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Ausgabe:

1909 Nr. 19

Spalte:

533-534

Autor/Hrsg.:

Kaer, Pietro

Titel/Untertitel:

San Doimo vescovo e matire di Salona nell‘ archeologia e nell‘ agiografia 1909

Rezensent:

Anrich, Gustav Adolf

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Seite 1

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533 Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 19. 534

Kaer. sac. Pietro, San Doimo vescovo e martire di Salona
nell' archeologia e nell' agiografia. Sebenico, Consorzio
Tipografico Ugo Fosco & Cie 1908. (280 p.) 8°

Die reiche Literatur über die falonitanifchen Märtyrer,
welche durch die für die chriftliche Archäologie und
Kirchengefchichte fo erfolgreichen Ausgrabungen auf
dem Boden des alten Salona veranlaßt worden ift, wird
durch obige Schrift um eine weitere Nummer vermehrt.
Sie behandelt einen der meifl verhandelten Kontroverspunkte
der falonitanifchen Hagiologie, das Problem des
hl. Domnio, den einerfeits die Tradition der Kirche
von Spalato feit dem Mittelalter als Schüler des Petrus,
erften Bifchof von Salona und Märtyrer unter Trajan
kennt, deffen Gebeine nebft denen des hl. Anaftalius
durch eine Mitte des 7. Jahrh.s erfolgte Translation
nach Spalato verbracht worden feien, während der
Prologns paschae von 395 ihn der Diokletianifchen Verfolgung
zuweift und die Mofaiken der Venantiuskapelle
im Lateran ihn unter die dalmatifchen Märtyrer ein-
fchließen, deren Gebeine dem Liber pontiftcalis zufolge
um 640 nach Rom übergeführt wurden. Während die
katholifche Hagiologie bis vor kurzem das Dilemma in
der Weife löfte, daß fie nach dem Vorgange des Ar-
chidiakonus Thomas von Spalato (13. Jahrh.) zwei ver-
fchiedene Märtyrer Domnio von Salona unterfchied, hat
die Forfchung des letzten Jahrzehnts erkannt, daß es
nur einen hiftorifchen Märtyrer Domnio unter Diocletian
gegeben hat, den die fpätere Legende zum Schüler des
Petrus und erften Bifchof von Salona umgewandelt hat.
Im Intereffe der Tradition der Kirche von Spalato wirft
fich unfer Verfaffer diefen ,modernissimi agiografi sa-
lonitanv gegenüber mit füdländifchem Temperament
zum Verteidiger der alten Thefe auf. Sein Kampf gilt
in erller Linie dem Leiter der Ausgrabungen, Mgr. Bulic
und deffen zahlreichen Veröffentlichungen im Bullettino
di archeologia e storia dalmata: er macht fich das Vergnügen
, alle Wandlungen in deffen Anfchauungen darzulegen
, und fucht ihm allerlei Ungenauigkeiten und Wider-
fpriiehe in feinen Darftellungen der Ausgrabungsergeb-
niffe nachzuweifen; in zweiter Linie wendet er fich gegen
die Ausführungen von Delehaye {Analecta Bollandiana
XVI, 488ff.; XVIII, 393 ff; XXIII, 5 ff.) und J. Zeiller
(Les origines chritiennes dans la province romaine de
Dalmatie 1906, vgl. Th.L.Z. 1908, 141 f.).

Die Thefe des Verfaffers präzifiert fich dahin, D. I,
Schüler des Petrus, Begründer und erfter Bifchof der
Gemeinde von Salona, Märtyrer unter Trajan, fei der
vom Martyrologium Hieronymiamim mit 3 refp. 8 Soldaten
unterm 11. April namhaft gemachte episcopus Do-
tninio; er fei beftattet worden nicht in der Coemeterial-
bafilica von Manaftirine, fondern unter der kleinen Grabkapelle
in deren Nähe, und feine Gebeine feien von hier um
650 durch Erzbifchof Johannes von Spalato nach letzterer
Stadt verbracht worden; D.II dagegen, nach dem Prologus
paschae Märtyrer unter Diocletian, fei nicht Bifchof ge-
wefen, fei möglicherweife in der Coemeterialbafilica felbft
beftattet gewefen und werde zu den um 640 nach Rom
übergeführten Märtyrern gehört haben. — Der archäologi-
fche Beweis, der fo fpinöfer Natur ift, daß er nur an
Ort und Stelle im Detail nachgeprüft werden könnte,
übrigens auch nichts entfeheidet, gipfelt in der Ausfchal-
tung des den Namen Domnio tragenden Epitaphfragments
mit der Begründung, daß es nichts von einem
Bifchof und nichts von einem Märtyrer fage, daß das
fragmentarifche Datum fich höchftens als 10., nicht aber
als 11. April reftituieren laffe, und daß Bulic' Angabe, das
Epitaph Hamme aus der Confessio der Coemeterialbafilica,
eine bloße Behauptung fei. Der hiftorifche Beweis ift
in der Hauptfache der: 1) Die Translation falonitanifcher
Märtyrer nach Rom kann D. I nicht mitbetroffen haben;
denn als der berühmtefte Märtyrer {petitio principiil)
hätte er im Berichte des Liber pontificalis mit Namen

genannt werden müffen und kann nicht unter den alii
mulii martyres inbegriffen fein. Wohl aber muß dies

I D. II, Grund: der Katalog der Lipsanoteca Romana
von 1898 führt Domnio mit einfachem nachfolgendem
M., nicht Pp. M„ auf, muß alfo D. II meinen, dem Verfaffer
keine Bifchofswürde zugefteht! 2) Diefe Thefe wird
mit nichten durch die Tatfache entkräftet, daß unter
den bald nach der Translation begonnenen Mofaiken
der Venantiuskapelle der Bifchof Domnio unter den
dargeflellten dalmatifchen Märtyrern (unter denen fich
auch 4 Soldaten befinden, alfo fehr wahrfcheinlich die
Märtyrergenoffen von D. I, von denen das Hieronymiamim
fpricht!) mit Venantius an erfter Stelle fleht. Denn D. I
ift dargeftellt, nicht weil feine Gebeine hier ruhen, fondern
als .ideale Perfonifikation der dalmatifchen Chriften-
heit' (S. 220)! 3) Seit dem 10. Jahrh. liegen Quellen vor,
daß Domnio und Anaftafius in Spalato ruhen, und im
11. Jahrh. erzählt Adam von Paris nach ältern Quellen
die Gefchichte der um 650 erfolgten Translation, womit
die Gefchichtlichkeit beider Fakten bewiefen ift.

Die eventuelle Ausfchaltung des Domnio-Kpitaphs ift
der einzige Punkt, über den fich diskutieren ließe. Daß
die übrigen Beweife nichtig find, fpringt in die Augen.
Dazu hat Verfaffer die weitere Schwierigkeit nur eben ge-
ftreift (S. 253), daß feine Argumentation dazu nötigt, neben
einem doppelten Domnio auch einen doppelten Märtyrer
Anaftafius anzunehmen — eine Thefe, die ebenfalls ihre Vertreter
gefunden hat —, denn Anaftafius ruht einerfeits mit
Domnio in Spalato und wird andrerfeits unter Namennennung
durch den Liber pontificalis zu den nach Rom
übergeführten Märtyrern gerechnet. Verfaffer hat weiter
nicht ausgeführt, daß das Epitaph der 4 in der Venantiuskapelle
dargeflellten und benannten Soldaten, alfo fehr
wahrfcheinlich der Märtyrergenoffen Domnios nach dem
Hieronymiamim, wiedergefunden ift (Zeiller S. 18) und
die archäologifch-paläographifche Beftimmung des Alters
diefes Epitaphs auch für die Zeit des Domnio des Hiero-
nymianum entfeheidend fein könnte. Er hat endlich nicht
erwähnt, daß noch im hohen Mittelalter das Chronicum
pontificale von Spalato die Tradition der Überführung
der Gebeine des in Spalato verehrten Domnio von Salona
nach Rom gekannt hat (Zeiller S. 26). Es ift ihm überhaupt
nicht zu Bewußtfein gekommen, daß es das Ineinandergreifen
und Zufammenftimmen einer Reihe von
Argumenten und Daten ift, das in Verbindung mit dem
Vergleich mit analogen Fällen auf hagiologifchem Gebiete
der gegnerifchen Pofition ihre Beweiskraft verleiht, während
es nicht fchwer ift, das einzelne Argument in feiner
Vereinzelung anzuzweifeln. Der Satz des Verfaffers: Ja

certezza storica riducesi a certezza morale' (S. 201) verrät
doch ein Gefühl, daß feine Argumentation nicht durch-
fchlagend ift. So zieht er fich als echter Traditionalift
immer wieder zurück auf die Jraditione due volle mille-
naria' der Kirche von Spalato und fchließt feine hiftorifche
Beweisführung — unter dem Jubelruf ,Roma locuta,
causa finita' mit dem Machtfpruch der Ritenkongregation
vom April 1902, der die Anficht, daß ein unter Trajan
Märtyrer gewordener Bifchof Domnio in Spalato ruhe,
für nicht erfchüttert erklärt. Der Verfaffer hat es fich
ungemeine Arbeit koften laffen, feine Thefe durchzufuhren
; den unbefangenen Lefer dürfte fein Werk viel
eher von ihrer Undurchführbarkeit überzeugen.

Straßburg i. E. Anrieh.

Die Scholien des Theodor bar Koni zur Patriarchengelchichle

(Genefis XII—L) herausgegeben und mit einer Einleitung
und Anmerkungen verfehen von Martin Lewin.
Berlin, Mayer&Müller 1905. (XXXVII U.35S.) 8° M.2.401

Der fyrifche Theologe, von deffen exegetifchen
Arbeiten wir hier eine Probe erhalten, war bis vor wenig

1) Durch den Referenten verfpütet.