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Ausgabe:

1909 Nr. 12

Spalte:

371-372

Autor/Hrsg.:

Gihr, Nikolaus

Titel/Untertitel:

Prim und Komplet des römischen Breviers 1909

Rezensent:

Drews, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 12.

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als „göttliches" und „kirchliches" charakterifiert. Das
Stundengebet [wohl gemerkt, es ift immer von dem
privaten Stundengebet, nicht vom Chorgebet die Rede]
ihr ein vorzüglicher Beftandteil des öffentlichen Gottes-

Orient und Okzident hier felbftändig gegeneinander find, i diefer Gebetsfitte betont wird. ,Die Verrichtung der
was können dann die orientalifchen Verzeichniffe mir zum kanonifchen Tagzeiten ift eine Hauptobliegenheit und
Verftändnis der Entftehung der okzidentalen bieten? eine ganz hervorragende Amtstätigkeit des Priefters .. .
Wenn an den örtlichen Verzeichniffen nicht vorüberge- ; Um die Erhabenheit und Vortrefflichkeit diefer liturgifchen
gangen werden follte, um ihre Selbftändigkeit zu zeigen, j Amtsverrichtung anzudeuten, wird das Offizium oftmals
fo war es logifch richtig, auf fie am Schluß, nachdem
die weltliche Reihe ermittelt war, einzugehen. So fieht
man an diefem Punkt fchon, wie forglos der Aufbau des
Ganzen ift Aber das läßt fich auch weiter zeigen.

Wenn der Kardinalpunkt des Ganzen in jenen von mir j dienftes, den der Priefter im Auftrag und nach Anweifung
aus dem Vorwort herausgehobenen Sätzen beftehen foll, i der Kirche verwaltet. Wenn er das Brevier betet, voll-
fo muß die methodifch erfte Frage fein: Was wiffen wir ' zieht er eine liturgifche Handlung: er tritt dabei als
von den altrömifchen Evangelienperikopen? Damit be- i Amtsperfon auf und fpricht als Diener, als Gefandter,
fchäftigt fich aber erft Kapitel 6: ,Die Perikopenverzeich- als Repräfentant der ganzen Kirche' (S. 8). ,Die Prim
niffe Leos d.Gr. und Gregors d. Gr/ (S. 59— 65), nachdem j ift nicht etwa bloß privates, fondern liturgifches, d. h.
das 4. Kapitel von den Evangelienverzeichniffen Augu- ; mittlerifches Morgengebet. Die Kirche verrichtet
ftins und des Petrus Chryfologus (S. 41— 51) und das 5. vom | dasfelbe durch den Mund ihrer Diener für alle Gläubigen,
Conus des Hieronymus und von dem Epiftelverzeichnis j für alle ihre auf dem Erdkreis zerftreuten Kinder. Die
des Bifchofs Viktor von Capua (S. 52—59) gehandelt ] Verrichtung desfelben ift eine Amtspflicht, eine apofto-
haben. Jenes 6. Kapitel ift natürlich von zentraler Be- I lifche Tätigkeit des Priefters' (S. 96). ,1m Munde des
deutung. Für Gregors Perikopen werden mit Recht | Brevierbeters ift die Pfalmodie durchweg „Stimme der
feine 40 Evangelienpredigten herangezogen. Wenn aber Kirche" {vox Ecclesiae — S. Ambr.): die ganze Kirche
B. auch das fogen. Sacramentarium Gregorianum für betet durch den Priefter als ihren Gefandten und Diener,
feinen Zweck als echt benutzt, fo ift dagegen energifcher | Beim liturgifchen Pfalmengebete handelt es fich nicht
Widerfpruch zu erheben. Denn die Echtheit diefes j etwa bloß um die religiöfen Intereffen einer Einzelperfon,
Sakramentars ift nicht mehr erwiefen als die des sacramcn- J fondern um die wichtigften Anliegen der großen Welt-
tarium Leonianum und des sacr. Gelasianum. Aber auch 1 kirche' (S. 116; vgl. außerdem S. 117; 118; 218; 224; 272).
diefe nimmt B., ohne auch nur eine Silbe des Zweifels Neu find diefe Gedanken zwar nicht. Z. B. bei Thalhofer
zu äußern, für unbedingt echt. Freilich kann man ein- (Handbuch der katholifchen Liturgik I, Freiburg i. B.
räumen, daß am Ergebnis feiner Unterfuchung nicht 1883, S. 227; 239; 252) ift ganz Ahnliches zu lefen, aber
fonderlich viel durch diefe Frage geändert wird, daß , als hiftorifcher Bericht früherer Anfchauung. So hat es
nämlich Gregors Perikopenverzeichnis mit dem des heu- ; mich doch überrafcht, bei G. diefe Gedanken von dem
tigen römifchen Miffale eine bedeutendeTJbereinftimmung 1 öffentlichen, d. h. kirchlichen Charakter des Breviergebets
zeigt. Die folgenden Kapitel 7—14 behandeln die , und von feiner mittlerifchen Bedeutung fo ftark akzen-
Evangelienverzeichniffe von Gallien, Spanien, Mailand, tuiert zu lefen. Jedenfalls find demgegenüber Sätze, wie
Norditalien und Süddeutfchland, von England, ferner das i wir fie bei Loofs (Symbolik I, Tübingen und Leipzig
Verzeichnis Buchards von Würzburg, das der Pfalz- ; 1902, S. 196 und 353) lefen, nicht mehr haltbar. Näm-
kapelle Karls d. Gr. zu Aachen und die Homilienfamm- lieh, daß das Brevier das für den Horendienft oder die
lungen Alkuins und Paulus Diakonus'. Jedes diefer Ka- i tägliche Privaterbauung der Priefter beftimmte Gebet-
pitel fleht als ein felbftändiges Ganze da und nimmt : buch fei, oder daß es eine befondre Art klerikalen Gottesauf
das eigentliche Thema keinen unmittelbaren Bezug. ; dienftes gebe, die nicht priefterlich fei: das [latei-
Erft die drei letzten Kapitel (15 —17; S. 157—192) ver- j nifche] Breviergebet.

arbeiten, vor allem in der Form von Tabellen, das bis- Auch fonft, glaube ich, darf ich unfre Symboliker

her getrennt behandelte Material. In einem ,Schluß' i auf diefes Buch aufmerkfam machen. Die Auslegung
(S. 193—196) gibt der Verf. einen kurzen Aufriß von i des Vaterunfers (S. 18—47), des Ave Maria (S. 47—56),
der allmählichen Entwicklung des evangelifchen Peri- | des Kredo (S. 56—89), des Athanafianums (S. 177—201),
kopenfyftems, der fehr einleuchtend wirkt. die G. gibt, wird fie intereffieren. Wir flößen auf einen

Das Buch entbehrt nicht umfaffender Gelehrfamkeit j überrafchend ftarren Dogmatismus, deffen Lehrmeifter
und bringt vieles Lehrreiche. Aber der methodifche Bonaventura und Thomas find. Einige Proben! ,Der
oder richtiger methodenlofe Aufbau des Ganzen beein- I Heiland betete überall und immerdar — er betete in der

trächtigt ftark die Beweiskraft und macht die Lektüre | Krippe'.....beim Eintritt in die Welt' (S. 10). .Chrifti

zu keinem ungetrübten Genuß. | Auferftehung durfte weder zu früh noch zu fpät eintreten.

Würde er fofort nach dem Tod wieder ins Leben

Halle (Saale). P. Drews.

Gihr, Päpftl. Geh.-Kämm., erzbifch. geiftl. Rat, Prieft.-Sem.-
Subreg. Dr. Nikolaus, Prim und Komplet des römifchen
Breviers, liturgifch und aszetifch erklärt. (Theologifche
Bibliothek.) Freiburg i. B., Herder 1907. (VIII, 342 S.)
gr. 8° M. 4.40; geb. M. 6.40

Das Buch geht mehr den Symboliker als den Litur-
giker an. Denn was der Verf. an liturgifchem, fpez. an
gefchichtlich-liturgifchem Material beibringt, gibt fich
nicht als neue Forfchung aus. Dagegen wird es den
Symboliker intereffieren, zu fehen, wie nach ftreng katho-
lifcher Anfchauung der Priefter das Brevier zu beten hat.
Das Buch will mit feiner ausführlichen und eingehenden
Erklärung des beim Morgen- und Abendgebet zu
lefenden Materials der Gefahr ,oberflächlicher Routine'
wehren und es fchärft immer wieder die hohe Bedeutung
des Breviergebetes ein. Es war mir intereffant, zu fehen,
wie ftark der kirchliche', der ,priefterliche' Charakter

zurückgekehrt fein, dann wäre der Beweis für die Wahrheit
des Todes nicht erbracht gewefen; hätte die Auferftehung
aber allzulang fich verzögert, dann hätte er
fich nicht als Überwinder des Todes gezeigt und die
Menfchen hätten keine Hoffnung gefchöpft, durch ihn
vom Tode befreit zu werden — deshalb verfchob er
feine Auferftehung, aber nur bis zum dritten Tag (S.
Thom. Compend. theol, c. 236)' (S. 72). Das Buch ift
aber auch erfchreckend arm an warmen und echten
religiöfen Tönen, wofür gelegentliche Sentimentalitäten
nicht entfehädigen können. Etwas wie eifige Kälte liegt
über diefer .asketifchen' Erklärung des Breviers. — Verwunderlich
ift es, in folch' einem Buch auch Zitate von
Proteftanten, wie Hilty (S. 261), Strack, Gunkel und der
befcheidenen Luife Henfel (S. 263; 276) zu finden.

Halle (Saale). P. Drews.