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Ausgabe:

1909 Nr. 2

Spalte:

38-39

Autor/Hrsg.:

Zapletal, Vincenz

Titel/Untertitel:

Das Hohelied, kritisch und metrisch untersucht 1909

Rezensent:

Beer, Georg

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 2.

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quelle anzufehen, und 2) daß unter dem bei ihr fliehenden Stück vorwärts gekommen find und Kittel im wefent-
Stein Zohelet oder Schlangenftein weder der im Dorfe liehen mit feiner Erklärung im Recht ift, muß dankbar
Silwan flehende Fels ez-Zahwele noch einer der Steine anerkannt werden.

bei der Marienquelle zu verliehen ifl. Da wir in Jerufalem jetzt unfer archäologifches Inftitut

Die vierte Abhandlung endlich befchäftigt fich mit haben, fo ift zu hoffen, daß wir bald eine genaue Nach-
den Keffelwagen des falomonifchen Tempels, deren Re- prüfung der Vermutungen Kittels namentlich in bezug
konftruktion auf Grund des Textes I Reg. 7,27—39 bis auf feine erfte Abhandlung gewinnen; hoffentlich gibt
in die neuere Zeit kaum zu überwindende Schwierigkeiten diefe Arbeit mit ihrem ruhigen, forgfältig abwagenden
bot, erft neuere Funde haben uns die Möglichkeit einer Urteil aber auch vielen andern den Anftoß, auf der von
richtigeren Erkenntnis erfchloffen. Furtwängler war der i K. betretenen Bahn weiter zu gehen: fo werden wir, wenn
erfte, der ein auf Cypern gefundenes Kultusgerät zur j auch langfam, doch fichern Boden unter die Füße beErklärung
der Keffelwagen des falomonifchen Tempels kommen, von dem aus eine Verftändigung möglich ifl.
(Sitzungsberichte der Münch. Akademie, philof.-philol. und Straßburg i. E. W. Nowack.

hilf. Klaffe 1899 S. 411 ff.) nutzbar machte, und feinem

Beifpiel folgend verfuchte Stade, indem er feine 1883 ver- Zapletal, Vincenz, ü. F., Das Hohelied, kritifch und me-
tretene Auffaffung preisgab, in einer 1901 veröffentlichten trifcln unterfucht. Freiburg (Schweiz), Univerfitätsbuch-
fcharffinnigen Unterfuchung eine neue Erklärung. Wäh- , ,, TV c. Q0 M

renderi883 durchUmflellungeinigerVerfeiniReg.7,27ff. Handlung 1907. (IX, 152 S.) 8° M. 4-

der Schwierigkeiten Herr zu werden glaubte, nahm er Zapletals Arbeit über das Hohelied ift ein cha-

jetzt nach dem Vorgang von Kloftermann u. a. einen rakteriftifch.es Beifpiel für den Eiertanz, den die heutige
Doppelbericht an, indem er freilich auch hier feinen katholifche Bibelwiffenfchaft aufführt. Z. ift moderner
eigenen Weg ging, infofern er in 7,27. jibß—39 (außer Bibelforfcher und gleichzeitig vertritt er den Stand-
34a/3 3Sb;3) den Hauptbericht, dagegen in 29—303« 31 1 punkt der Tradition. Er bemüht fich um eine gefchicht-
den Nebenbericht fah. Mit diefer 1901 veröffentlichten 1 liehe Würdigung des Alten Teftaments. Er will daher
Anficht Stades fetzt fich K. hier auseinander, infofern er das Hohelied nach feinem Wortlaut verftanden wiffen
einerfeits feine Bedenken gegen Stades letzte Annahme und fieht in ihm eine Sammlung jüdifcher Minnelieder,
eines Doppelberichts und der Umftellung geltend macht ' Gleichzeitig möchte er aber die Tradition retten, die
und zu zeigen fucht, daß man mit der Annahme eines ihn nötigt, in dem Hohelied ein Abbild des innigen Ver-
Farallelberichtes in 7,34. 35 auskommt, und indem er Verhältniffes zwifchen Gott und der Kirche zu finden
andrerfeits darlegt, daß die Heranziehung der cyprifchen (S. 42,49). Das Hohelied hat als Ganzes einen ,zwei-
Geräte allein nicht zum Ziele fuhrt, wir vielmehr erft aus fachen binn' (S. 49). Zum Glück verzichtet Z., ,die alle-
der Verbindung der cyprifchen Geräte mit den mykeni- gorifche Erklärung im einzelnen zu verfolgen' (S. 52) —
fchen Fragmenten, deren Bedeutung und Erklärung Karo : er fcheint einer Umdeutung in .großen Zügen' das Wort
richtig erhoben hat, vgl. Archiv für Religionsgefch. VIII, zu reden (S. 51). So erfahren wir z. B. nicht, ob Z. in
diejenige Hilfe gewinnen, die uns in den Stand fetzt, jene , Hohel. 4,7 eine Beweisftelle für die immaculata con-
falomonifchen Kultgeräte hinreichend zu verliehen. In ceptio fieht. Er bezweckt nur, ,das Hohelied metrifch
einem ausführlichen Kommentar zu 1 Reg. 7,27ff. fucht genau zu analyfieren' (S. 52). Ganz rein ift der Tra-
K. feine Anficht mit Scharffinn unter Verwertung jener ditionalismus Z.s nicht — aber die Verbeugung vor dem
vorhererwähnten Funde zu begründen. Es find fpeziell prinzipiellen Recht der kirchlichen Interpretation hat
fünf Punkte, die er behandelt: I. Höhe, 2. Leiften und wohl der Arbeit das Imprimatur verfchafft, wodurch
Sproffen, 3. die Ornamentik, 4. Räder, Füße und Schulter- dem Verf. von feinen kirchlichen Behörden (S. III) be-

ftücke und 5. Zylinder und Keffel. Im letzten Abfchnitt zeugt wird: commentariuin........attente perlcgentes

unterfucht K. die Frage der Beftimmung diefer Keffel- taletn iudieavimus, qui et orthodoxae fidei plane sit con-
wagen. Gewöhnlich fah man in ihnen wirkliche, den Jormis et Sacrae Scriptnrae stndiosis pcrutilis esse queat.
Opferzwecken dienftbare Wafferbecken. K. weift dem- " Das Belle an der Arbeit Z.s ift m. E. der erfte Teil:
gegenüber zunächft darauf hin, daß in diefem Fall die die 61 Seiten zählende Einleitung. Befonders ift § 4
Fortbewegung eines folchen mit Waffer gefüllten Wagens, hervorzuheben. Hier bringt Z. treffende, dem Mit-
der nicht weniger als etwa 68 Ztr. wog, große Schwierig- 1 forfcher freilich nicht unbekannte Parallelen aus der
keiten bot, ja daß uns der Text mit feiner fonft fo genauen ; verwandten ägyptifchen und arabifchen Liebespoefie,
Bc-fchreibung in bezug auf die Vorrichtungen zur Fort- : die die Deutung des Hohenliedes als einer Anthologie
bewegung ebenfo volllländig im Stich läßt, wie in bezug erotifcher Lieder ftützen. Gewiß mit Recht fieht Z.
auf die Frage, wie der Wagen beftiegen werden konnte, (S. 25) in dem kriegerifchen Gepränge der Genoffen des
um mit Waffer gefüllt und entleert zu werden. Diefelben Bräutigams Hohel. 3,7. 8 ein Überlebfel einftmaliger
Schwierigkeiten ergeben fich, wenn wir das Verhältnis Raubehe (Rieht. 21, 15 ff.). Auch werden ficher die
diefer Geftühle zum Altar ins Auge faffen. Wollte der meiften Fachgenoffen billigen, daß Z. die von Win ckler
Priefter aus dem Keffel des Geftühls Waffer entnehmen, inaugurierte aftrale Erklärung des Hohenliedes, die in
fo blieb ihm nichts übrig, als auf dem örtlichen Aufftieg dem törichten BuchErbts, Die Hebräer 1906 S. 196fr. (vgl.
zum Altar erft zum Pflafter des Vorhofs herabzufteigen, diefe Zeitung 1907 Nr. 18) ihre Orgien feiert, verwirft,
auf der Leiter das nahezu 3 mtr. hohe Geltühl zu er- Der zweite Teil ift, wie fchon gefagt, der metrifchen

klimmen, um dann mit gefülltem Eimer herab- und Rekonftruktion des Hohenliedes gewidmet. Metrik, Stro-
den Altaraufftieg hinanzufteigen. Angefichts der Tatfache, phik und Textkritik find ja von der katholifchen Kirche
daß auch ohne diefe Keffelgeftühle auf bezw. bei dem als Übungs- und Paradierfeld der Geifter freigegeben. Im
heiligen Fels Waffer vorhanden und mit viel geringerer Phnzelnen kann man hier über vieles andrer Meinung als
Mühe zu haben war, kommt K. zu dem Schluß, daß diefe Z. fein. So würde ich z. B. 1,7 und 8 anders herftellen,
Geftühle nicht dem praktifchen Gebrauch dienten, fondern oder 8, 71' anders überfetzen. Für vieles andere wird aber
der Verkörperung einer religiöfen Idee: fie find die Z. der Zuftimmung der meiften Forfcher gewiß fein können.
Symbole der regenfpendenden Gottheit. Das wird m. E. Wenn auch keine wefentliche Förderung bietend, repräfen-
um fo wahrfcheinlicher, als auch für das ,eherne Meer' tiert fein Kommentar in textkritifcher Hinficht einen ge-
diefe fymbolifche Bedeutung kaum zu beftreiten ift. Es wiffen Consensus doctorum. Jedoch möchte ich zweierlei
ift begreiflich, daß nicht alle Rätfei in dem überaus an dem Kommentar zu tadeln nicht unterlaffen. In dem
fchwierigen und dunklen Text für jeden durch K. über- Hohenliede laffen jüdifche Naturkinder einen Blick in
zeugend gelöft find — Kittel felbft gibt fich darüber ihre natürliche Liebeswelt tun. Z. vermeidet es, die oft
keiner Täufchung hin —, daß wir aber um ein gutes derbe Sinnlichkeit der Lieder zu Worte kommen zu laffen.