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Ausgabe:

1909 Nr. 25

Spalte:

689-691

Autor/Hrsg.:

Engert, Jospeh

Titel/Untertitel:

Der naturalistische Monismus Haeckels 1909

Rezensent:

Rolffs, Ernst

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 25.

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Abficht, ,über die chriftliche Stellung diefes modern-
theologifchen Vortrags zu beruhigen' (18), macht dem
irenifch fühlenden Gemüt Th.s alle Ehre, fie ruft aber
in dem Fernerftehenden eine wachfende Verftimmung
hervor. Das gefliffentliche Hervorkehren der chriftlichen
Ausfagen zur Depotenzierung der radikal klingenden

getifchen Problems, das für den Katholiken durch den
Namen Schell bezeichnet ift, kommt nicht zur Geltung,
weil Brander darauf verzichtet, von einer felbftändigen
gefchloffenen Weltanfchauung aus den Kampf gegen
den Monismus zu führen. Sein Verfahren ift mehr das
eines Advokaten als eines Philofophen.

Sätze, die alles zum beften wendende Exegefe der ein- Dem gegenüber ftellt fich die Schrift von Engert
zelnenWorte, denen der freundliche Anwalt einen mög- j durch ihre wiffenfchaftliche Gründlichkeit, ihre ge-
lichft verföhnenden Sinn abzugewinnen fich bemüht, , fchloffene Beweisführung, ihre vornehme Polemik und ihre
fällt fchließlich fo fehr auf die Nerven, daß man auf j ausgezeichnete Diktion den beften Leiftungen proteftan-
den Verf. ordentlich böfe werden möchte, der die Ver- tifcher Apologetik im Kampf gegen den Monismus an
tretung eines wichtigen und fruchtbaren Gedankens mit j die Seite. Dem Andenken Hermann Schells gewidmet, ift
dem uns viel weniger intereffierenden Verfuch verquickt j fie ein würdiges Denkmal für diefe edle und fympathifche
hat, die Unfchädlichkeit der antikirchlichen Polemik Perfönlichkeit. Ihr Verfaffer hat feines Geiftes mehr als
feines Schutzbefohlenen in das hellfte Licht zu rücken. I einen Hauch verfpürt. Er vermag der modernen Natur-
Es fleht daher zu erwarten, daß die hochherzigen Ver- wiffenfchaft, die zum Monismus geführt hat, wirklich
mittlungsbeftrebungen des Verf.s nicht ganz die erhoffte ] gerecht zu werden. Ja, man möchte beinahe fagen: er
Wirkung erzielen werden: man wird feinem hiftorifchen ; ift allzu gerecht, wenn er Haeckel mit den Worten cha-
und religiöfen Feingefühl die gebührende Anerkennung ; rakterifiert: .Selbft erfolgreich als Naturforfcher tätig und
zollen, dagegen aber über den Verdacht nicht wegkom- mit einer immenfen Arbeitskraft für fein Lebenswerk,
men, daß der fo eifrig verteidigte Vortragende am Ende I die Protiftenforfchung, wirkend, ift er auch ein tiefer
doch ein eufantierriö/e der,modernen Theologie' fein könnte, und wahrhaftiger Denker, ein philofophifcher Charakter-
Straßburg i. E. P. Lobftein. köpf (S. 9). Er rechnet es ihm als Verdienft an, ,in

--:-—-zr- —.—z,—;— —----7. einer Zeit philofophifcher Ode die Spekulation wieder

Brander, Vitus, Der naturali.ti.che Mon.smus der Neitzert zu Ehren g%btSLCh( zu haben für die ireife der Natur.

oder HaeckelsWeltanlchauung fyftemattfch dargelegt und , forfcher' (S. 12). Ob diefes Verdienft nicht dadurch

kritifch beleuchtet. Paderborn, F. Schöningh 1907. mehr als paralyfiert wird, daß er in andern Kreifen die

(VIII 350 S.) gr. 8° M. 7— Spekulation, wenigftens die naturphilofophifche, auf das

. ' T ' . „ ...... . ,. . ui. ftärkfte diskreditiert hat? Jedenfalls verrät diefe Über-

Engert, Dr. Jofeph, Der naturaliftifche Monismus Haeckels, fchatzung Haeckels ein anerkennenswertes Streben, dem

auf feine wiffenfchaftliche Haltbarkeit geprüft. Ge- Gegner Gerechtigkeit widerfahren zu laffen; um fo

krönte Preisfchrift. (Theologifche Studien der Leo- auffallender ift es, daß Engert der modernen prote-

Gefellfchaft, herausgegeben von A. Ehrhard und ! ftantifchen Theologie nicht gerecht zu werden vermag,

F M. Schindler. 17.) Wien, Mayer & Co. 1907. f°nde"} 'tV?nen um ?arn^fk' die Anfchauung imputiert:

' c. on ar >^er Glaube, auch des Chnftentums, ift etwas Unver-

(XV, 352 S.) gr. 8» M. 4.50 : Kindliches, die So nn- und Fefttagsflimmung des Lebens,

Beide Schriften find von der Würzburger Theologen- aber keine Verpflichtung, keine Wahrheit im erkenntnis-

fakultät preisgekrönt. Das ift nur zu verftehen, wenn theoretifchen Sinn, die mit der Wiffenfchaft auf gleicher

für die Beurteilung verfchiedene Gefichtspunkte maß- 1 Walftatt kämpft' (S. 302). Offenbar fleht er mit Haeckel

gebend gewefen find. Denn wiffenfchaftlich find beide auf dem Boden derfelben Erkenntnistheorie, während er

Schriften von fehr verfchiedenem Wert. Branders Schrift
ift eine gefchickte Scherenarbeit. Sie befteht zu min-
deftens drei Vierteln aus Zitaten und verfährt nach der
auch auf proteftantifcher Seite vielfach geübten Methode,

von der modernen proteftantifchen Theologie durch
deren Kantifche Grundlagen gefchieden ift. Er bewegt
fich in den Gedankengängen des mittelalterlichen
Realismus: aus der Wirklichkeit der Dinge fchließt er

die einzelnen Pofitionen des Monismus durch markante : auf die Notwendigkeit der Ideen, die für ihn mit den
Äußerungen feiner hervorragendften Vertreter — neben 1 allgemeinen Begriffen identifch find; ,die Pflanze ift die
Haeckel wird in diefem Falle befonders Büchner her- Idee des Baumes und als folche objektiv notwendig'; die
angezogen — zu charakterifieren, um ihn dann durch 1 Notwendigkeit aber muß gedacht werden; fonft ift fie
Ausfprüche naturwiffenfchaftlicher und philofophifcher | nicht. Von diefen Prämiffen aus vollzieht er den Schluß
Auktoritäten wie Wigand, Reinke, Wasmann, von Baer, i auf ,ein überweltliches Denken und Wollen'. Diefelbe
Chwolfon, Eucken, Adickes, Paulfen u. a. zu widerlegen. Art zu fchließen findet fich bei Haeckel; er folgert aus
Dadurch ift ein recht intereflantes und populäres Buch i dem Dafein der Dinge die Notwendigkeit befeelter Atome
entftanden, das nur in einzelnen Partien, in denen es j und faßt diefe in der Einheit feines angeblich fpino-
fich zu fehr in naturwiffenfchaftliche Einzelheiten verliert, ; ziltifchen Subftanzbegriffes zufammen. In der metaweniger
gut lesbar ift. Als felbftändige wiffenfchaftliche i phyfifchen Methode fleht alfo der Katholik' dem Mo-
Leiftung kann es dagegen nicht in Betracht kommen, j niften näher als dem kantifch gefchulten Proteftanten.
Es vermittelt weder ein wirkliches Verftändnis für die 1 Diefen werden daher die beiden letzten Kapitel, in denen
wiffenfchaftlichen Motive und das relative Recht des ,die Probleme der Kosmologie' und ,das religiöfe ProMonismus
, noch gewährt es einen klaren Einblick in j blem' behandelt werden, am wenigften befriedigen, fo
die Anfchauungen und Abfichten feiner Gegner, deren , manche treffliche Bemerkungen fich auch im einzelnen
Behauptungen aus dem Zufammenhang geriffen und da- | darin finden. Dagegen kann man den Ausführungen des
mit von ihren Vorausfetzungen losgelöft werden. Daß j erften Kapitels über ,die Probleme des Naturlebens', das in
hinter ihnen nicht die katholifche, fondern eine Weltan- eine Kritik der Entwicklungslehre ausmündet (mit dem
fchauung liegt, die ebenfo antikatholifch ift wie die ; Ergebnis, daß was Haeckel unter Entwicklung verlieht,
Haeckels, darüber werden die Lefer nicht aufgeklärt; eigentlich nur eine Summation phyfikalifch-chemifcher
den allermeiften wird das auch nicht durch die Zuftim- j Vorgänge fei ohne Zweck und planvolle Einheit), weit-
mung Branders zu Haeckels Polemik gegen Kant oder I gehende Zuftimmung nicht vertagen. Ebenfo wird man
durch die gelegentliche fälfchliche Bezeichnung Adickes' i den Ertrag des zweiten Kapitels, das die pfychifchen Proais
,Moniften' zum Bewußtfein kommen. Sie werden ; bleme behandelt, fich gern aneignen, wie er in dem Satze
vielmehr den Eindruck erhalten, als ob in der Verur- '. formuliert ift: ,Die Erde ift durch die Weltanfchauung
teilung der moniltifchen Thefen durch moderne Natur- des Kopernikus klein, die organifche Welt durch Darwin
forfcher und Philofophen zugleich eine Rechtfertigung minderwertig geworden, der Menfch nicht. Denn die
des kathohfchen Dualismus läge. Der Ernft des apolo- Größe der Erde liegt in ihrer Stoffmaffe, die der Orga-