Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1909 Nr. 25

Spalte:

677-678

Autor/Hrsg.:

Riggenbach, Eduard

Titel/Untertitel:

Bibelglaube und Bibelforschung 1909

Rezensent:

Lobstein, Paul

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

6/7

Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 25.

678

Riggenbach, Prof. D. Eduard, Bibelglaube und Bibelfor- binen, die auf die Bewährung der Gefinnung im Werke

fchunq. Vorträge und Abhandlungen. Neukirchen, Kreis drangen, und der Apoftel befände (ich überdies in voll-

0 „ , , ,, . t- • u • rr kommenem Widerfpruch mit fich felbft. Der Glaube ift

Mors Buchhandlung des Erziehungsvereins (1909). (V, ' , • 1 a r j n u •

lYiui», uuvuuoi i& & v y~j>i i ,nm f0 wenig eine Leiftung an Gott, daß er ihn viel-

147 S.) gr. 8 M. 2 mehr als eine Wirkung Gottes und ein Gefchenk der

Diefe Schrift enthält neun Vorträge und Abhand- Gnade hinftellt' (S. 122—23). — Der erfte Auffatz über

lungen, die zum Teil fchon früher feparat erfchienen oder /Theologie und Gemeindeglaube' (S. 1—19) ift für

in Zeitfchriften veröffentlicht worden find. Sie behandeln gebildete Laien und für Theologen gleich lehrreich

in ^emeinverftändlicher Sprache einige Probleme, die dem und wichtig. Man mag vielleicht über einzelne Formu-

Verf. befonders wichtig und intereffant fchienen. Abge- lierungen mit dem Verf. rechten, die Grundgedanken

fehen von dem erftenStück (Theologie und Gemeinde- und die Gefamtauffaffung, die er vorträgt, dürften fchwer-

glaube S. 1—19), und von dem zweiten, einer Bibelfeffrede lieh auf Widerfpruch flößen: feine Äußerungen über die

über ,den Schatz im irdenen Gefäß' (S. 29—31), be- Bedeutung, welche die Theologie für den Glauben und

fleht das Büchlein aus Beiträgen zur neuteftamentlichen der Glaube für die Theologie hat, über die Gefahren,

Einleitung und Theologie. Sie zeichnen fich fämtlich j welche beide bedrohen, find in jeder Beziehung zu be-

durch ihre konfervativ apologetifche Haltung aus, die fich herzigen — ,zwar wards fchon oft gefprochen, doch

indeffen nirgends durch unangenehme Zudringlichkeit fpricht mans nie zu oft'. — Den Titel feiner Schrift

oder verletzende Polemik bemerkbar macht. Freilich rechtfertigt R. in einfacher und einleuchtender Weife,

wird durch die Behandlung der hier erörterten Probleme ,Wenn ich von Bibelglaube rede, fo gefchieht das nicht

die Wiffenfchaft in keiner Weife gefördert. Die Be- in der Meinung, als ob die Bibel eine felbftändige Au-

antwortung der Frage ,Was haben wir am vierten Evan- torität neben Gott oder Chriftus für fich in Anfpruch

gelium?' (68_89) im Sinne der kirchlichen Tradition nehmen könnte. In diefem Falle wäre fie viel eher ein

macht keinen Gefichtspunkt geltend, der nicht fchon j Hindernis als ein Förderungsmittel echten Glaubens. Wir

längft zur Genüge bekannt wäre. Dasfelbe gilt von ! glauben nicht an eine Sache, fondern an den lebendigen

,dem Zeugnis des Apoftels Paulus von der Auferflehung Gott, wie er in Jefus Chriftus fich geoffenbart hat. Vom

jefu' S. (102_116). Die ,hiftorifch-kritifche Studie über Bibelglauben rede ich nur in dem Sinne, daß uns in der

den dritten Tag als Datum der Auferflehung Jefu' Heiligen Schrift das urfprüngliche und maßgebende

lS. 90_101) bringt zwar beachtenswerte Inftanzen zur Be- Zeugnis gefchenkt ift, das uns zum Glauben an Gott in

oründung der vertretenen Pofition, kann aber nicht den Chriftus führen foll. Bei diefer Überzeugung braucht

Anfpruch erheben, der Forfchung neue Bahnen zu weifen, man die Augen nicht vor der Wirklichkeit zu ver-

Die beiden auf den Hebräerbrief fich beziehenden Stücke fchließen, fie ift kein Hemmnis für ernfte Bibelforfchung,

(Melchifedek, der Priefter von Salem S. 32—47), der große fondern ein Antrieb dazu.' Diefen Ernft wird der Lefer

Verföhnungstag der Juden im neuteftamentlichen Zeit- auch da verfpüren, wo er weder der angewandten Me-

alter (S. 49—67), enthalten einige wertvolle Notizen über thode, noch den erzielten Refultaten zuzuftimmen vermag,

die philonifche oder altchriftliche Deutung der alt- Straßburg i. E. P Lobftein.

teftamentlichen Geftalten und Inftitutionen; ihre pofitiven ___'

Ausführungen bewegen fich aber in den durch die Tradition
fehlgetretenen Geleifen. Den Schluß bildet eine Sharman, Henry Burton, Ph. D., The Teaching Of Jesus about
,exegetifche und paftoral-theologifche Skizze' über den the Future aecording to the synoptic gospels. Chicago
Dienft des neuen Hundes nach 2 Kor. 2, 12-6, 10. The University of Chicago Press 1909. (XIV, 382 p)
Am meiften fühlte fich Ref. durch zwei Beitrage ange- g0 * v J JF'1
fprochen. In dem bei der zweiten Tagung des reformierten I3s-6d.
Bundes für Deutfchland gehaltenen Vortrag über ,die Lehre Von der Erkenntnis ausgehend, daß die religiöfe
von der Rechtfertigung aus dem Glauben im Kampfe der Erziehung während des fchulpflichtigen Alters nicht
Gegenwart' (S. 117—131) formuliert R. den religiöfen vollendet und auch von den zugleich für Erwachfene
Kern des paulinifchen Gedankens fehr zutreffend in beftimmten Sonntagsfchulen, wie fie im allgemeinen jetzt
dem Satz, ,daß das Verhältnis des Gläubigen zu Gott noch find, nicht geleiftet werden kann, laffen die ameri-
nicht mehr durch fein eigenes, wechfelndes Verhalten kanifchen Colleges und Univerfitäten für ihre Studierenden
beftimmt, fondern durch eine Gnadentat Gottes für immer aller Fakultäten Vorlefungen über die Bibel (natürlich
ficher geftellt ift' (S. 120). Nicht einwandfrei dürfte die nach der englifchen Überfetzung) halten. Teils gefchieht
Unterfuchung über die Entftehungsgründe diefer Lehre das durch die fonfligen theologifchen Profefforen, teils
fein, unter welchen dem eigenen Zeugnis des Herrn von find dafür befondere Dozenten angeftellt. An der Uni-
dem Heilswert feines Todes eine durch die evangelifchen verfität Chicago vertritt Dr. Sharman in diefer Weife
Quellen, vor allem durch die Stellung des Paulus felbft die neuteftamentlichen Fächer, zugleich aber erweift er
fchwer zu rechtfertigende Bedeutung zugefchrieben wird, fich in der vorliegenden Arbeit als ein mit der wiffen-
Immerhin ift der Nachweis, daß der Rechtfertigungsge- fchaftlichen Forfchung durchaus vertrauter Theolog.
danke zu dem wefentlichen Gehalt des paulinifchen Evan- Das Buch ift außerordentlich forgfältig und gewiffen-
geliums gehört, keineswegs eine von feinen Gegnern ihm haft gearbeitet. Die fynoptifchen Ausfagen (Johannes
aufgezwungene ,Kampflehre', ,eine feiner unglücklichften fcheidet ftillfchweigend aus) werden nicht ohne weiteres
Schöpfungen' fei, m. E. in mancher Hinficht gelungen, zur Darftellung der Lehre Jefu verwendet, fondern vorher
Wie die Auffaffung Wredes, fo erfahrt auch die durch auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft. Zu diefem Zweck geht
den vulgären Proteftantismus der fcholaftifchen Ortho- Sh. auf die Quellen der Synoptiker zurück, ohne fie doch
doxie gegebene Deutung eine wohlbegründete Wider- fofort für gefchichtlich zu halten. Er betont vielmehr
legung. Der paulinifche Gegenfatz von Glauben und wiederholt, daß gerade diefe eschatologifchen Ausfagen
Werken ,kann die Vorftellung erwecken, als ob Paulus i fich fehr leicht und fehr früh verändern konnten. All
den Glauben ebenfalls als eine, wenn auch noch fo ge- '. das find große Vorzüge des Buchs, die es in methodi-
ringe Leiftung an Gott betrachte. Weil der Menfch '. fcher Beziehung als eine Mufterleiftung erfcheinen laffen
nicht im (lande fei, die Forderungen des Gefetzes zu würden, auch wenn feine Refultate z. T. unhaltbar wären,
erfüllen, fo begnüge fich Gott mit dem Glauben, den ; Die von Sh. im allgemeinen befolgte fynoptifche
der Menfch bei gutem Willen ficher zu erfchwingen ver- i Theorie ift die von Burton in der Feftfchrift zum' zehnmöge
. Der göttliche Anfpruch fei auf ein Minimum ; jährigen Jubiläum der Univerfität Chicago (First Seiles
herabgefetzt. Hätte Paulus das wirklich gelehrt, fo V, 5) u. d. T.: Some Principles of Literary Criticism and
wäre feine Verkündigung fchlechter als die der Rab- Their Application to the Synoptic Problem entwickelte,

**