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Ausgabe:

1909 Nr. 16

Spalte:

452-454

Autor/Hrsg.:

Stahn, Hermann

Titel/Untertitel:

Die Simsonsage. Eine religionsgeschichtliche Untersuchung über Richter 13-16 1909

Rezensent:

Bertholet, Alfred

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451 Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 16. 452

übrigens S. 48), und daß es dabei wie fo oft vielmehr eingezogen fei. Dazu follen die politifchen Verhältniffe
auf die Akzentfetzung ankommt. E.'s Darftellung lieft vorzüglich ftimmen. Die Jofephsgefchichte würde der
fich ftellenweife fo, als gälte es dem Irrtum begegnen, i Zeit des Septah und des Trsw ca. 1210 angehören (S. 69).
die Verhältniffe der Königszeit hätten die Erzählungen ! Verwandte Hebräer, d. h. die 'Apriw, die bereits Grabas
hervorgerufen' (vgl. S. 32). Dann (fände allerdings zu j mit den 'Ibrim zufammengeftellt hatte, wären aber fchon
erwarten, daß diefe Erzählungen das getreue Spiegelbild [ zuvor eingezogen, woran vielleicht noch eine Erinnerung
der hiftorifchen Tatfachen wären, was fie, wie E. mit in Gen. 12, der Erzählung von Abrahams Zug nach
Leichtigkeit zeigen kann, zum großen Teile nicht find | Ägypten, erhalten fei. Die Zeit des Auszuges hätte man
(vgl. vor Allem die Jofephgefchichte, aber auch die Jakob- nach Ramfes IV um 1130 anzufetzen.
Efau- und Jakob-Labangefchichte S. 30—33). Trotzdem i Ich halte das für eine unmögliche Konftruktion. Und
behält m. E. Wellhaufens Wort feine Berechtigung, daß ; daran ift nicht einmal das Schlimmfte, daß für die Er-
überall der Hintergrund und dieStimmung der israelitifchen oberung, die Zeit der Richter, Samuels und Sauls auf
Königszeit durchbreche, wie fich denn auch E. wenigftens diefe Weife nur 125—130 Jahre bleiben. Aber ganz
der Erkenntnis nicht entziehen kann, daß die Königszeit Israel — denn ein ,außerägyptifches' gibt es nicht
die Erzählungen .beeinflußt' habe (S. 34). Ganz ent- (S. 59. 67) —, das fchon als Bauernvolk in Kanaan
fprechend hätte ich über E.'s Zurückweifung der Hammes- J wohnt, wie E. mit allem Nachdruck betont (vgl. S. 67.
gefchichtlichenDeutungSteuernagels(S.34—37)zu urteilen. > 71. 77), zieht nach Ägypten: man denke fich diefen
Diefer Deutung Vorausfetzung, daß uns die Patri- , Abbruch feßhaften Lebens im Kulturlande! Erft bedürfte
archenfagen über Nomaden berichten, führt E. zur Unter- ; es einer einleuchtenden Erklärung für feine an eine
fuchung diefer ganzen ,Nomadentheorie' (Kap. II), und ; affyrifche Deportation gemahnende Gewaltfamkeit. Und
er meint ihre Unrichtigkeit dartun zu können: Die ferner: wenn man mit E. der altteftamentlichen ÜberPatriarchen
waren Halbnomaden, undHalbnomaden treiben | lieferung mit mehr Zutrauen entgegentreten will (S. 73),
auch Ackerbau und flehen den Bauern näher als den dann ift das Erfte, was wir daraus lernen können, daß
Beduinen (S. 39L), trinkt doch z. B. Ifaak bei der Mahl- j das gemeinfame Erlebnis der Gotteshilfe beim Auszug
zeit fogar Wein (Gen. 27,25)! Das ift im Allgemeinen ; überhaupt erft die Möglichkeit der Entftehung eines
richtig; immerhin vgl. z. B. Radioff, aus Sibirien I 463k israelitifchen Volkes fchafft. Aber nach E. wäre es fchon
Keinesfalls aber darf man daran die Schlußfolgerung als fozufagen fertige wenn auch nicht politifch felbftändige
knüpfen: ,Die Religion der Wüfte, welche man gerne der , Größe nach Ägypten gekommen. Wohl betont er die
Religion Kanaans gegenüberftellt, ift eine Periode der Kleinheit der damaligen Menfchenzahlen und findet, daß
israelitifchen Religionsgefchichte, welche man bei richtiger das Familienbild der israelitifchen Tradition mehr Wahr-
Erklärung der Genefis aus den Lehrbüchern ftreichen fcheinlichkeit an fich habe, als man gewöhnlich annimmt
muß' (S. 43 vgl. auch 86). Das ift zweifellos übereilt. (S. 78). Aber trotz E.'s Bemerkungen (/. c) weiß ich
Man muß nur außerhalb der Genefis gehen und in die | nicht, wie er fich dann bei der relativen Kleinheit der
prophetifche Literatur, deren Zeugnis E. kaum zu Worte Zeitabftände im Ernfte beifpielsweife mit der Angabe des
kommen läßt, vor Allem in Hofea einen Blick werfen, Deboraliedes abfindet, das Jud. 5,8 von 40000 Waffen-
um fich zu überzeugen, daß die Theorie der Wüftenreligion ! fähigen in Israel fpricht, mag die Zahl auch ftark über-
denn doch nicht fo rafch abgetan ift. Ich fehe auch trieben fein. E. hält für die befte Erklärung der Sagen,
gar nicht ein, inwiefern die freundlichen Beziehungen zu j daß in diefen Familien Perfonen gelebt haben, welche
den Kenitern als den ,Wüftenfchmieden' gegen fie oder | die Namen Abraham und Isaak führen (S. 82). Das ift
gegen die Nomadentheorie fprechen füllten (vgl. dagegen keineswegs unmöglich; nur ift mit diefer Erkenntnis,
S. 44—46). Daß aber die Patriarchen in der Tat nicht j wenn daraus nicht mehr folgt, als daß man die Möglich-
als Nomaden fondern als Halbnomaden erfcheinen, gerade keit der Exiftenz von Menfchen Abraham und Isaak offen
das könnte einfach als einer der ficherften Beweife dafür ; laffen muß, dem nicht viel geholfen, der aus den Sagen
in Anfpruch zu nehmen fein, daß die Darfteilung ihrer | über fie keine weiteren hiftorifchen Mitteilungen glaubt
Gefchichte durch die Verhältniffe der Königszeit ,beein- herauslefen zu dürfen. — Was endlich den letzten Ur-
flußt' worden fei. 1 fprung der Israeliten betrifft, fo verteidigt E. der Aramäer-

Das dritte Kapitel handelt vom hiftorifchen Wert der I theorie Eduard Meyers gegenüber die Meinung, wir hätten
Sagen. Aus dem Charakter der israelitifchen Sage keine Veranlaffung, die Vorftellung der altteftamentlichen
möchte E. nicht fchließen, daß die Perfonen, von welchen Tradition zu korrigieren, wonach die Vorfahren der Israe-
erzählt wird, niemals exiftiert haben. Die Perfonen felbft 1 liten aus Babylonien und Mefopotamien flammen (S. 82.84).
erfindet die Sage nicht (S. 49). Bei aller Anerkennung E.'s Schrift wirkt durch treffliche Einzelheiten wie

der Volksphantafie und der Syftematifierung, durch fie ' durch den Widerfpruch, den fie in Hauptpunkten hervor-

allein werden wir mit der Tradition nicht fertig. Um fo
wichtiger, daß dafür die ägyptifchen Quellen ergänzend
eintreten (Kap. IV), und das Refultat, zu dem durch ihre
Prüfung E. geführt wird (S. 56), ift 1) daß der Auszug
nicht unter einem Pharao der 18. oder 19. Dynaftie ftatt-
gefunden haben könne; 2) daß es nicht möglich fei, das
Israel der Merenptah-Stele zu deuten als einen Teil des
fpätern israelitifchen Volkes, das niemals in Ägypten
einzog und fich fpäter den ausgezogenen Verwandten
anfchloß; 3) daß die Hebräer nicht mit den Chabiri iden-

ruft, gleich anregend.

Bafel. Alfred Bert hol et.

Statin, Dr. Hermann, Die Simfonlage. Eine religions-
gefchichtliche Unterfuchung über Richter 13—16.
Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1908. (V, 81 S.)
gr. 8° M. 2.40

Die vorliegende Schrift gibt fich als Unterfuchung
tifiziert werden könnten (Chabiri = die Bauernbevölkerung, ] über die eigentliche Bedeutung Simfons unter Berückweiche
nicht in den Städten wohnte = Choiri als Be- fichtigung der vorhandenen fagengefchichtlichen Parallelen,
wohner von Charu, was der ägyptifche Name für einen | Ein Blick auf die ,Gefchichte der Simfonerklärung', womit
Teil Paläftinas war S. 64f.); 4) daß 'A-sa-rw nicht mit j Stahn feine Schrift eröffnet (S. 1—12), zeigt, daß eine
dem Stamme Affer zufammenzubringen fei. — Da nun methodifche Unterfuchung diefer Art heute nicht über-
die Israeliten (und nicht bloß ein Teil von ihnen) in . flüffig ift. Der Verfaffer geht von einer Kritik der
Ägypten gewefen fein müßten und der Auszug vor [ biblifchen Quellen aus (S. 12—29). Seine Textbehand-
Merenptah, in deffen 5. Jahr nach Ausweis feiner Stele lung ift bei aller Schärfe maßvoll und enthält einige
Israel in Paläftina faß, unwahrfcheinlich fei, fo nimmt E. beachtenswerte Vermutungen. Ich hebe daraus hervor,
(V die Zeit des Auszuges) feine Zuflucht zur Annahme, J daß Jud. 13,5 und 7fin. ausgefchieden werden, womit
daß Israel erft nach dem 5 Jahr Merenptahs in Ägypten | Simfons Nafiräat aus Kap. 13 ganz verfchwindet, wie es