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Ausgabe:

1909

Spalte:

531-532

Autor/Hrsg.:

Knudtzon, J.A.

Titel/Untertitel:

Die El-Amarna-Tafeln, bearbeitet 1909

Rezensent:

Jensen, Peter

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Seite 1

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531 Theologikhe Literaturzeitung 1909 Nr. 19. 532

fchrift des Papftes will die Revue dahin verliehen, daß
es fich nicht bloß um eine äußerliche Aneignung der
Lehre des Doctor angelicus handeln darf; es gilt vielmehr,
diefe Gedanken innerlich zu verarbeiten, en saisir la valeur,
en penetrer la portee, decouvrir ce qu'elle contient de vir-
tualites a developper, ce qiielle ojfre d'aspects peu apercus
a mettre en lumiere, ce qtfelle eomporte d'applications anx
problemcs actuels. Damit ift der Geifl angedeutet, der
diefes enzyklopädifche Unternehmen leiten foll; damit
find auch die Schranken gezeichnet, innerhalb deren es
lieh bewegt. Nicht eine pofitive Förderung der Wiffen-
fchaft, wohl aber ein wertvolles Informationsmittel und
eine reiche Fundgrube wird es uns bieten. Dafür können
auch die proteftantifchen Lefer dankbar fein; etwas anderes
werden fie wohl nicht erwartet haben.

Straßburg i. E. P. Lob Mein.

Knudtzon, J. A., Die El-Amarna Tafeln, bearbeitet. (Vorder-
afiatifche Bibliothek. 2. Stück.) Leipzig, J. C. Hinrichs'
fche Buchhandlung 1907. (1.—10. Lieferung, VIII,
1007 S.) gr. 8° Je M. 3 —

Die epochale Bedeutung des Amarna-Tafelfundes für
die Gefchichte des vorderen Orients und fpeziell Paläftinas
und Phöniziens läßt es als befonders bedauerlich erfcheinen,
daß eine erhebliche Anzahl der Tafeln nur unvollftändig
erhalten oder doch flark befchädigt und darum z. T. nur
fchwer oder nur teilweife lesbar ift. Die unerläßliche
Aufgabe, den Text der Tafeln genau feftzuftellen, konnte
daher begreiflicherweife nicht auf den erden Anhieb
vollkommen gelöd werden, und auch nach Wincklers
fo verdiendreicher Herausgabe der Texte blieb noch viel
zu tun übrig. Mit Knudtzons Transfkription in dem oben
genannten Werke dürfte aber nunmehr jedenfalls fo gut
wie Alles erreicht fein, was fich erreichen läßt. Dafür
bürgen fchon die fprichwörtliche Gründlichkeit und Peinlichkeit
des norwegifchen Affyriologen. Nur ganz, ganz
wenige hätten außer ihm diefe Arbeit leiden können, bei
der in unzähligen Fällen das Refultat in gar keinem
Verhältnis zu der gleichwohl aufzuwendenden und von
Knudtzon auch wirklich aufgewandten Mühe deht. Leider
verhindert ein Armleiden Knudtzon vorderhand daran, eine
neue Autographie feinerTextezu geben. Aber feine äußerd
genaue Transfkription kann de wenigdens für eine Ausbeutung
des Inhalts fo gut wie völlig erfetzen, zumal
Knudtzon dem Werke einige Tafeln mit forgfältigder
Wiedergabe einer langen Reihe befchädigter oder aus
anderen Gründen zweifelhafter oder auffälliger und bemerkenswerter
Zeichen in unferen Texten beigegeben
hat. Der meiderhaften Transfkription entfpricht die
Überfetzung.' Natürlich fußt de vor Allem auch auf der
letzten Gefamtüberfetzung, auf der von Winckler in der
.keilinfchriftlichen Bibliothek', jedoch unter völliger Wahrung
des felbdändigen Urteils, jene vielfach verbeffernd
und felbdverdändlich dort völlig abweichend, wo
Knudtzon einen anderen und darum natürlich jedenfalls
zu allermeid befferen Text bietet. Über vielerlei Einzelheiten
der Transfkription und Überfetzung wird man
begreiflicherweife anderer Meinung wie Knudtzon fein.
Doch handelt es dch dabei in der Hauptfache um reine
Affyriologica und fomit um Dinge, für die hier keine
Stelle id. Hier darf man aber z. B. fragen, ob ma-ah-
cju-u (auf p. 792 in Nr. 245) als kanaanäifche Gloffe zu
affyrifchem, d. h. kanaanifiertem affyrifchem däku-iu =
,fie haben ihn getötet' datt ein ISfia nicht vielleicht ein
Wtfifi = fpäterem WflMäl dardellt.

Es wird die Altteftamentler übrigens intereffieren,
daß Knudtzon zwar gegen Winckler — und anfeheinend
mit Recht; freilich will Winckler neuerdings in den
Boghazköi-Texten einen definitiven Beweis für feine
Anficht gefunden haben — eine Lefung Habiru, d. i.
vielleicht /Hebräer', für das bekannte Ideogramm SA-GAS

(d. i.,Räuber', ,Plünderer')-f Pluralzeichen ablehnt, aber jetzt
auch (vgl. fchon Beiträge zur Affyriologie IV, 279)
! die an fich gegebene Lefung habbätiip) = ,Räuber' ,Plün-
J derer' fogar für fo gut wie ausgefchloffen hält, trotzdem
I daß die Lefung des Ideogramms, wie wir wiffen, mit ha
begann und wenigdens im Plural auf tum endigte (S. 46fr.).
Daß eine Wiedergabe des Ideogramms hinter dem Zeichen
für ha ein, indes fchraffiertes, Zeichen hat, das nach
Knudtzon weder ba noch ab aber auch fchwerlich etwa
bu fein kann, fcheint allerdings trotz alledem entfeheidend
für Knudtzon zu fprechen. Aber was für ein zweites
Wort hatte denn das Affyrifche für die CDiS des alten
Tedaments neben feinem habbätu, das ebenfo wie diefes
grade auch mit ha begann und grade auch wohl auf tu
endigte? Ein folches Wort kennen wir jedenfalls nicht,
! und darum können wir wenigdens trotz des größtmöglichen
Vertrauens zu Knudtzons Lefekund der Lefung
habbätu noch nicht den Laufpaß geben. Ob übrigens
die Habiru wirklich — wie auch Knudtzon meint — die
Hebräer fein müffen? Sicher deht, daß der Name —
llabiru{), Genitiv(!) Habiri— nicht etwa ein Gentilname
wie "Hpy, fondern ein Kollektivname und alfo wohl
Stammname id (ein Umdand übrigens, der einer Iden-
! tifizierung mit SA-GAS-f-PI uralzeichen(l) nicht grade
das Wort redet). Andernfalls müßte der Endvokal
felbd in dem zwanglos genialen El-Amarna-Affyrifch-
Babylonifch doch wenigdens zumeid oder doch zum
allermindeden gelegentlich einmal als lang erfcheinen,
! was aber nie der Fall id. Alfo wäre Habiru, falls zu
"Hpy gehörig, jedenfalls nicht hiermit identifch, fondern
= "DJ>. Nun id es ficher an fich denkbar, daß i"G7 aus
einem abir -f- i entdanden id, einem abir, welches durch
Habiru repräfentiert fein könnte. Es id gewiß ferner an
fich auch denkbar, daß der Name Iii?, der kaum direkt
aus 'Abir entdanden fein kann, von i"uy aus gebildet id,
etwa wie nn von T)ri aus, in welchem ein altes Hatt-
deckt, und denkbar auch, daß diefes ein älteres 'Abir
verdrängt hat. Allein diefe Möglichkeiten könnten doch
nur dann zu Gewißheiten erhoben werden, falls wir in
Habiru aus anderen Gründen mit Bedimmtheit den
Hebräer-Stamm erblicken müßten. Das aber id keineswegs
der Fall. Und fomit bleibt die Identität des Ijabiru-
Stammes mit den Hebräern eine Hypothefe, nicht beffer
und nicht fchlechter, wie eine, die den Namen etwa in
dem 13H für den kenitifchen Gatten der Jael (Richter 4
und 5) wiederfinden wollte. Die Keniter follen ja grade
fo wie die Hebräer aus dem Süden in Palädina eingedrungen
fein! Und vielleicht auch nicht beffer und
nicht fchlechter, wie die Hypothefe, wonach der Name
der, fpeziell das Gebiet von Jerufalem bedrängenden
llabiru mit Hebron-Ülpn im Süden und nicht weit von
Jerufalem zu kombinieren wäre, mit Hebron, der Stadt der
I Riefen. Und endlich gewiß auch nicht beffer, als die m. W.
j von Hommel aufgehellte Vermutung, wonach der Name
i Habiru mit dem fpäteren afferitifchen Clane -qn identifch
I wäre, da ja mit diefem zufammen ein zweiter aifferitifcher
Clan bS^sbP-.Ve^t^t)/ genannt werde (Genefis 46,17;
Numeri 26,45; I Chron. 7,31), ein Milki-il aber mit den
llabiru zufammen operiert habe! Wer wird nun mit feiner
Plypothefe gegen die anderen Recht behalten? Oder
können diedrei letzten Hypothefen nebeneinander beftehen?
Die ,Vorderafiatifche Bibliothek', die fich mit einer
[ Überfetzung und Neubearbeitung vonThureau-Dangins
I Jnscriptions de Sunt er etd'Akkad' fo vortrefflich einführte,
; hat durch Knudtzons Werk eine Vermehrung erfahren,
J die — z. T. aus anderen Gründen — auf gleicher wiffen-
fchaftlicher Höhe fleht, einer Höhe, von der wir nur
I wünfehen müffen, daß das Ganze darauf bleibt.

Marburg. P. Jenfen.