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Ausgabe:

1909 Nr. 20

Spalte:

564-565

Autor/Hrsg.:

Warneck, Joh.

Titel/Untertitel:

Die Religion der Batak 1909

Rezensent:

Titius, Arthur

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563 Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 20. 564

jektiven pfychologifchen Methode, die aus dem Wertbegriff
hiezu abgeleitete Ergänzung, die Beleuchtung, welche
Nietzfches Grundgedanken auf der von B. eingenommenen
Operationsbafis erfährt, verraten ein feines Verfländnis
der pfychologifchen und religiöfen Fragen. In dem aus
dem Reiche des Gewiffens entlehnten Kriterium der
Werte, in der Formulierung des ethifchen Grundproblems
bewegt fich B. in den durch Cefar Malan jun. und G.
Frommel gewieferen Bahnen (158. 251). — In Summa, das
Buch macht der evangelifchen Theologie franzöfifcher
Zunge alle Ehre. Angefichts des reichen Stoffs, den der
Verf. bietet, wäre es Undank, mit ihm über einzelne Punkte
zu rechten. Seine inhaltsfchwere, gründliche Leinung
ift auf dem Boden der Kirchen und Schulen, für welche
er fchreibt, eine Tat der Tapferkeit und der Selbflver-
leugnung; er hätte feinen ftattlichen Band zu einem
leichteren, gefälligeren Fffay reduzieren und dafür auf
einen weiteren Leferkreis zählen können. Er hat es
vorgezogen, einen wuchtigen Apparat von gelehrtem
Material in Bewegung zu fetzen, feine zuweilen fchwieri-
gen Sätze mit noch fchwierigeren deutfchen Formeln
auszuft.atten, und, flatt den Muten und Grazien zu opfern,
die herbe Geflalt des kategorifchen Imperativs walten
zu laffen. Damit wird er vielleicht bei dem geduldigen, |
gegen Stilfloskeln mißtrauifchen Deutfchen mehr Dank j
ernten, als bei den für die Reize der Form empfäng- 1
licheren Franzofen. Immerhin dürften auch diefe fich I
an manchen in plaftifcher Sprache ausgedrückten, an G. i
Frommeis Alt erinrernden Gedanken erfreuen. Ein
jeder aber wird den fittlichen Ernft und die religiöfe I
Kraft, die in diefem Buche atmen, empfinden und
würdigen.

Straßburg i. E. P. Lobflein.

FHcher, Lic. E. Fr., Autorität und Erfahrung in der Begründung
der Heilsgewißheit nach den Bekenntnisfchriften
der evang.-luth. Kirche. Leipzig, A. Deichert Nachf.
1507. (IV, 142 S.) 8° M. 2.60

Fifchers Studie ift von fyfiematifchen wie hiflorifchen
Intereffen beherrfcht, aber doch ,vorzugsweife als eine
gefchichtliche gemeint' (136). Ihr Abfehen ift vor allem
darauf gerichtet, zu zeigen, daß der weite Abftand im
Glaubensbegriff und in der Auffaffung von der Recht- I
fertigung, der nach verbreiteter Anficht zwifchen Apologie
der Auguftana und Konkordienformel beflehen foll, nicht
vorhanden oder doch nur fehr gering ift. Zu diefem j
Zweck wird die Verwendung der genannten Begriffe in
den Bekenntnisfchriften forgfältigundmethodifchanalyfiert.
Mit Bezug auf den Glaubensgedanken wird ff ftgeftellr,
daß die fubjektiv-pfychologifche Auffaffung fchon in der
Apologie und erft recht in den fchmalkaldifchen Artikeln
in einer ,fchwer fachlichen metaphyfifch-heilsdramatifchen
[Heils-] Veranftaltung' verankert ift (19. 75), daß aber
auch in der Konkordienformel jene Eigenart des Glaubens,
fiducia remissionis zu fein, durchaus nicht aufgegeben ift
(93). Diefe fehr einleuchtenden Ausführungen leiden
freilich darunter, daß F. wirklich vorhandene Nuancen, I
was er gar nicht nötig hatte, abfchwächt. Es läßt fich j
doch nicht leugnen, daß der ganze Ton der Ausführungen
ebenfo die Apologie in die Nähe der loci von 1521 rückt, j
wie die Konkordienformel in die Nähe von Joh. Gerhard j
und Quenftedt. Richtig aber ift, daß in der gefamten 1
Rtformationstheologie ,das Intereffe für den fröhlichen
lebendigen Glauben an die göttliche Gnade mit demjenigen
für Heilsgefchichte und Dogma innigft verbunden' bleibt
(L30).

In der eingehenden Unterfuchung der Rechtfertigungslehre
in der Apologie führt F. den Gedanken ein, daß
zwifchen zwei Fragen unterfchieden werden müffe, der
Frage nach dem Wege zum Zuflande der Gottwohlgefälligkeit
{justum effici), über die Melanchthon zwar wichtiges

zu fagen habe, die aber doch im Hintergrunde bleibe,
und der eigentlich kontroverfen Frage, welcher Zuftand
denn eigentlich vor Gott Gültigkeit habe, die Werke
oder der Glaube. Es handle fich daher im forenfifchen
Urteil Gottes um das Urteil über die theologifche Kontro-
verfe mit den Römifchen, um eine ,Beurteilung zweier
vei fchiedenen bereits fertigen Verhalten des Menfchen'
(46—49). Diefer Gedanke erklärt in der Tat viel, nur
räumt er nicht, wie F. annimmt, alle Schwierigkeiten aus
dem Wege. Die bekannten viel verhandelten Äußerungen
Melanchthons, auf deren Exegele ich hier leider nicht
eingehen kann, fcheinen fich mir nur unter der Annahme
zu erklären, daß er felbft fich vor Schwierigkeiten fah
und einen fetten, auf alle Bibelworte gleichmäßig anwendbaren
Rechtfertigungsbegriff noch nicht befaß. Was
die Konkordienformel anlangt, fo wird ja mit Recht
hervorgehoben, daß auch ihr noch die juslificatio gelegentlich
zugleich als religiöfe regeneratio gilt, doch zeigt fie
unleugbar die Tendenz, die Rechtfertigung ganz in einen
objektiven, außerhalb des Menfchen vorgehenden Akt
umzuwandeln.

Darin find fich, wie F. mit Recht hervorhebt, alle
Bekenntnisfchriften einig, daß die Begründung der Heilsgewißheit
,es nicht mit Pfychologie und Erfahrung und
Gefühlen und Stimmungen zu tun haben kann, fondern
allein mit dem Hinweis auf eine eherne Autorität göttlicher
, übermenfchlicher Willenskundgebung' (113). Doch
fleht er fich felbft zu dem Zugeftändnis genötigt, daß
der gläubige Rückgang auf eine fchlechthin fupranaturale,
auf alles Einzelne in Heilsgefchichte, Schrift und Lehre
fich ausdehnende infallible Autorität heute ,leider eine
fchlechthinige Unmöglichkeit' ift (138). In ,zcitgemäßer
pofitiver Theologie' will er die äußere autoritative Form
aufgeben und an ihrer Stelle die ,Autorität reiner eigen-
fländiger Gefchichte' aufrichten. Aber ich glaube nicht,
daß folche ,empirifch-heilsgefchichtliche Autorität' wirklich
eine .Zuflucht' im religiöfen Sinne zu bieten vermag.
Der Begriff der Autorität wird nur dann aufrechterhalten
werden können, wenn er ganz verinnerlicht, als ein Über-
fubjektives im fubjektiven Erleben erfaßt wird. Das
fchließt natürlich die Erfahrung überfubjektiven Beflandes
auch in der Gefchichte nicht aus, aber eben als fubjektive
Erfahrung, die nicht auf Grund empirifcher Erkenntnis
bereits vollzogen werden kann, fondern eigenen Gefetzen
folgt.

Göttingen. Titius.

Warneck, Lic. Joh., Die Religion der Batak. Ein Paradigma
für die animiftifchen Religionen des Indifchen Archipels.
Mit 4 Abbildungen. (Religions-Urkunden der Völker.
Herausgegeben von J. Boehmer. Abteilung IV, Bandl.)
Leipzig, Dieterich'fche Verlagsbuchhandlung 1909.
(VI, 136 S.) gr. 8» M. 4-; geb. M. 5-

Julius Böhmer hat die Herausgabe von .Religions-
Urkunden der Völker' unternommen, die, unter .kultur-
hiflorifch-geographifchen' Gefichtspunkten geordnet, die
religiöfen Texte oder Berichte in freier Überfetzung, mit
Erläuterungen und Einführung bringen füllen. Der Stoff
ift in 5 Abteilungen gegliedert, 1) ,vorderafiatifch-weft-
europäifche Völkergruppe' (das foll heißen: Ägypter,
Semiten, Arier, Kaukafier), 2) mongolifche, 3) amerikanifche
Völkergruppe, 4) Naturvölker und kulturarme Völker,
5) Chriftentum. Diefe Teilung ift nicht eben gefchickt,
der Gefamtplan noch fehr unbeftimmt, ja uferlos. Sollen
doch z. B. in der fünften Abteilung außer Bibel und
Bekenntnisfchriften ,alle Schriften aller Zeitalter, die für
die chriftliche Religion von bleibendem Werte find, Aufnahme
finden'. Doch das find Unklarheiten, die vielleicht
anfangs unvermeidlich find. Böhmers Rührigkeit und die
unbeftrittene Fachkenntnis der bereits gewonnenen Mitarbeiter
bürgen dafür, daß wir vortreffliche Leiftungen