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Ausgabe:

1909 Nr. 23

Spalte:

636-640

Autor/Hrsg.:

Albert, F. R.

Titel/Untertitel:

Der Briefwechsel Heinrichs von Einsiedel mit Luther, Melanchthon, Spalatin und anderen 1909

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 23.

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durch philofophifche Abftraktion völlig abgetötet'. Hier
fcheint mir ein fehr wichtiger methodifcher Grundfatz
angedeutet zu fein, daß man nämlich keine eigenen Konfe-
quenzen ziehen und nicht zu viel fragen foll. Vielleicht
hätte diefer Grundfatz bei der Erörterung über den
,himmlifchen Menfchen' (hat P. Jefum als Menfchen gedacht
? — wenn er nun das Bedürfnis gar nicht fo fehr
empfunden hat, ihn in eine beftimmte Kategorie einzureihen
?), über die Menfchwerdung Jefu (mit Recht werden
hier die Anfätze der Zweinaturen-Lehre feftgeftellt), und
fein Verhältnis zur Sünde (daß Paulus Jefum als fündlos
geglaubt hat, trotzdem die Repräfentantenidee, z. B.
Rom. 6, IO u. 8, 3, zu anderer Auffaffung drängen müßte,
feilte meiner Meinung nach ganz zweifellos fein) noch
ficherer feftgehalten werden können. Scharffinnig, aber
wohl überfcharffinnig ift der Nachweis, daß nicht nur
Kol. 1, löff. fondern auch 1 Kor. 8,6 nur als bewußte
Beziehung auf die philonifche Logoslehre könne verftanden

ben an fichtbare Heilsfaktoren vermiffen laffen, nur fchein-
bar mit feiner (fpäteren) ftreng kirchlichen Betrachtungsweife
im Widerspruche ftehen, tatfächlich aber diefelbe
ftillfchweigend vorausfetzen. Es ift gewiß zutreffend, daß
Auguftin fich dabei keines Widerfpruches bewußt war;
aber damit ift die Frage felbft noch nicht entfchieden
und dies um fo weniger, als Auguftin auch in anderen
wichtigen Fragen feine Anfchauungen vielfach modifiziert
hat, ohne daß ihm dies immer bewußt geworden wäre.
Es ift darum entfchieden ein Fehler der vorliegenden
Unterfuchung, daß fie nicht genetifch verfährt und das
Refultat der einzelnen Schriften- und Schriftengruppen zu
ermitteln fucht, fondern rein dogmatifch Äußerungen aus
früheren und fpäteren Zeit unterfchiedslos zufammen-
ftellt und dadurch ein klares Bild von dem Werden und
Wachfen der komplizierten auguftinifchen Kirchenlehre
eher erfchwert als erleichtert. Und ebenfo muß es als
ein Fehler bezeichnet werden, daß die Frage nach den

werden. Wichtig fcheint mir der Hinweis auf den nie- j Quellen diefer Lehre kaum geftreift wird, trotzdem fie
ßenden Charakter der Beziehung Chrifti zum Geift: einer- i gerade in einer folchen Schrift eingehendft hätte unter-
feits völlige Gleichfetzung, fo daß es heißt: Der Herr ! fucht werden follen, und daß auch dort, wo die neue

ift der Geift, andererfeits Chriftus perfönlich gefaßt als
eins von vielen Wefen geiftiger Art. Bedeutfam ift auch
der ähnliche Hinweis auf den für antikes Denken (Realismus
der allgemeinen Begriffe!) leichten Ubergang von
perfönlicher zu begrifflicher Auffaffung, fo daß Paulus

Auguftinausgabe hätte benützt werden können, durchgängig
Migne zu Grunde gelegt wird. Sind es auch meift
nur kleinere, für den Sinn kaum in Betracht fallende
Befferungen, die diefe neue Textausgabe an den zitierten
Stellen bringt, fo fehlt es doch auch nicht ganz an erheb-

diefen Chriftus, der fich bald in den Geift, bald in den ] licheren Korrekturen, wie z. B. in S. 96 Anm. r nach
Aöyoc—Weltfeele auflöft, doch mit perfönlicher Liebe und j den neueften Handfchriften fide irrideant ftatt credant und
Hingebung erfaffen kann. auf S. 109 Anm. 3 quae in Ulis ftatt cum Ulis gelefen

3. Aus der nachpaulinifchen Chriftologie mag es ge- ] werden muß. Ferner hätte die akatholifche Literatur
nügen auf 2 Dinge hinzuweifen. 1) Schon der erfte Evan- j entfchieden eine reichere Berückfichtigung verdient,
gelift, Markus, fo gewiß er guten Stoff vom gefchichtlichen während fie nun faft ausfchließlich von Harnack und

Reuter vertreten wird. So befteht der Wert diefes Buches
eben vor allem darin, daß es alle wichtigeren Äußerungen
über die Lehre von der Kirche, die Auguftin während
des mantchäifchen und donatiftifchen Streites getan hat,
in überfichtlicher Weife zufammenftellt und uns fo in
knappen Zügen die grundlegende Bedeutung des großen
Kirchenlehrers für das ganze römifche Kirchenfyftem

Jefus überliefert, fleht perfönlich auf dem Boden einer
(paulinifchen) Chriftologie: Jefus ift ihm der Menfchen-
fohn = Pauli Plimmelsmenfch; und Gottesfohn ift bei
ihm nicht mehr theokratifche, fondern Wefensbezeichnung.
2) So gewiß Johannes mit der Bezeichnung ,Gott4 für
Jefus über Paulus hinausgeht, fo bemüht doch auch er fich,
Jefus als fromm, weil von Gott abhängig (z. B. 4, 34.
5,19), zu zeichnen; und vor allem: feine Theologie ift
ihm Herzensfache.

Ich breche ab. Die Schrift ift voll intereffanter Beobachtungen
und Probleme.

Druckfehler: S. 72 Z. 16 lies 3,18 ftatt 3,28; S. 76
Z. 1 von unten lies 13,55 ftatt 13,15; S. 83 Z. 5 v. u. ift
ftatt .bekämpft' gemeint: .behauptet' oder .verteidigt'.

Frankfurt a. M. Schuft er.

Romeis, D.Lekt.P. Capiftran, O.F.M., Das Heil des Chrilten
außerhalb der wahren Kirche nach der Lehre des hl. Auguftin.

(Forfchungen zur Chriftlichen Literatur- und Dogmen-
gefchichte. Herausgegeben von A. Ehrhard und J. P. I Was Superintendent Albert in Bd. VII. der .Quellen
Kirfch. Achter Band. Viertes Heft.) Paderborn, F. ^J^^^^^^J^^Jt,

veranfchaulicht.

Bremgarten. A. Bruckner.

Quellen und Darftellungen aus der Gefchichte des
Reformationsjahrhunderts.

Herausgegeben von Pfr. Dr. G. Berbig.
VII., VIII. und X. Band. Leipzig, M. Heinfius Nachf.
(VII. Band-.) Albert, Superint. Lic. Dr. F. R., Der Brief-
wechfel Heinrichs von Einfiedel mit Luther, Melanchthon,
Spalatin und anderen. Aus Handfchriften dargeftellt.
1908. (VI, 124 S.) gr. 8° M. 4 —

Schöningh 1908. (VIII, 155 S.) gr. 8° M. 5—

Der gelehrte Franziskaner will in der vorliegenden

gänzungdesBriefwechfels Luthers, Melanchthons, Spalatins
und anderer mit Hein, von Einfiedel, wie ihn Kapp in
der .Kleinen Nachlefe einiger größtenteils noch unge-

Studie die Frage beantworten, wie Auguftin den von ihm i druckterund fonderlich zur Erläuterung der Reformations-
fo entfchieden verfochtenen und in den verfchiedenften i gefchichte nützlicher Urkunden 1724/33' veröffentlicht
Formen wiederholten Satz .Außer der Kirche kein Heil' hatte. Aber zugleich gibt Albert eine Darfteilung des
verftanden und in feiner Lehre zur Geltung gebracht hat. treftlichen Edelmanns und feines Bruders im Verhältnis
Er behandelt den reichen dogmengefchichtlichen Stoff in zum Landesherrn, dem Herzog Georg von Sachfen, zu
4 Kapiteln: Aneignung des Heils innerhalb der Kirche, ! den fronpflichtigen Untertanen und zur Gemeinde und
Gefährdung des Heils durch Trennung von der Kirche, dem Bedürfnis der Kirchenzucht. Dabei hatte er Anlaß
Heilsmöglichkeit außerhalb der Kirche, Duldfamkeit gegen | genug, fich mit Kurt Krebs auseinanderzufetzen, der Her-
Andersgläubige. Sein Material entnimmt Romeis faft ! zog Georg mit feinem Eifer für die katholifche Sache
ausfchließlichden antimanichäifchen und antidonatiftifchen [ in möglichft günftiges Licht rückt und dagegen an Hein.
Streitfchriften Auguftins, zu denen ich auch die entfpre- von Einfiedel mancherlei zu tadeln findet, des Herzogs
chenden Briefe und Predigten Auguftins rechne und gelangt Milde, Nachficht und Geduld preift, dem Edelmann aber
damit zu dem willkommenen Refultat, daß die Lehre Rückfichtslofigkeit und Trotz gegen den Herzog, ja Un-
Auguftins von der Kirche eine durchaus einheitliche und ehrlichkeit vorwirft und felbft in der forgfältigen Auf-
gefchlofiene fei und daß die vereinzelten Worte, die eine bewahrung feiner Brieffchaften Eitelkeit fieht, aber die
univerfaliftifche Betrachtungsweife verraten und den Glau- für feinen evangelifchen Glauben erlittenen Verlufte an