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Ausgabe:

1909 Nr. 16

Spalte:

454-455

Autor/Hrsg.:

Bosse, A.

Titel/Untertitel:

Die chronologischen Systeme im Alten Testament und bei Josephus 1909

Rezensent:

Volz, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 16.

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denn auch Stahn nach Ausfcheidung von Ii« D'vTbS! "YT?™1!!
16,17 als der urfprünglichen Simfonerzählung fremd anfleht
. ,Wohl aber läßt fich verliehen, warum ein Späterer
die Worte hinzufügte. Sie follten die merkwürdige Erzählung
von Simfons langem Haar erklären' (S. 21). Das
ift nicht unmöglich; immerhin macht es 13, 12, fpeziell
3rröyrn in diefem Verfe, trotz allen Gegenbemerkungen
Stahns nicht leicht, Simfons Nafiräat einfach zu eliminieren.
Kein Wunder, daß Stahn diefes WritaJfll am Liebften als
Gloffe ftreichen würde! (S. 15) Wohl mit Recht reduziert
er im übrigen Simfons 3 Wanderungen auf 2, indem er
Kap. 14 mit V. 5. 6a und einer Vereinigung von V. 7
und ib beginnen läßt. Darin folgt er dem Vorgang
Frankenbergs. Aber was bei jenem den Schein der Willkür
hatte wecken können, das erfcheint hier ungleich
natürlicher durch die plaufible Ausfchaltung der Erzählung
von Simfons Eltern. Für weniger glücklich halte ich
Stahns Konjektur zu 16, 24 Anfang: WTJTj ftatt int* W)v3-
Aber darin freilich muß ich ihm Rech't geben, daß fich
die beliebte Umftellung von V. 24 und 25 wegen des
guten Zufammenhanges von V. 25 und 26 nicht empfiehlt.
Ich flreiche V. 23b als Dublette zu 24b und vermute in
den erften Worten von 24a D»n WX allerdings
auch eine Verfchreibung, etwa aus Dürrns W1J??3 (vgl.
I Kön. 1,9). Bei aller Anerkennung 'des Ünter'fchiedes
von Jud. 13 einerfeits und Kap. 14—16 anderfeits hält
Stahn die Zweifel an der fchriftftellerifchen Einheit des
Ganzen für unberechtigt. Fein ift der literarifche Nachweis
, daß wir es in den Simfonerzählungen nach Form
und Inhalt mit Dichtungen, die alter Volksüberlieferung
entnommen feien, d. h. mit Sagen zu tun haben. Hinter
ihnen fleht auch nicht, was an fich trotzdem möglich
wäre, eine gefchichtliche Perfönlichkeit. ,Von Simfons
Taten bleibt nach Abzug von allem Ungeheuerlichen
und Unwahrfcheinlichen nichts übrig, was menfchlich
groß und glaubhaft wäre. So ift nichts von einem
hiftorifchen Helden zu erkennen, von dem es zu verftehen
wäre, daß fich die Sage fo fehr für ihn begeifterte, daß
(ie ihn fogar in ein befonders nahes Verhältnis zu Jahwe
fetzte' (S. 28f.).

Im nächfien Kapitel (S. 29—78) führt Stahn den
m. E. ftichhaltigen Nachweis, daß man .diejenigen Simfon-
fagen, welche bei andern Völkern folare Parallelen haben,
als Sonnenfagen anfehen und, weil fie den Grundftock
der Simfonerzählungen bilden, Simfon feinem Namen
entfprechend für einen ehemaligen kanaanäifchen Sonnengott
halten darf (S. 78). In der Heranziehung von
Parallelen befchränkt fich der Verfaffer im Allgemeinen
mit Recht auf die Völker, die zu Kanaan einft irgendwie
in Beziehung ftanden. Damit ift die Möglichkeit von
Sagenentlehnung und Sagenwanderung von vornherein
gewährleiftet, und man wird fie um fo lieber zugeben,
wenn man mit Stahn Mets im Auge behält, ,daß die
beeinflußten Völker auch ihr Eigenes gehabt haben'(S. 75).
In alledem erweift fich Stahns Methode als vortrefflich,
und auch darin verfährt er mit befonnenem Urteil, daß
er in der Prüfung der Simfonfagen fäuberlich fcheidet
zwifchen Zügen, 1) die ihren Urfprung nicht in Simfon
fondern anderswo haben (ätiologifche Sagen wie Simfons
Heldentat zu Lechi, feine Gebetserhörung dafelbft, das
Wegtragen der Stadttore); 2) die über Simfons Wefen
keinen Zweifel laffen (feine Tötung des Löwen, ,ohne
daß er irgend etwas in der Hand hatte', der Löwe, von
dem Honig ausgeht, der Getreidebrand, die Kraft von
Simfons Haaren, fein Name, die Gegend feiner Wirkfam-
keit, in welcher alter Sonnenkult nachweisbar ift), 3) bei
denen eine urfprüngliche Beziehung zum Sonnengott
wahrfcheinlich ift (Simfons Geburt, fein Aufenthalt in
der Felfenkluft von Etham, feine Feffelung, feine Blendung
, die beiden Säulen des Dagonheiligtums, Simfons
Verhältnis zu Weibern); 4) die vielleicht mit dem
urfprünglich folaren Charakter des Helden zufammen-
hängen (die Quelle, der Efelskinnbacken, Simfons Spiel

am Dagonfeft, feine Sklavendienfte in Gaza, feine Beziehungen
zum Weingelände, feine Riefenkraft, der Feuertod
feines W'eibes). Dem reichen von Stahn beigebrachten
Material füge ich noch bei den Hinweis auf Jenfens
! Erklärung von Simfons Rätfei (Das Gilgamefchepos in
der Weltliteratur I S. 389 k) und die in Chaibar auf Ali
übertragenen Sagen vom Ausheben und Fortfehaffen von
Stadttoren fowie von feiner durch Spaltung entstandenen
Quelle (vgl. Wilhelm Sarafin, das Bild Alis bei den
| Hiftofikern der Sünna S. 19fr. 32f.). Unhaltbar fcheint
| mir Stahns Faffung von Hef. 8, i6f. (S. 70; vgl. meinen
j Kommentar zur Stelle). — Ein kurzes Kapitel über die
I Gefchichte der Sage (S. 78—81) mit einem gefchickten
Verfuch, die Umbildung des ehemaligen Sonnengottes
Simfon zum Philifterfeind aus der Zeit Davids zu erklären,
befchließt das Ganze. Die fchriftliche Feftlegung der
I Sage fetzt Stahn in die Zeit des israelitifchen Doppelkönigtums
.

Ich fehe in Stahns Schrift eine erfreuliche Förderung
des viel umstrittenen Simfonproblems.

Bafel. Alfred Bert hol et.

Bolle, A., Die chronologifchen Sylteme im Alten Teftament
und bei Jofephus. (Mitteilungen der Vorderafiatifchen
Gefellfchaft. 1908. 2.) Berlin, W. Peifer. (III. 76 S.)
gr. 8° M. 3 -

Boffe findet im maforetifchen Text des AT. zwei
chronologifche Systeme. 1) das mehr populäre Syftcm
, der Generationsrechnung zu 40 Jahren; Ausgangspunkt
i ift die Geburt Sems, Schlußpunkt das Ende des Exils,
i zufammen 20cx>==50><40 Jahre; Terah ift dabei auszu-
fcheiden; die Flut dauert 40 Tage. Diefe Chronologie
j gehört keiner der Pentateuchquellen an, fondern ift für
, fich entstanden. 2) Das gelehrte, auf auswärtigem Einfluß
| ruhende Syftem des großen Sonnenjahrs. Grundzahl
ift der große Monat = 260 Jahre (babylonifche Kalenderzahl
), das Luftrum zu je 5 Jahren zu je 52 Wochen
(5x52 = 26b). Die Summe des großen Sonnenjahrs
(365 V4 TaSe) II* dann 12x260 + 46, wobei 46 dem
5 >/4 entspricht (30 = 260; 51/4 = 45l/, = 46). Diefe
Chronologie ift priefterlich-kosmologifch; Ausgangspunkt
ift die Weltfchöpfung, Endpunkt die Tempelweihe; die
Flut dauert hier 365 Tage; am Eingang des erften Drittels
fleht Adam, das 2. Drittel beginnt Noah, das dritte
Jakob. Diefe gelehrte Chronologie ift jünger als die
1 andre; beide bestanden urfprünglich wohl nebeneinander.
I Es legt fich nahe, das gelehrte, babylonifch beeinflußte
i Syftem mit Beroffus zu vergleichen; die Beziehungen
j find unverkennbar; die Flutzahl und die Schlußzahl des
hebräifchen Systems laffen fich als Reduzierung des be-
I roffifchen großen Jahres 432000 herausrechnen; die Flut
im babylonifchen Syftem ift durch die Tempelweihe
erfetzt. — Gegenüber der Chronologie des maforetifchen
Textes erweifen fich die chronologifchen Theorien der
Rezenfionen als minderwertig. Septuaginta hat ebenfalls
das große Jahr, ändert aber das Sonnenjahr in ein Mondjahr
. Der Samaritaner benützt die Generationsrechnung,
ausgehend von der Weltfchöpfung, endigend mit der
Ausmeffung des Garizim (vgl. die famarit. Chronik); die
Jubiläen vertreten eine weitere Modifikation des Samari-
taners. Dem Jofephus lagen drei fertige Systeme vor,
das maforetifche große Sonnenjahr mit der Generationsrechnung
verfchmolzen, das Syltem der Septuaginta und
| die Siriuschronologie; er vermifcht die verfchiedenen
Systeme willkürlich, fo daß feine Chronologie nicht als
maßgebend gewertet werden darf. Zum Schluß befpricht
B. die zwei genealogifchen Tafeln Gen. 5 (ohne Noah) u.
Gen. 11 (ohne Terah); fie find voll geiftreicherBerechnungen;
die Adamitentafel Kämmt wohl vom Verfaffer des großen
Sonnenjahrs-Syftems, denn fie hat mit diefem Sonnen- und
Luftrumzahlen gemein. Die Namen der beroffifchen Lilte