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Ausgabe:

1909 Nr. 14

Spalte:

414-416

Autor/Hrsg.:

Braun, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Bedeutung der Concupiscenz in Luthers Leben und Lehre 1909

Rezensent:

Tschackert, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 14.

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So fagt der Verfaffer, nachdem er mehrmals betont hat, 6j, 13 nicht fo gering einfchätzen möchte wie P. es tut,
daß der eigentliche Träger der Unfehlbarkeit für Cyprian glaube ich doch mit ihm, daß Stellen wie Ep. 63,15, laps.
immer der ganze Episkopat fei: ,1m Grunde läuft ja diefe 25 u. a. den Schluß verbieten, daß Cyprians Anfchauung
Theorie mit der Lehre der Unfehlbarkeit des Papftes j vom Abendmahl ,rund und rein die fympolifch-fakri-
auch allein auf eins hinaus; aber Cyprian ift lieh j fizielle'fei. Zum minderten muß man mit Scheel (Religion
deffen nicht bewußt' (89; Sperrung von mir). Das j in Gefchichte und Gegenwart 1, 61) fagen, daß Cyprian
ift eigentlich ein klaffifcher Satz, durch den die gefchicht- fein fymbolifch-repräfentatives Verftändnis des eucharifti-
liche Betrachtung auf den Kopf geftellt wird. Er mag fchen Opfers in eine realiftifche Sprache gekleidet hat,
hier für fich felbft fprechen; denn um ihn gebührend zu die feine Auffaffung zu einem Problem macht, deffen
erläutern, müßte der ganze Streit zwifchen dogmatiftifchem Löfung aber nach meiner Meinung mehr in der von P.
und ,evolutioniftifchem Standpunkt' (Pofchmann S. 60, behaupteten Richtung liegt. Dabei bin ich mir der
Anm. 1) aufgerollt werden, und dabei würden unfere Wahrheit des Satzes, daß es eine rein ,fymbolifche' AufArgumente
dem Verfaffer fchwerlich Eindruck machen, faffung im modernen Sinn in diefer alten Zeit überhaupt
Beweifend dafür fcheint mir die naive Art, mit der er nicht gegeben hat, wohl bewußt. ,Das Symbol ift das
Cyprians hierarchifchen Kirchenbegriff — er nennt ihn Geheimnis, und das Geheimnis war ohne Symbol nicht
felbft fo — als mit den urkirchlichen Vorftellungen felbft- denkbar', fagt Harnack (DG X8, 436). Sehr greitbar ift
verftändlich identifch empfindet. Er bemüht fich gar der Satz nicht und foll es auch wohl nicht fein, aber ich
nicht um einen vollftändigen Traditionsbeweis: Aufführung meine mit P., daß auch diefe F'eftftellung nichts anderes
der bekannten Ignatiusftellen und einer falfch verftandenen befagt, als daß die Elemente der Sakramente damals wie
Hermasftelle (Sim. 9, 16, 3: ftrj xoXXcöfievoi xolq öovXoig j heute (nach katholifcher Lehre) in ihrer natürlichen
xov &eov dXXd [iovctCovreq dxoXXvovöi zag iavxcov rpv%dg Eigentümlichkeit als Symbol der Wirkung aufgefaßt
die öovXoi find — trotz Sohm, auf den P. fich bezieht, wurden, welche die einzelnen Sakramente hervorbringen,
doch nicht die imöxojcoi'.) genügt ihm. Klemens, der ihm | S. 136 tritt P. in Nachfolge von Effer und Stufler dafür
doch in mancher Beziehung wenigftens rudimenta hätte ein, daß man auch fchon vor Kailift eine Wiederbebieten
können, führt er merkwürdigerweife nicht an. j gnadigung aller Sünder gekannt und geübt habe. Einer
Gerade die Ge'genüberftellung von Ignatius und Cyprian Berufung auf Adam, Kirchenbegriff Tertullians, bedurfte es
macht doch aber einem feineren Empfinden fchlagend j dafür aber nicht. In der Tat hätte man es nie verkennen
deutlich, um welche ,Evolution' es fich hier handelt. Im follen; Tertullians Sprache in de paenitentia 7 ift zu
Übrieen'hat es keinen Zweck, diefe Betrachtung an diefer ! deutlich. S. 145: ,Ein geheimes Bußverfahren bei Tod

Stelle fortzufetzen, nachdem erft kürzlich Harnack in
feiner Anzeige von Batiffols Eglise naissante (Nr. 2 diefes

fünden kennt der Kirchenvater nicht'. ,Damit ift aber
durchaus nicht gefagt, daß es damals kein geheimes

Jahrgangs) an hervorragendem Beifpiel gezeigt hat, wie | Sündenbekenntnis gegeben hat'. Sofern durch diefen
die Augen des katholifchen Forfchers bei aller Tüchtig- | Zufatz die Möglichkeit gegeben ift, fo etwas wie ,Ohren-
keit ,gehalten' find, ,fo daß er nicht fieht, was zu ; beichte' bei Cyprian zu finden, fällt er unter das weiter
fehen ift'. oben abgegebene Verdikt. Zur Erläuterung fügt der

Wo es fich um Darfteilung und Deutung des bei ; Verfaffer aber hinzu: ,Das Geftändnis, welches der Sünder
Cyprian tatfächlich Vorliegenden handelt — und das ift , bei feiner Meldung zur Buße vor dem Bifchof oder einem
ja die Hauptfache an Pofchmanns Arbeit —, trifft der Priefter machte, ift jedenfalls in den meiften Fällen ge-
Verfaffer mit gefunder Kritik meift das Richtige, oft heim erfolgt'. Das ift freilich fo natürlich, daß man es
gegenüber ,evangelifchen' Dogmenhiftorikern, deren fich auch auf ,evolutioniftifchem' Standpunkt gefallen
Augen ja auch nicht immer geöffnet find. Ich hebe j laffen kann. Daß S. 186 Anm. 2 Philofophoumena ftatt
einige Einzelheiten heraus. S. 13 fchließt fich der Auf- Philofophumena gedruckt ift, moniere ich nur, weil man
faffung Chapmans (Rev. Bened. 1902 und 1903) an, daß 1 immer wieder der Neigung begegnet, griechifch ,or' mit
die Interpolationen in unit. ecel. von Cyprian felbft her- j lateinifch oder deutfeh ,ou' im Druck wiederzugeben,
rühren. Außer auf Watfons Anerkennung diefer Hypothefe Der Druck ift im übrigen tadellos.
{Journ. Iheol. Sind. 1904) hätte er auf Harnacks Artikel Gießen. G Krüner

in diefer Zeitung 1903, 267f. verweifen können. Richtig

ift daß man von^Fälfc'hung nicht mehr reden darf. Braun, Tic. Wilhelm, Die Bedeutung der Concupiscenz in

S '26- Zum Erweife, daß Cyprian die Selbftändigkeit und Luthers Leben und Lehre. Berlin, Trowitzfch & Sohn

Gleichberechtigung aller Bifchöfe nachdrücklich b««^ igo8. (VII, 312 S.) gr. 8» M. 6~-

wäre außer auf Ep. 55, 2! ^uc^u die3 Beweis- Denifle hatin feiner Schrift .Luther undLuthertum ufw.'

weifen gewefen. S. 18: A"™ ™" ™c^ der Ketzer- die Entwicklung des Reformators fo aufgefaßt, daß im

fuhrung von Ernft (Papft ^Phanus 1 n°J" Exordium Jahre 1515 in feiner Vorlefung über den Römerbrief der

taufftreit 1905) ein, wonach hPjl'^e%^e nicht fittliche Bankerott Luthers eingefetzt habe, indem er die

der SMtoUtae episcoporum von 256 ihre sp. Konkupiszenz für unüberwindlich hielt und von da an

g^gfn StgPhan r!che"- ' tJKZld Tdeiveritatcni Ep. Stufe für Stufe weiter fank bis zu feinem Tiefpunkt, der
Willen Gottes' ,der W^"*^ ; Verheiratung mit einer entlaufenen Nonne im Jahre 1525.

Sr ^ remfehen V^t^T^^.^ de ' So der Mönch Denifle über den Mönch Luther. Bietet
aer Kircnucnen wdiieriau. dazu das Buch Denlfles auch an unzahligen anderen Stellen

rebapttsmatt nimmt P. für Ernlt gegen koci t ^ß ^ Widerf h> fo muß man doch das Thcma

Juhcher m diefer Zeitung 1907, 507 m; j > der Konkupiszenz als das wichtigfte anfehen, weil

wie jener der Meinung daß der ^ ^ ^ ^ d£n ^ rf n def inneren

taufe an fich, d °h"« "'^e Ich veIg diefe, Entwicklung Luthers bilden foll. Es ift daher mit Freude
Heilswirkung abge3>r°ch^ der KiX handelt zu begrüßen, daß Wilhelm Braun in der vorliegenden

^^nSS^SS A-tffungCLs"den, Traktat | Schrift ^$*^&J^ Deniflefchen Auf-

nicht herauszulefen. S. 122: .Chriftus ift realiter in der
Euchariftie gegenwärtig'. Diefer Satz wird vornehmlich
gegen Loofs (Real-Enc. 1:!, 58) aufrecht erhalten. Obwohl
ich das Gewicht von Stellen wie Ep. 63, 2 und

1) So jetzt auch Hans v. Soden, Der Streit zwifchen Rom und Karthago
über die Ketzertaufe, Rom 1909, wie ich bei der Korrektur noch
anmerken kann.

faffung felbftändig unterfucht hat.

Der Verfaffer behandelt zunächft die Konkupiszenz
im Rahmen des fcholaftifchen Syftems und wählt als
Repräfentanten diefer Auffaffung zwei Theologen, die
.außer der Gefechtslinie flehen', Thomas v. Aquino und
Bonaventura. Er charakterisiert dabei die mittelalterliche
Theologie an drei Merkmalen, der Lehre vom Verdienft,