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Ausgabe:

1909 Nr. 15

Spalte:

430-431

Autor/Hrsg.:

Muss-Arnolt, W.

Titel/Untertitel:

Assyrisch-Englisch-Deutsches Handwörterbuch 1909

Rezensent:

Jensen, Peter

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 15.

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genauer. Wir erhalten den überzeugenden Nachweis,
daß der lateinifche Irenaus den Tertullian benutzt. Au-
guftin ift der erfte Kirchenvater, der den lateinifchen
Irenaus kennt. Diefer entftand vermutlich in Nordafrika
in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts.

A. Kloftermann zeigt uns, daß wir vom Schul-
wefen im alten Israel doch mehr wiffen, als es auf den
erften Augenblick den Anfchein hat (S. 193—232). K.
Hellt zunächft zufammen, was wir unmittelbar über den
Unterricht erfahren. Dann befpricht er genauer drei
Bibelabfchnitte, die mittelbar von befonderer Wichtigkeit
find: Jef. 50,4—9; 28,9fr.; Sprüche 22,17—21. Als
eine wertvolle Einzelheit erwähne ich die Textverbefferung,
die K. S. 201 zu 1. Mofe 41,43 vorfchlägt: jnilD 'US*
,Vater Amenhoteps IV.' ftatt jraimnx.

E. F. Karl Müller teilt Beobachtungen zum
neuteflamentlichen Sühneglauben mit (S. 233—250).
Er beftimmt zunächft genauer den Begriff Sühne, den er
ftreng fcheidet von dem Begriffe Verföhnung. Dann
teilt er den in Betracht kommenden biblifchen Stoff mit.
Sein Schluß lautet: ,Die Ausfagen, die fich auf Offenbarung
und Angebot der Gnade in Chrifto . . . beziehen,
lauten univerfal, diejenigen, die es mit feiner Stellvertretung
zu tun haben, lauten partikular'. Die Bedeutung
diefes Schluffes fucht der zweite Teil des Auffatzes herauszuarbeiten
.

E. Neitle befpricht die Textgefchichte der zwei
Namen Kapernaum und Kaiphas (S. 251—270) und
gibt damit einen neuen Beweis für die Tatfache, daß die
Überlieferung der Namen textgefchichtlich von befonderer
Wichtigkeit fein kann. In diefem Falle erhellen fie
manches dunkle Stück der Überlieferung.

H. Ohl handelt über die rechte evangelifche
Lehre von der Buße (S. 271—288) und fetzt fich dabei
vor allem mit Herrmann auseinander. Herrmanns ge-
fchichtliche Darftellung der Lehre Luthers findet er nicht
durchweg treu, das Ürteil über Luther nicht gerecht.
Weiter vermißt er bei Herrmann vor allem einen ausführlichen
Schriftbeweis.

E. Riggenbach unterfucht eingehend den Begriff
der öictxrijx?] im Hebräerbriefe (S. 289—316). An
der Spitze flehen philologifche Erörterungen über den
Sprachgebrauch des Profangriechifchs, das öiadrjxrj als
,Teftament' auffaßt, und der Septuaginta; hier hat öiad-rjxr/
vorwiegend die Bedeutung ,Bund', vielleicht auf Grund
des ionifchen Sprachgebrauchs, oder die Bedeutung Anordnung
'. Im Hebräerbriefe wird (wie bei Philo) der
Begriff öiafrrjxT) in dem Sinne von ,Teftament' gefaßt.

W. Sanday befchäftigt fich in einem englifch ge-
fchriebenen Auffatze (S. 317—338) mit dem Apoftel-
dekrete (AG. 15,20—29). Er unterfucht der Reihe nach
die Textüberlieferung, die Deutung und die Gefchicht-
lichkeit und fetzt fich dabei vor allem mit A. Harnack
auseinander.

R. Seeberg fchenkt uns Beiträge zum dogma-
ti fchen VerftändniffederTrinitätslehre(S.339—368).
Er geht aus von den leitenden Gefichtspunkten der
überlieferten Lehre von der Dreieinigkeit (Einheit, drei
Hypoftafen, gegenfeitige Abhängigkeit der Hypoftafen).
S. unterfucht die Bedenken, die diefer Lehrformulierung
entgegenftehen. Ein richtiges Verftändnis der Lehre von
der Dreieinigkeit muß vom Neuen Teftamente ausgehen.
Deffen hierher gehörende Gedanken werden deshalb dar-
yefteilt. Daran knüpfen dann Seebergs eigene dogma-
tifche Erwägungen an. Diefe legen befonderes Gewicht
darauf, der chriftlichen Frömmigkeit zu entfprechen, die
Grundgedanken des überlieferten Dogmas zu bewahren
und dem Bewußtfein der Gegenwart zu genügen.

E. Sellin unterfucht die Schiloh-Weisfagung
I- Mofe 49, 10 (S. 369—390). Seine Ergebnis lautet, daß
diefe Weisfagung immer noch nicht ganz ficher gedeutet
ift. Als ficher gilt ihm aber, daß der ganze Abfchnitt
i. Mofe 49,10b—12 eine unmittelbare meffianifche Weisfagung
ift, die ältefte, die wir befitzen; denn die Stelle
kann unmöglich nach der Zeit Davids oder Salomos angefetzt
werden. Für die Gefchichte der altteflamentlichen
Eschatologie ift diefes Ergebnis natürlich fehr bedeutungsvoll
.

G. Wohlenberg gibt genauere Mitteilungen über
einen alten lateinifchen Kommentar zu den vier
Evangelien (S. 391—426; vgl. Wohlenbergs Auffatz in der
Neuen kirchl. Zeitfchr. 18, 6, 1907, S. 427 ff.). Der Kommentar
fleht unter den Werken des Hieronymus (Marti-
anay 5 Sp. 847fr.). W. vermutet, daß der Kommentar auf
den Fortunatian zurückgeht, den Hieronymus de vir. inl.
97 erwähnt.

Halle (Saale). J. Lei pol dt.

Muss-Arnolt, W., AIIyrirch-Englilch-Deutlches Handwörterbuch
. Berlin, Reuther & Reichard 1894—1905. (XIV,
1202 S.) Lex.-8° M. 95 —

Das große, trotz Allem fo nützliche Werk von Muß-
Arnolt, eine Frucht ftaunenswerten entfagungsvollen
Fleißes, liegt uns bereits feit dem Jahre 1905 abgefchloffen
vor. Wenn mich mancherlei Arbeiten bisher verhindert
haben, es hier zur Anzeige zu bringen, fo fühle ich jetzt
um fo fchwerer die Pflicht, dies eiligft nachzuholen, als
ich f. Z. in diefer Literaturzeitung (1895, Spalte 328 fr.)
die erften Lieferungen diefes Buchs recht ungünftig beurteilen
mußte.

Das Werk foll kein Konkurrenz-Unternehmen gegen
Delitzfch's Handwörterbuch fein und kann das auch nicht
fein. Es foll bekanntlich in erfter Linie regiftrieren: 1) die
Hauptmaffe der affyrifchen Wörter und 2) nicht deren
Bedeutungen lediglich nach Muß-Arnolts Anficht, fondern
alle nennenswerten und nicht nennenswerten Deutungs-
verfuche dafür mit Angabe der Urheber und Literaturnachweifen
.

Ein Buch kann in vielen Beziehungen miserabel und
doch für Viele nützlich, kann aber auch in mancher
Hinficht ausgezeichnet und doch für die Meiften unbrauchbar
fein. Diefe Tatfachen muß man fich vor Augen
halten, wenn es gilt, das Muß-Arnolt'fche Werk richtig
einzufchätzen.

Vorab muß bemerkt werden, daß in dem Buche
eigene neue Gedanken von irgend welchem Belang, foweit
ich fehe, nicht Hecken. Muß-Arnolt ift eben Sammler,
Regiftrator, Ordner, will indes auch gewiß garnicht mehr,
d. h. will kein Finder und Entdecker fein. Und braucht
auch garnicht mehr zu fein. Aber freilich, zum Sammeln,
Regiftrieren und Ordnen eines Sprachfchatzes gehört doch
noch wenigftens Etwas, nämlich 1) völlige Beherrfchung
der Sprache mit ihren Formen, foweit bekannt, und 2)
Kritik. Es kann nun nicht geleugnet werden, daß Muß-
Arnolt Beides durchaus nicht in genügendem Maße befitzt
und daß er, was diefe Punkte anlangt, mit Delitzfch
überhaupt nicht zu vergleichen ift. Und diefe beiden
Fehler treten leider auch noch in der letzten Lieferung
ftark zu Tage, wenn auch freilich, wie zugeftanden werden
muß, lange nicht mehr in dem Maße, wie in den erften
Lieferungen. Ob Muß-Arnolt einem Worte eine richtige
Bedeutung gegeben hat oder nicht, ob es von verfchie-
denen für ein Wort geratenen oder erfchloffenen Über-
fetzungen die richtige ift oder eine falfche, die er als die
richtige an die Spitze ftellt, hängt oft genug weniger von
feinem wohl erwogenen fcharfen Urteil über die Sachen,
als von feinem Urteil über die Perfonen ab, welche die
Sachen vertreten, und der communis opinio über die Sachen.
Und irgendwie bedeutfame Berichtigungen, die im reichften
Maße notwendig wären, fucht man bei Muß-Arnolt vergebens
. Man möge in diefen Worten nun nicht etwa
einen Ausfluß gekränkten Ehrgeizes fehen. Daß davon
nicht die Rede fein kann, dürfte wohl allein fchon der
Umftand beweifen, daß ich mich in keiner Weife über
eine fchlechte Behandlung zu beklagen habe. Ganz im

*