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Ausgabe:

1909 Nr. 23

Spalte:

634-635

Autor/Hrsg.:

Weiß, Johannes

Titel/Untertitel:

Christus. Die Anfänge des Dogmas 1909

Rezensent:

Schuster, Hermann

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 23.

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den Lateiner) eines ins Griechifche überfetzten hebräifchen I find. Hierbei würde fich eine Scheidung zwifchen ledD-
Weisheitsbuches. Dem gegenüber ift die von Codd. 55, lieh griechifchen Gloffen und folchen Zufätzen ergeben,
254, 234 gebotene Lesart dcpopprjv nicht fo ganz verächt- j die aus einem erweiterten hebräifchen Text überfetzt
lieh, zumal Cod. 254 auch fonft wohl allein das Richtige I find. Daneben find jüngere Überfetzungen von Stellen
bietet. Inzwifchen hat Eduard Schwartz (Göttinger Pro- ; nachweisbar, die der Enkel anders wiedergegeben hatte,
gramm zur Preisverteilung 1908, S. 21 f.), der zugleich Von da aus erlt ift die Frage nach der Herkunft der
mehrere andere Stellen des -Prologs ins Reine gebracht inhaltlich fehr merkwürdigen Zufätze zu ftellen, die Hart
hat, d<p6(ioiov einleuchtend in dep onoimv zerlegt, indem hier leichthin zu beantworten fich getraut. Falfch ver-
er dabei evpoSv fpricht und nach dem Syrohexaplaris und j fteht er 18,29 vexpcöv dvxeyea&at ,fich auf tote Dinge

Cod. 106 ov pixpav naiöeiav lieft. Vgl. dazu svpioxeiv
jiatöeiav 51,16. 26 (und die ähnlichen Ausdrücke 6,18;
18,28; 25,9.10; 35,16.17; 51,20), fowie Sfioiog (hier =
Volksgenoffe bezw. Gefinnungsgenoffe) 1-3.15.16; 27,9. —
In den vielerörterten Worten hv jap xeo oyöom xai xpia-
xoöxoj £t££ isti xov Evspyexov ßaöiXtmc xapaysvrjirElg

verlaffen', es heißt ,fich auf Tote (d. h. heidnifche Götter)
verlaffen' (vgl. ?(. 106,28 und z. B. Pirke Aboth 3,3).
27, 24 heißt loyveiv ev xvpico nicht ,to bc streng in Jelw-
vah', fondern ,am Herrn fefthalten' (= 11a piftTfl).

Zum Schluß ergeht Hart fich auf S. 321—370 in
Erörterungen über die Zitate des Clemens' Alex., des

etc Äiyvnxov xai avyypoviOag verlieht Hart avyxpovioaq ' Chryfoftomus, des Antonius Meliffa und des Maximus
mit mir dahin, daß der Enkel bis zum Tode des Euergetes Confeffor, wobei er, von wenigen Einzelheiten abgefehen,
in Ägypten weilte und erft nach feinem Tode den Prolog j nur Bekanntes wiederholt.

fchrieb. Er meint dann aber,, daß er auch fchon beim j Göttingen. Rudolf Smend

Antritt des Euergetes nach Ägypten gekommen fein _

muffe und daß das 38. Jahr nicht das des Euergetes, W.R p- ^ T , ... _. . ...

fondern das des Philadelphias fei, in welchem Philadelphus ! Weiß> 1 rof- D. Johannes Chrif us Die Anfange des
ftarb und Euergetes antrat. Zu diefer erftaunlichen Er- Dogmas. (Religionsgefchichtliche Volksbücher für
klärung gelangt Hart, weil der in Rede flehende Euer- , die deutfehe chriftliche Gegenwart. Herausgegeben
getes nach ferner Meinung Euergetes I. ift, der nur 25 von F. M. Schiele. I. Reihe. [Die Religion des Neuen
Jahre regierte (226-201), nicht Euergetes II deffen j Jeftaments.] 18. u. 19. Heft.) Tübingen, J. C. B. Mohr
Regierungsjahre von 169-117 gezahlt werden konnten J * m r u tvt

und tatfächlich auch gezählt wurden. Hart geht nämlich W (88 S.) 8» M. 1 -; geb. M. 1.30

von der fchon von Hug aufgeftellten Behauptung aus, Diefes Doppelheft, um feines Inhalts willen teilweife

daß unter der Regierung des graufamen Euergetes II. die für Laien etwas fchwierig, wird auch theologifche Lefer
Überfiedelung des Enkels nach Ägypten, fein längerer lebhaft intereffieren. Als Ergänzung zu Bouffets (gefchicht-
Aufenthalt dort und gar die Publikation des griechifchen : lichem) Jefus will es den (dogmatifchen) Chriftus, die An-
Sirach undenkbar fei. Deshalb fetzt er den Prolog bald fange des Dogmas im N. T. befchreiben. Der Stoff ift
nach 221 an, und in das 3. Jahrhundert fomit auch den , dreifach geteilt: 1) die Urgemeinde, 2) Paulus, 3) die Chriflo-
Großvater und die griechifchen Überfetzungen von Gefetz, i logienach Paulus. Ich hebe befonders hervor, was nicht
Propheten und Hagiographen, von denen der Prolog communis opinio ift.

redet. Das heißt wohl auf Spinnewebe Häufer bauen. | 1. ,Der Glaube der erften Jünger (an Jefus als den
In Wahrheit kann der Prolog nur das 38. Regierungsjahr Chriftus) wurzelt nicht bloß in den Oftererlebniffen, er
Euergetes' II. meinen, und fodann ift der Enkel deshalb ! geht hinter Golgatha zurück auf den Eindruck feiner Per-
in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts anzufetzen, ' fönlichkeit'. Für den Glauben an die Erhöhung Jefu zum
weil der Großvater allem Anfchein nach kurz vor dem himmlifchen König werden Parallelen aus fremden Reli-
Ausbruch der fyrifchen Religionsverfolgung fchrieb. Denn [ gionen, bef. der ägyptifchen herangezogen. Der Begriff
es ift kaum denkbar, daß in Judäa die Gefahr der Hei- ,Sohn Gottes' ift in der Urgemeinde noch nicht meta-
lenifierung, gegen die das Buch des Großvaters gerichtet : phyfifch gemeint, feinem Verftändnis dienen vor allem
ift, in gleichem Maße fchon zu Anfang des dritten Jahr- , babylonifche Parallelen. ,In der Anredeform „du bift mein
hünderts beftand, daß fchon damals die Exiftenz der Sohn" (Pf. 2,7) liegt die babylonifche Formel der Adop-
hochpriefterlichen Dynaftie bedroht war, weil fie vom , tion vor'. In den Berichten über Jefu Taufe hat Lukas
Gefetz abgefallen und obendrein in fich uneinig war. im Kodex D mit dem wörtlichen Zitat von Pf. 2,7 das
The Pharisaic reecnsion of the Wisdom of Ben Sira j Urfprüngliche bewahrt: Jefus wird in der Taufe durch
nennt Hart die erweiterte Geftalt des griechifchen Textes, Adoption, eine Jdeelle Zeugung', zum ,Sohn Gottes',
und in diefem Sinne fucht er auf S. 272—320 aus den ,Auch im Stadium der Erhöhung hat die (Ur-)Gemeinde

überfchüffigen Verfen eine in fich einheitliche religiofe
Denkweife zu konfluieren. Von ihrem pharifäifchen
Urfprung ift er freilich felbft nicht recht überzeugt. Er
läßt die Möglichkeit offen, daß diefe Verfe aus dem

Chriftus als Menfchen betrachtet', ,Sie hat die (Daniel!)
Weisfagungenvom himmlifchen Menfchen oder„Menfchen-
fohn" auf ihn bezogen'. ,Es ift aber (auch) nicht zu bezweifeln
, daß fchon in der judenchriftlichen Urgemeinde

acpopoLOV flammen, von dem nach feiner Meinung der der Erhöhte „Herr", „unfer Herr" genannt worden ift'. Be
Prolog redet (S. 318). Wenn er die Pharifäer in jiappno'ia weis 1 Kor. 16, 22 die aramäifche Formel Marana
20,31 angedeutet findet (S. 283), fo ift man geneigt an tha. — Hierzu möchte ich ein Fragezeichen machen und
feinem Ern ft zu zweifeln. Gleicher Art ift es, wenn er i wenigftens feftftellen, daß fall alles, was der Verfaffer

ebenda djtapaixrjxoq mit Pirke Aboth 1,17 OTTan 1 felbft auf 6 Seiten über die Bedeutung des xuotoc-Namens
!-!»2>afi Xbü np5> zufammenbringt (S. 283), oder II, Ii 01 ausfuhrt, mit paulinifchen Stellen belegt wird. Es wäre
IjtayyEliav mumv löiaiv, (das, wie er wohl weiß, profan- alfo, zumal der xuptoc-Name in den Evangelien fo fehr

wcr-hfr, Charakte- I fpärlich auftritt, wohl richtiger gewefen, ihn bei Paulus
griechifch belegt ift), nach einer talmudifchen Lhar ^ . f ^ ^ ^ ^ Möglichkeit, daß er älter

riftik einer Klaffe von Phanlaern erK');" ^ ;^ , ift, hinzuweifen. Recht geklärt fcheint mir fein Aufkommen

Wahrheit verraten die Zufatze, die %l^mJ^f^%us nöch nicht zu fein.

Ausdruck allerdings zuweilen an 1 hl o u™J .'jeice. 2. Bei Paulus ift der Titel .Gottes Sohn' eigentlich

erinnern, nirgendwo fpezififch phania Aber .es ift bezeichnend, daß P. überhaupt

Völlig farblos find z. B. 26 18-27 die ausiu h ^ ^ Bedürfnis empfindet, durch eine Erzählung von

die Wahl einer Frau und v™nf^,^ ; der Schöpfung oder Geburt, d. h. durch das, was die

wert wäre eine eingehende Unterluc^ oe. g Religionswiffenfchaft einen „Mythos" nennt, das Vorhanden-

Plus, das die Codd. 248, 253 Syroh ufw. und 1 ^ fein diefes Gottesfohnes zu erklären. Das mythifche

Latina über den Vulgärtext hinaus bieten ei Denken ift durch die monotheiftifche Gewöhnung und
der einzelnen Wörter, die an manchen Stellen zugei

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