderungen im abfoluten
Sinn ausschließlich für das Innenleben des Menfchen,
während diefelben für das tätige Leben nur relative
Geltung beanfpruchen können. Kürzer ausgedrückt liegt
der gleiche Inhalt in der hier nicht gebrauchten Formel
,Gefinnungsethik'. Nur docendi causa verliehen wir es,
wenn der dem Lehrerltand angehörige Verf. bei Jefus
auch eine genaue Einteilung der Güter diefer Welt in
,natürlich-finnliche, geiftige und Sittliche' beobachtet, während
die Unterfcheidung der individuellen Lebenslage
allerdings einen direkteren Anhalt an Weifungen Jefu
findet. Alles in allem überwiegt zuletzt doch der Eindruck
, daß man es im Reichsgedanken Jefu weniger mit
einem Ausgangspunkt für logifch aus ihm ableitbare, wenn
auch zugleich unterfcheidbare Folgerungen zu tun habe, als
vielmehr mit einem gemeinfamen Berührungspunkt für
mancherlei, an fich auseinander liegende Linien religiöfer
Ideenaffoziationen. Gehen doch auch fchon im Judentum
verfchiedene Deutungen des Reichsbegriffes einfach nebeneinander
her, wie neulich J. Böhmer gezeigt hat (vgl.
Sp. 381 diefer Zeitfchrift).

Baden. H. Holtzmann.

Knopf, Prof. D. Rudolf, Paulus. (Wiffenfchaft und Bildung
. 48.) Leipzig, Quelle & Meyer 1909. (III, 123 S.)
8° M. 1—; geb. M. 1.25

Der Verfaffer ordnet (nach einer Einleitung) den
Stoff in folgenden Abfchnitten: Saulus vor feiner Bekehrung
, die Bekehrung des Paulus und die Anfänge
feiner Wirkfamkeit, Paulus der Apoftel Jefu Chrifti (Höhe
feines Wirkens), Gefangenfchaft und Lebensende, Paulus
I und der Kampf um fein Werk (Auseinanderfetzung mit
dem Judaismus), die Miffionsweife des Paulus, Paulus als
Organifator der Gemeinden, Theologie und Frömmigkeit
des Paulus. Dankenswert ift ein fehr genaues Regifler.

Diefe teils chronologifche, teils fachliche Anordnung
bewährt fich durchaus: man bekommt ein klares Bild
Sowohl von Pauli Lebensgang wie von feiner Art und
Bedeutung (vermißt wird höchstens eine kurze Skizze
der menschlichen Perfönlichkeit Pauli — 2 Kor. Phil.).
Des Verfaffers Zutrauen zu den Quellen ift vielleicht
etwas zu groß (,Bedenken kann man höchstens dem
Ephefer- und dem2.Theffalonicherbrief gegenüberhaben');
die Benutzung der Quellen ift vorfichtig und forgfältig.
Von gewagten Aufstellungen hält K. fich fern: die füd-
galatifche Hypothefe und die Verlegung von acta 13 f.
nach acta 15 (die großen Reifen weftwärts nach dem
Streit mit Petrus) können doch nicht als gewagt gelten
und werden ausdrücklich als Vermutung bezeichnet. Sonft
hält fich K. in der Chronologie, trotz Schwartz, an die
Tradition: für den Amtswechfel des Felix und Feftus ift
■ihm das Jahr 60 das wahrscheinlichste.

Außer dem fchon Erwähnten notiere ich noch folgende
Einzelheiten, die den Theologen interefüeren:
Rom. 16 nach Ephefus gerichtet (S. 40); Zweite Gefangenfchaft
Pauli (Miffion in Spanien) wahrfcheinlich (S. 46);
die Judaiften im 2. Kor.-Brief identifch mit den Chrittus-
leuten aus 1 Kor. (S. 58); die 4 Kapitel-Theorie (zu 2 Kor.)
,fehr wohl möglich'; nicht Jefum fondern Chrütum (vgl.
Joh. Weiß) hat Paulus verkündigt (S. 75); die reale Bedeutung
von Taufe und Abendmahl, als wirklichen Sakramenten
, ift ziemlich Stark betont (S. 111 f.). Die Darstellung
der paulinifchen Theologie und Frömmigkeit ift
durch befonnenes Urteil ausgezeichnet. Nur ift nach
meinem Gefühl die Rechtfertigungslehre (Opfer, Stellvertretung
) zu hoch gewertet und die pneumatifche Erlöfungs-
lehre zu gering. Auch dürften die großen Gegenfätze in
! Pauli Denken und Empfinden (Sünde von Adam, und
! aus dem Fleifch; gegenwärtige Gerechtigkeit aus Gnade,
zukünftiges Gericht nach Werken etc.) noch Stärker hervorgehoben
werden.

Die Darftellungsform zeigt die ruhige folide, wenn
auch etwas nüchterne, Sachlichkeit, die einem verständigen
Lefer das wohltuende Gefühl Sicherer Führung gibt. So
wird das Büchlein feinem Zweck, die Laien knapp zu
unterrichten, vortrefflich dienen —. S. 96. Z. 10 v. u. lies
,Ehrenname' (latt .Ehrenmann'.

Frankfurt a. M. Schulter.

Scott, Robert, M. A., D.D., The Pauline Epistles. A critical
study. (The Literature of the New Testament.) Edinburgh
, T. & T. Clark 1909. (V, 376 p.) gr. 8° s. 6 —

Von den unter dem Namen des Paulus gehenden
Briefen find nur die beiden an die Korinther (außer I,
3, i6f. 15,20—34. 16,13—18. II, 6,14—7,1. 13,11 — 14),
Römer 1 —11. 16,1 — 16. 21—24, Galater, Philipper (und
zwar in diefer Reihenfolge) von ihm gefchrieben. Der
Ephefer-, Hebräer-und I. Petrusbrief, I. Theff. 4f., II, if.,
Römer I2f. 15, I. Kor. 3, i6f. 15,20—34. 16,13—18, II,
6,14—7, 1, das Matthäusevangelium in feiner gegenwärtigen
Form und vielleicht einige Abfchnitte in der Apoftel-
gefchichte (die Reden des Petrus, das Gebet 4,24ST. und
einzelne Ausdrücke) Stammen von Silas; I. Theff. 1—3,
II, 3, derKoloffer- und Philemonbrief, wahrfcheinlich auch