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Ausgabe:

1909 Nr. 18

Spalte:

511-513

Titel/Untertitel:

Novatiani De Trinitate Liber 1909

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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5ii Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 18. 512

fcheinen mir feine Ermittlungen wenig geeignet, die
Auslegung des Römerbriefes günftig zu beeinflußen. Nach
S. 40 foll die öapg aus öcöpcc und xpvxfj beftehen, der
vovg, gleichfam ,ein formales Prinzip', ,der Träger unferes
Selbftbewußtfeins und unferer Selbftbeftimmung' fein.
Rm. 2,12 find die Sünder mit und ohne Gefetz nicht die
Juden und Heiden, fondern Menfchen, die das allen
gemeinfame Gefetz anerkennen, und folche, die es nicht
tun (50f.). Zu 4,12 wird mit leichter Textänderung herausgebracht
, daß Abraham der Vater aller Befchnittenen
und zugleich der gläubigen Heiden fei (S. 92 f.). 8,20
(S. 165 f.) foll die paxaiöxng nicht der Zuftand der Hinfälligkeit
fein, fondern der Mißbrauch, den der Menfch
feit dem Sündenfall mit der Schöpfung treibt. S. 167f.
wird ausgeführt, daß Paulus kein abfoluter Prädeftinatianer
fei. Deshalb werden auch 9,22 k die Gefäße des Zornes
nicht von denen des Erbarmens unterfchieden, fondern
die letzteren follen die durch Gottes, Langmut geretteten
ehemaligen cxevn OQyrjg fein (S. 178—180). Aus 10, 4
ergibt fich für Richter, daß Chriftus des Gefetzes Ziel,
nicht fein Ende fei (S. 192). Auch das, was etwa S. 56k
zu 2,29, S. 149 zu 7,4, S. 201—203 zu 10,19, S. 230—236
zu 13,8 ausgeführt ift, wird wenige beftechen. Und
manche werden Klage darüber führen, daß fo wichtigen
Problemen wie dem, ob Adam mit einem Leib von
Sündenfleifch gefchaffen ift, alfo von vornherein der
Sünde und dem Tode rettungslos verfallen, oder wie
Paulus fich das fonft gedacht hat, in der Erklärung von
Rm. 5,12ff. keine Zeile gewidmet ift. Hoffentlich erhebt
fich auch einiges Mißtrauen gegen Richters Grundfatz
der ,gefunden Exegefe', wonach die Bevorzugung einer
Lesart aus dem Grunde, weil fie fchwieriger ift ,ein recht
einfeitiger philologifcher Standpunkt' heißt und von
mehreren gleichgut bezeugten Lesarten derjenigen die
Palme winkt, die ,den beften Sinn ergibt' (S. 80). Auf
das Bedenkliche diefes Prinzips muß aufmerkfam gemacht
werden, weil fich der Verfaffer an einen weiteren Lefer-
kreis wendet und außer von Religionslehrern und Amtsbrüdern
auch von folchen, die das werden wollen, ftudiert
zu werden wünfcht.

Ich fchließe mit zwei Fragen. Ift es praktifch, einem
fo gedachten Publikum gegenüber den Codex Vaticanus
der Auslegung zu Grunde zu legen, heute wo Neftles
Neues Teftament in aller, wenigftens der Jüngeren Hände
ift? Was follen folche Lefer mit Namen wie Hodge
(S. 47), Mehring (S. 65), Geß (S. 78), Glöckler (S. 86),
Dietzfch (S. 108) u. a., wenn ihnen nirgends auch nur
die leifefte Andeutung wird, was das für Leute find, was,
wo und wann fie gefchrieben haben?

Marburg/Heffen. Walter Bauer.

Novatiani romanae vrbis presbyteri De Trinitate Uber.

Novatian's Treatise on the Trinity. Edited by Rect.
W. Yorke Fausset, M.A. Cambridge, University Press
1909. (LXIV, 151 p.) 8» s. 6 —

Daß in den Cambridge Patristic Texts das Buch
Novatians de trinitate Aufnahme gefunden hat, wird von
vielen mit Dank begrüßt werden, die fich fonft um diefe
nicht eigentlich auf Förderung der rein gelehrten Intereffen
bedachte Sammlung wenig kümmern; denn eine brauchbare
Separatausgabe des fchon um feines Alters und
feiner Herkunft aus Rom willen hochbedeutfamen Werkes
exiftierte nicht. Die von Fauffet hergeftellte ift in ihrer
Art mufterhaft; die Akribie, mit der der Text abgedruckt
und die Varianten der Ausgaben — Handfchriften find
nämlich nicht mehr vorhanden — notiert werden, ift
nicht zu übertreffen; daß Fauffet von Migne bloß einen
der fchändlichen Neudrucke kennt und benutzt (Paris 1886),
hat hier keine üblen Folgen. Ein Schreibfehler wie S. XLI
n.3 dv&Qcojüvov ftatt dv&Qcojcivtjg ift geradezu eine Rarität;
in den Anmerkungen zum Text wird fehr reichliches

Material zur Erleichterung des Verftändniffes geboten, und
nicht bloß gute Überfetzungen und Parallelftellen mitgeteilt
. Die Einleitung orientiert zunächft(S. XIII—XXIX)
über das Literargefchichtliche, von da bis S.LXI V über den
dogmengefchichtlichen Gehalt von Novatians Schrift; hier
fällt eine Neigung auf, den alten Autor recht nahe an die
heutige Orthodoxie heranzuziehen. Meinem Gefchmack
widerfpricht aber überhaupt die Einmifchung dogmati-
fcher Reflexionen in die gefchichtliche Darfteilung der
Gotteslehre Novatians; der Herausgeber will durchaus
unter fortwährender Verweifung auf gute Bücher, wie
Illingworth, Moberly, Bifchof Bull, in nahezu feelforger-
lichem Ton die echt katholifche, d. h. anglikanifche
Wahrheit vom dreieinigen Gott plaufibel machen. Wenn
I er darauf verzichtete, könnten feine Prolegomena um
2/3 kürzer fein, und Novatian wäre vielleicht mehr zu
feinem Recht gelangt; auch im Index I, der die Subjects
notiert, flößt man auf viele Titel, die in der Textausgabe
eines Autors von ca. 250 n. Chr. niemand erwartet.

Allein bei dem billigen Preife des Büchleins darf man
fich über ein folches Zuviel nicht beklagen; höchft bedauerlich
dagegen find zwei Mängel, um fo mehr als
| bei dem feltenen Fleiß und dem hohen Maß von Umficht
und Treue, das den Verf. auszeichnet, fie leicht hätten
; vermieden werden können. Einmal find die Regifter der
i Bibelftellen und der lateinifchen Worte ungenügend, und
| bei der Textkritik hat fich Fauffet wichtige Hilfsmittel
entgehen laffen.

Ich finde es nicht nachahmenswert, daß im Bibelftellen-
Verzeichnis in größerer Zahl folche auftreten, die (z. B.
[ Rom. 6,3. 1 Kor. 8,6) nur zufällig in einer Note vom
Herausgeber erwähnt worden find, während der Text
nicht einmal eine Anfpielung auf fie enthält; andrer-
feits find von Novatian mehr oder minder deutlich be-
I nutzte Schriftworte mehrfach überfehen worden, z. B.
| Mt. 5,8. 105,3 (nicht bloß 104,8), Mt. 11,27— zwar nicht
117,5 aber — 35,13. u6,9f. 122,1, Joh. r, 3 auch 59,21
I und 118,8 ff. 1 Kor. 12, 28—30 S. 107, 22 ff. Im Index III
I füllten Worte wie contemplabilis, colluctatio, praede-
stino, prorumpo, revelatio, ceterum, non tantum, tantum-
I modo, sed enim u. dgl. nicht fehlen. Aber die Haupt-
j fache ift, daß bei den aufgenommenen Worten nur eine
Zufallsauswahl von Stellen vermerkt wird. Ich glaube,
wenn ich die Hapaxlegomena ausnehme, die ge-
| nannten Fundorte nahezu verdoppeln zu können; nicht
einmal bei den Eigennamen ift das Regifter vollftändig,
I bei divinitas z. B., bei mens, bei caelestis fehlt über die
Hälfte der Belege. Nun ift ein Wort - Regifter zu der
| ficheren Hauptfchrift des Novatian aber nicht bloß neben
1 den verhältnismäßig guten Indices, die wir zu Tertullian
und Cyprian fchon befitzen, eine befonders erwünfehte
' Arbeit, fondern fie ift geradezu unentbehrlich für Er-
| ledigung der literarifchen Streitfragen um novatianifche
Dubia; und bei der Emendierung zweifelhafter Sätze in
| dem fo dürftig überlieferten Texte des Uber de trini-
I täte kann nur ein ebenfo vollftändiges wie zuverläffiges
j Regifter über den Wortfehatz und die Eigentümlich-
j keiten in der Sprache des Autors geeignete Dienfte
; leiften.

Fauffet hat fich redliche Mühe gegeben, den mangel-
I haften Text, um den fich fchon feine Landsleute Welch-
man und Jackfon vor 200 Jahren verdient gemacht haben,
j durch Konjekturen zu verbeffern. Sein Vorfchlag z. B.
S. 33,ii induit carnem ftatt voluit c, zu lefen, trifft das
Richtige; ich würde nur dann auch ne nullam . . intet-
legamus ftatt nullam int. fchreiben, entfprechend dem ne
non nobis venerit 33,9, dagegen das durch die ungeheuer-
| liehe Exegefe zu /. 11 nicht erträglich gewordene in illo
nostro zugunften des alten, wenigftens etwas Sinn ergebenden
in illo nostram ftreichen. Daß die Bibelzitate
in unferm Traktat teilweife nach einem fpäteren, Vulgata-
ähnlichen Bibeltext umgeftaltet worden find, wird als wahr-
fcheinlich auch F. zugeben: warum fagt er es nicht aus-