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Ausgabe:

1909 Nr. 23

Spalte:

637-640

Autor/Hrsg.:

Lepp, Friedrich

Titel/Untertitel:

Schlagwörter des Reformationszeitalters 1909

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 23.

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Einkünften und Anfehen gering anfchlägt (S. 8, 14, 16, I eben damit feinen Charakter als klaffifches Zeitalter des
33, 34). Das Merkwürdigße ift, daß Krebs in dem Ab- religiöfen Geiftes beweift. Lepp hat die einfchlagende
bruch des Briefwechfels mit Melanchthon nach deffen Literatur der Reformatoren und ihrer Gegner bis auf
letztem Schreiben von 13. Juli 1549 ,menfchliche Unbe- Nas und Scherer herab fleißig benützt und namentlich
ftändigkeit und Launenhaftigkeit' fleht (S. 63), ohne zu auch die Flugfchriften herangezogen. Aber die Fülle der
ahnen, daß Melanchthons Haltung in der Interimsfrage ; Schlagwörter ift mit dem von Lepp gebotenen Material
den charakterfeften Mann abflößen mußte, was Albert j noch lange nicht erfchöpft. So wäre S. 62ff. auch der
auch überfehen hat. j von Luther geprägte Begriff .Herodistae', ,herodifch' zu

Diefer zeigt zuerft die fchwierigen Verhandlungen | berückfichtigen, vgl. Stud. u. Krit. 1897, 320, dann .Baaliten',
der Gebrüder von Einfiedel mit Herzog Georg, der mit .Meßknechte' bei Melhofer. Sehr fruchtbar ift der Kampf
Gewalt jede evangelifche Regung auch bei feinen Lehens- ! der Flacianer gegen ihre Gegner. Befonders ftark in der
leuten unterdrücken will, und die eifrige Beratung der j Bildung von Schimpfnamen für die Gegner ift Chriftoph
Brüder mit Luther und Spalatin, wie mit ihren Freunden j Irenäus mit feiner Unmenge von Schriften und fein
von Adel, und teilt bisher unbekannte Stücke aus diefem j Nachbeter, der Orlacher Pfarrer Wernler, Theol. Stud. a.
Briefwechfel mit. Wir blicken in die ernften Gewiffens- j Württb. 2, 226. Hier verdiente der Begriff .. Accidenzer"
kämpfe, welche aus dem Verhältnis zum katholifchen Ober- ; befondere Berückfichtigung, der in Wernlers Predigten
herrn, zum Kaifer und den Fürften entftanden, und lernen j oft wiederkehrte, und den feine Bauern mit Achtzehn-
den Mut ehren, der felbß zu dem Verkauf der ange- Tenzer(!) deuteten. Im Kampf gegen die Gegenrefor-
ftammten Güter bereit war, um die evangelifche Über- 1 matoren find die Schriften des letzten Schülers Luthers,
zeugung zu wahren. Jak- Heerbrands, beachtenswert.

Lebhaftes Intereffe verdient die Stellung des in Intereffant ift die Benützung der von evangelifcher

feinem Gewiffen ängftlich gewordenen Grundherrn zur Seite gemünzten Schlagwörter durch ihre Gegner, welche
fozialen Frage der ^Fronen und der Rat Luthers und fie zurückgeben, aber auch umbiegen. Ihre eigenen
Spalatins, aber auch das fchöne Schreiben des Gnand- ; Schöpfungen entbehren vielfach der Einfachheit und
fteiner Pfarrers Franz an feinen Patron, der ihm die Auf- Verßändlichkeit, z. B. Prächtigkautzen, entftanden aus
hebung der erft neuerdings und unbillig, vielleicht ohne ! Predigkautzen-Prädikanten, und werden gegen linde des
Kenntnis der Grundherrn von feinen Beamten aufgelegten j Jahrhunderts immer gefuchter und dunkler, z. B. Eigen-
Laßen anempfiehlt. Beachtenswert iß Alberts Schlußwort willion = Euangelion, Coccysmos = Katechismus, und
bei diefem Abfchnitt, wenn er mit Rückfleht auf Melanch- verlieren damit an Kraft und Verwendbarkeit. Verdienß-
thons Schreiben vom 13. Juli 1549 hagt (CR. 7.43Ü: licn ifl der Verflach, den Urfprung und den Umfang der
Jedenfalls iß es ein lehrreiches Beifpiel, wie nicht der Verbreitung, wie die Zeit der Verwendung der einzelnen

Schlagwörter nachzuweifen. Hier gibt es noch vieles zu
tun. Z. B. ,Solengläubler' und die verwandten Schlagwörter
von Jon. Naß im Kampf gegen .sola fidc' haben
ihre Wurzel in Ecks Schriften, deffen Steckenpferd gerade
licher', was man nur durch Tonfur und Chrisma wird - | diefes Stück der evangelifchen Lehre war, wenn er auch
der die Verhältniffe aus eigener Anfchauung kennt, kann , das Wort .Solengläubler' nicht felbß gebildet hat. Bei
beffer fagen, was vor Gott und Menfchen recht iß, als ,Chrißen' wäre auch die fingulare Form als Nachbildung
der begabteße Mann, der nur aus der Rede der Rat- , von Chrißianus beachtenswert. Die Annahme, daß bei
fuchenden von der Sache erfahren'. Die Gewiffenhaftigkeit j .Sophißen' in Verbindung mit träumen der Anklang- an

Mann mit außerordentlicher Begabung mit einem weiten
Blick und einem großen Namen immer der beße Seel-
forger in Gewiffensfragen iß. Ein redlicher Pfarrer, —
Albert braucht den durchaus unevangelifchen Titel ,Geiß-

des Patrons von Gnandßein zeigte fleh auch in dem
Fall von Kirchenzucht gegenüber Gangolf Teurmeißer,
wobei er fchließlich Bedenken bekommt, ob er nicht zu

hart o-egenüber dem trotzigen Verächter chrißlicher Zucht j W. VIII, 235 findet fleh das Wort nicht, fondern deutlich

lat. sopire einfehläfern beabfichtigt fei (S. 80), iß unhaltbar
. Das Wort Sopist iß im Regißer S. 143 zu ßreichen.
Denn in der zum Beweis angeführten Stelle aus Luther

—— - *•> -&------ „

und Ordnung verfahren, und fleh 1549 an Melanchthon
wendet.

Am Schluß gibt Albert eine Zufammenßellung, was
an ref.gefchichtlichen Handfchriften aus dem Archiv
zu Frießnitz durch Großmann in die Ephoralbibliothek
zu Grimma gekommen iß, was noch im Schloßarchiv zu
Frießnitz, und was in dem Gnandßeiner Burgarchiv und
im Haupt-Staatsarchiv zu Dresden vorhanden iß. Wir
fehen jetzt, was gedruckt iß und was verloren gegangen

Sophist. Den Begriff .träumen' aber entnimmt Luther
ficher der Bibelfprache. 5 Mof. 13,2,6. Jer. 23,25—32,
wo die Träume Kennzeichen der falfchen Propheten find.

Da und dort iß Lepp doch zu rafch vorgegangen,
wenn er Begriffe als Schlagwörter faßte, die noch nicht
dazu geworden waren, fo S. 29 Z. 25 fächflfeh, Z. 29
wittenbergifch. Denn Jächfifch' braucht dort kein Gegner
Luthers, fondern Seb. Plofmeißer, der mit dem fächfifchen
Sieg Ecks nichts anders als deffen angeblichen Sieg in

iß Dazu 'gibt er eine große Menge Berichtigungen zu Leipzig meint. Ebenfo verßeht Eberlin an der Z. 29
den bis jetzt gedruckten Texten. Er weiß auch nach, j angezogenen Stelle unter den .Wittenbergifchen' niemand
daß der Brief CR. 2 605 in das Jahr 1546 gehört (S. 46). anders als die evangelifch geflnnten Lehrer, die er in
— Der herzoglich fächflfehe Kanzler Simon heißt richtiger ; Wittenberg kennen lernte. Sächfifch und Wittenbergifch

Pißoris, nicht Pißorius (S. 18, 72. IOI), der Augsburger
Reichstags-Abfchied iß vom 19. Nov. 1530, nicht von 1531
(S. 44, 107). S. 12 iß die Bemerkung zweifelhaft, daß der
neue Pfarrer zu Gnandßein 1526 deutfeh zu predigen
anfing. Man wird wohl auf dem Dorf nie lateinßch
gepredigt haben. Es wird fleh um deutfehe Taufe und
Meffe handeln.

find alfo hier in eigentlichem Sinn zu faffen. Die Korrektur
dürfte da und dort forgfältiger fein. Vgl z B
S. 36 Z. 7, S. si, Z. 28, S. 58, Z. 18, S. 83, Z. 17, S. 87, Z. 9'.

(X. Band:) Neukirch, Dr. Albert, Der niederlächfifche Kreis
und die Kreisverfalfung bis 1542. 1909. (XI, 226 S.)

M. 7 —

„ ,ni t- • , ■ , ~ . 1 ■• i„ a„» D^nrmatinns- Während die bisherigen Stücke der von G. Berbi"

(VIII. Band:) Lepp, Friedrich, Schlagworter des Reformation«1 he benen Quelltjj und Darßellungen aus d ?

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Zeitalters. 1908. (III, 144 S.) M. 4-5°

Gefchichte des Reformationsjahrhunderts' in unmittelbarer

Bd. VIII. iß ein frifch gefchriebenes Büchlein, das j Beziehung zur Gefchichte der Reformation ßehen und
eine willkommene Sammlung von Schlagwörtern des ; von den Theologen berückflehtigt werden müffen, be-
Reformationszeitalters darbietet. Schlagwörter find die handelt Nr. X ein Stück Profangefchichte, von dem nur
fpitzigen Waffen geißig erregter Zeiten. Keine Zeit aber fehr fpärhehe und dünne Fäden zur Gefchichte der Reiß
reicher daran als das fechzehnte Jahrhundert, das formation hinüber führen, fo daß für den Theologen nur