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Ausgabe:

1909 Nr. 25

Spalte:

691-692

Autor/Hrsg.:

Baumgarten, Otto

Titel/Untertitel:

Neue Bahnen 1909

Rezensent:

Schuster, Hermann

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 25.

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nismen in ihrer zeitlich begrenzten Aufgabe, die des
Menfchen in feinem unfterblichen Geifte. Der Menfch
vermag mit feinem Geifte, was nichts Sinnenfälliges
außer ihm: Er vermag die ins Unendliche fich ausdehnende
Wirklichkeit in fich wie in einem Brennpunkte
zu vereinigen und kraftvoll zu einem verftändnisvollen
Weltbilde zu vervollftändigen' (S. 135). Aber wichtiger
als einzelne zutreffende Bemerkungen und glückliche
Gedanken ift es, daß hier der ernft zu nehmende Ver-
fuch gemacht wird, den Monismus von einer gefchloffenen
Weltanfchauung aus zu begreifen und zu überwinden.
Osnabrück. Rolffs.

Apel, Dr. Max, Kommentar zu Kants „Prolegomena". Eine
Einführung in die kritifche Philofophie. I. Die Grundprobleme
der Erkenntnistheorie. Berlin-Schöneberg,
Buchverlag der „Hilfe" 1908. (II, VI, 224 S.) 8°

M. 2.50; geb. M. 3 —

Der Verf. diefer Schrift geht mit Recht von der
Annahme aus, daß Kants eigene populäre Darftellung
feiner Erkenntniskritik in den ,Prolegomena zu einer
jeden künftigen Metaphyfik' zur Einführung in feine
Philofophie und damit in das philofophifche Denken überhaupt
befonders geeignet fei. Immerhin find die fachlichen
Schwierigkeiten noch groß genug, um das Er-
fcheinen eines Kommentars zu diefer Schrift als durchaus
gerechtfertigt erfcheinen zu laffen, zumal da bei einer
gründlichen Vertiefung in die Prolegomena eine nicht
allzufpärliche Berückfichtigung des fchwierigen Hauptwerkes
, der Kritik der reinen Vernunft nicht zu umgehen ift.

Der Verf. hat denn auch die Kritik der reinen Vernunft
vielfach beigezogen und damit eine Einführung
in das Verftändnis der Kantifchen Philofophie an der
Hand der Quellen geliefert, wie fie bisher nicht vorlag.
Seine Darftellung hält wirklich glücklich ,die Mitte'
,zwifchen dem ein unermeßliches Material darbietenden
Kommentar Vaihingers und dem fich wefentlich auf
eine erläuternde, nicht leicht verftändliche Zufammen-
ziehung der Leitgedanken befchränkenden Kommentar
Cohens' (IV). Dabei ift befonderer Nachdruck gelegt
auf die Zurückweifung weitverbreiteter irriger Auffaffungen
Kants und die Literatur über Kant vielfach berückfichtigt.
Mit Recht befchränkt fich der Verf. nicht auf eine Re-
giftrierung der Anflehten Kants, fondern fetzt fie in
Beziehung zu der Auffaffung der Dinge, wie fie dem
Gegenwartsmenfchen naheliegen, und belebt damit die
Abdraktionen des Erkenntniskritikers durch das Intereffe
an konkreten wiffenfehaftlichen Fragen.

Sachlich wird auf diefem ftrittigen Gebiete wohl
jeder fachmännifche Lefer des Buches wieder andere
Bedenken haben; er wird aber zugeftehen müffen, daß
der Kommentar nicht bloß über den Sinn des Textes,
fondern auch über die Tragweite und den neueren Stand
der Probleme fachverftändig und eingehend orientiert.
Man lefe z. ß. die Ausführungen über Hume (S. 9ff), die
analytifchen Urteile (S. 44ff.), den Unterfchied zwifchen
a priori und angeboren (S. 53 ff), das Problem der Nicht-
Euklidifchen Geometrie (S. 115 ff.), Kant und Berkeley
(S. 139fr.), das Verhältnis des Allgemeingiltigen zum
Objektiven (S. 184), das Ding an fich (S. 2o8f).

Diefem I. Teil des Kommentars, der die Probleme
der Erkenntnistheorie behandelt, foll ein II. Teil folgen,
der die Probleme der Metaphyfik betrifft. Der bis jetzt
erfchienene Teil läßt für das ganze Werk das Bede hoffen.
Dresden. Th. Elfenhans.

Baumgarten, Prof. D. O., Neue Bahnen. Der Unterricht
in der chridlichen Religion im Geift der modernen
Theologie. Zweite, erweiterte Auflage. Tübingen,
J. C. B. Mohr 1909. (IV, 135 S.) gr. 8° M. 1.40;

geb. M. 2 —

Nachdem von der erften Auflage diefes Büchleins

in wenigen Jahren 7000 Exemplare verkauft waren, darf
die zweite erweiterte Ausgabe nicht ohne ein Wort der
Empfehlung in der Theologifchen Literaturzeitung bleiben.
Für den nämlich, der fich in der Kürze über Aufgaben
und Richtlinien des Unterrichts in der chriftlichen Religion
im Geift der modernen Theologie unterrichten will,
ohne mit der Technik des Unterrichts und der Fülle
der Literatur beladet zu werden, wüßte ich kein Buch,
das dem Baumgartenfchen gleich käme. B. faßt die Aufgabe
fo weit als möglich: beginnt mit der Mutterfchule,
ja den Pdichten der Eltern, die vor der Entdehung des
Kindes liegen, und endet nicht etwa mit Konfirmanden-
unterricht und Konfirmation, auch nicht mit dem Fortbildungsunterricht
der Jugendlichen, fondern mit dem
Unterricht der Erwachfenen (in Predigt, Vorträgen, Bibelauslegung
und religiöfer Literatur). Er berückfichtigt alle
Schichten des Volkes; natürlich redet er am meiden von
Schule und Kirche und der Verforgung der Gebildeten,
weil hierfür am meiden gearbeitet wird; aber feine Sorge
und Liebe wendet fich mindedens ebenfofehr den Arbeitern
und Bauern zu. Nie verliert er das eine große
Ziel: Erweckung der Gefinnung Jefu und der perfönlichen
Gemeinfchaft mit Gott aus dem Auge; aber die Weisheit,
die aus Wirklichkeitsfinn und Erfahrung dämmt, läßt ihn
unterfcheiden, was mit den einzelnen Altern und Ständen
zu erreichen id, und lehrt ihn die Geduld, die, nicht
ohne fchmerzliche Refignation, auf Gott wartet und hofft
(Probleme der Verforgung unferer fchulentlaffenen Jugend,
Wiedergewinnung der fozialdemokratifchen Arbeiterwelt).
Erfrifchend id die Entfchiedenheit, mit der hier die moderne
Theologie religiös für den Unterricht verwertet
wird; aber mindedens ebenfo herzerfreuend id die Zurückhaltung
am rechten Ort (z. B. die Unbefangenheit
in der Wunderfrage beim Kinderunterricht), die detige
Weitherzigkeit und die liebevolle Rückficht auf andersartige
Frömmigkeit, die fich mit jener grundfätzlichen
Entfchiedenheit paart.

Ich verzichte darauf, einzelne Bedenken zu notieren,
und fkizziere nur noch den Gedankengang der Unter-
fuchung. I. Kritifcher Teil: a) die Anklagen der Pädagogik
, b) die Anklagen des Wahrheitsfinnes gegen den
traditionellen Unterricht. II. Pofitiver Teil: Der notwendige
Inhalt des Unterrichts a) das Wefen des
Chridentums (darke Betonung von Sünde und Gnade als
der tiefden und reifden chridlichen Erfahrung), b) die
Konfequenzen (Askefe, foziale Frage, Recht und Staat,
Kultur und Bildung). III. Methodifcher Teil: Verteilung
des Stoffes auf die Stufen der Entwicke-
lung: a) Mutterunterricht, b) Schulunterricht, c) Konfirmandenunterricht
, d)der religiöfe Fortbildungsunterricht,
e) der Unterricht der Erwachfenen. Endlich (ein Zufatz
diefer Neuauflage!) IV. Organifatorifcher Teil: Die
Bedellung der Lehrperfonen a) Staat und Kirche in
ihrem Verhältnis zum Religionsunterricht, b) der Religionslehrer
an Volksfchulen, c) an höheren Schulen. — Ein
Anhang bringt eine Erziehungspredigt, in der die reli-
giöfen Motive der Reformwünfche noch einmal voll
ausklingen follen.

Frankfurt a. M. Schuder.

Programm der Haager Gelelllchaft zur Verteidigung der chriftlichen
Religion.

Folgende Fragen werden vom Vordande ausgefchrie-

ben:

I. Zur Beantwortung vor dem 15. Dezember 1910: „Eine
Auseinandersetzung der wichtigsten im 19. Jahrhundert
vorgetragenen Theorien über das Wesen und den Grund
des religiösen Glaubens".

II. Zur Beantwortung vor dem 15. Dezember 1911: „Die
Bedeutung von De Labadie und des Labadismus".

Die näheren Bedingungen über die Preisbewerbung
find durch den Schriftführer der Gefellfchaft zu erhalten.