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Ausgabe:

1909 Nr. 2

Spalte:

39-44

Autor/Hrsg.:

Cohn, Leopoldus (Ed.)

Titel/Untertitel:

Philonis Alexandrini opera quae supersunt. Vol. V 1909

Rezensent:

Heinrici, Carl Friedrich Georg

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39

Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 2.

4"

Man vergleiche z. B. feine dürftigen Bemerkungen zu 2,7.
4,15. 7,2 und 3. Das gilt auch zum Teil für die Über-
fetzung. Wer ahnt z. B. bei der Wiedergabe von 1,12:
/Während der König bei mir ift', daß im Urtext hier
■QOM flehtP Und fodann: gelegentlich finkt der Kommentar
zur Schülerpräparation herab! Man vgl. z. B. die
Bemerkungen S. 67 zu MIFI, oder S. 81 zu riin, S. 82

zu rnspi oder naris ufw.

Straßburg i. Elf. Georg Beer.

Wolf, Willy, diTnön T» Das Lied der Lieder überfetzt
und erläutert. Frankfurt a. M., Sänger & Friedberg
1908. (VI, 81 S.) gr. 8°

Laut Vorrede ift Wolf der Anficht, daß der Inhalt
des Hohenliedes ,ein Gefpräch Gottes, lisroels [sie] und
der Menfchheit über ihre gegenfeitigen Beziehungen' ift.
W. gefeilt fich alfo den allegorifchen Erklärern des Hohenliedes
bei. Als Jude deutet er das Hohelied als Dialog
zwifchen Israel und Gott. Zu welchen Phantaftereien er
fich dabei verfteigt, mögen einige Beifpiele illuftrieren.

1,1 deutet er irfiob© auf .Gott, den König des Frie- !
dens'! 1,2 foll ,er küffe mich' fich auf Israels Sehnfucht j
nach Gott beziehen! 1,3 werden die fflttby = ,junge j
Mädchen' den außerjüdifchen Völkern im Anfang ihrer
geiftigen und fittlichen Entwicklung gleichgefetzt! 2,17
wird -|fi3 "Hfl mit ,Berge der Trennung' überfetzt und der
ganze Vers" von k der durch Israel zu überbrückenden
Trennung Gottes und der Menfchheit verftanden. Ähn- j
licher blühender Unfinn durchwuchert das ganze Heftchen. I
Man würde es einfach in die Ecke werfen, wenn einem
nicht leid täte, in welcher maßlofen Verblendung, von
der auch eben das hier anzuzeigende Schriftchen Kunde
gibt, einzelne Kreife unferer jüdifchen Mitbürger fich
befinden. Lefen wir doch bei unferem Allegorift den 1
S. 23: Jüdifchen Urfprungs find die Grundgedanken
der erleuchteten Geifter aller Zeiten, vornehmlich aus
dem Ghetto find fie in den Völkerkreis gedrungen' —
dazu würde wohl felbft Leffings Nathan den Kopf
fchütteln!

Straßburg i. Elf. Georg Beer.

Philonis Alexandrini opera quae supersunt. Vol. V, edidit
Leopoldus Cohn. Continens de specialibus legibus
lib. I—IV, de virtutibus, de fortitudine, de humani-
tate, de paenitentia, de nobilitate, de praemiis et
poenis, de exsecrationibus. Adiectae sunt tabulae 1
phototypicae duae. Berolini, G. Reimer MCMVI.
(XXXI, 376 PO gr. 80 M. 15-

Der fünfte Band der großen kritifchen Philoausgabe
enthält die Bücher, in denen Philo durch Auslegung
der Einzelvorfchriften des Pentateuch die allzureichende
religiöfe, politifche, juriftifche und foziale Weisheit der
Mofaifchen Gefetzgebung dartun will. Sie hängen innerlich
eng zufammen. Der Dekalog gibt die Orientierung.
Von den einzelnen Geboten ausgehend, die er ebenfo
wie die LXX anders abteilt und anordnet, als der mafo-
retifcheText (vgl. auch Rom. 13,9), verbindet Philo jedesmal
damit, bisweilen in kühnen und überrafchenden Kombinationen
, die Spezialgefetze, bei deren Erörterung fich j
einzelne Auslegungen zu relativ felbftändigen Traktaten !
ausweiten. Da diefe am meiften hervortreten, befteht
der Titel zu Recht jcsgl tcov ev /itQEi öiarayfiarcov. Das
Werk zerfällt in vier Bücher. Das erfte und zweite enthält
die Gebote der erften Tafel, die mit dem vierten
(nach Philo fünften) abfchließen. Davon behandelt das
erfte Buch die grundlegenden religiöfen Fragen über
Monotheismus und Vielgötterei, Prieftertum und Opfer-
wefen, das zweite den Eid, die Fefte, und befonders die
Siebenzahl und den Sabbat, die Pflichten gegen die

Eltern. Das dritte Buch erörtert als fechftes Gebot die
Keufchheitspflichten und Ehegebote, als fiebentes das
Verbot des Tötens, ausführlich bei der Frage nach dem
unfreiwilligen Totfchlag, der Sklaventötung und Körperverletzung
(Auge und Zahn) verweilend. Im vierten
Buche endlich wird vom Diebftahl (achtes Gebot), dem
falfchen Zeugnis (neuntes Gebot) und der fündhaften
Begierde (zehntes Gebot) gehandelt. Daran reiht fich
als Zufammenfaffung des Ganzen ein Traktat über die
Gerechtigkeit, der durch die eindrucksvolle Schilderung
des Wefens eines gerechten Richters (IV § 55—78)
vorbereitet ift. Diefem Hauptwerke gliedert fich an
als Anhang der Traktat Jtegl agsrmv ag övv aXXcug
avEygaxps Mmvöinq. Die Überfchrift verheißt die Unter-
fuchung der avögEtct, evoeßtia, xjjiXav&gmütla (humanitas),
fusravoia. Dazu tritt am Schluffe noch die svysvsia
(jiobilitas). Aber nach der tvotßsia fucht der Lefer vergebens
, wie wenigftens Cohn urteilt (periit Sectio siEgl
EvßsßEiaq). Allein bezieht fich nicht doch § 34—50 auf
eben diefe .Tugend', fo daß Cod. 67. recht hätte, wenn
er den Titel scsgl EvoEßEiaq beifchreibtf Philo dürfte die
Frömmigkeit mit der Tapferkeit, die er als Selbftüber-
windung wertet, zufammengefaßt haben, wie das auch
die Unterfchrift in 67 (279,17) annimmt; denn bei feiner
Auffaffung der Frömmigkeit als Tugend hält es fchwer,
die fpezififche Differenz derfelben zu erfaffen. Ein zweiter
Anhang endlich handelt vonLohn,Strafen und Verfluchung
(jrept ad-Xcov xcä Ejcirifiiojv xal ccgäxv). Der Traktat trägt
der Tatfache Rechnung, daß das Mofaifche Gefetz durchaus
auf dem jus talionis ruht, was eine zufammenfaffende
Erörterung diefer Punkte nahe legte.

Daß wir diefe Schriften jetzt in fachgemäßer Folge,
in einem Zufammenhange, der den Eindruck einer wohlerwogenen
, groß angelegten fyftematifchen Arbeit macht,
lefen können, ift das Verdienft diefer neuen Ausgabe.
Cohn hat dafür die Hauptarbeit geleiftet; in feiner Abhandlung
,Neue Beiträge zur Textgefchichte und Kritik
der Philonifchen Schriften' (Hermes, Band XLIII, S. 177
bis 219), in welcher er die Prolegomena ergänzt und
zugleich Einblick gewährt in feine forgfältige und um-
fichtige Arbeit für die Feftftellung des Textes, fagt er
mit Recht: ,Zum erften Male find hier die einzelnen Be-
ftandteile diefer Schriftenreihe aufgrund der bellen Überlieferung
vollftändig und in ihrer urfprünglichen und vom
Autor beabfichtigten Reihenfolge herausgegeben'. Und
auch was folgt trifft zu: ,Durch Heranziehung neuer
Hilfsmittel und durch forgfältigere Ausnutzung der fchon
früher bekannten Handfchriften konnte auch der Text
im einzelnen verbeffert und von zahllofen Fehlern und
Verderbniffen befreit werden'.

Gerade die in diefem Teile veröffentlichten Schriften
find fehr ungleichmäßig und unvollftändig überliefert.
Die Verfuchung, fie in Einzeltraktate zu zerfchneiden,
lag nahe; damit war dann weiter Anlaß zur Umordnung,
auch zur Fortlaffung eines oder des anderen Teils gegeben
. Auch ift die Tatfache zu beachten, daß die
Spannkraft der Abfchreiber bei einem fo umfangreichen
Schrifttum, wie das Philos, je länger die Arbeit fich hindehnt
, defto leichter ermüdet, ja erlahmt. Wie Cohn zu
folchem Tatbeftand Stellung genommen hat, legt er in
den Prolegomena dar, indem er zuerft Rechenfchaft über
die Quellen für Textherftellung gibt, fodann die einzelnen
Bücher betrachtet.

Im großen laffen fich auch hier zwei Gruppen von
Handfchriften unterfcheiden, eine forgfältiger und zuver-
läffiger hergeftellte und eine minderwertige, jedoch mit
der Einfchränkung, daß in allen fich beziehungsweife
gute Lesarten finden. Zur erften Gruppe gehören die
beiden neuen Textquellen, die hier ausgenutzt find, der
Fat. Gr. rescriptus 316 (R) und der Scldenianns 12 (S).
Die Entzifferung und Ausnutzung des erfteren ift, wie
die beigegebene photographifche Tafel beweift, und wie
ich aus eigener Anfchauung der Handfchrift bezeugen