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Ausgabe:

1909 Nr. 12

Spalte:

369-370

Autor/Hrsg.:

Hennemann, Karl

Titel/Untertitel:

Herman Schell im Lichte zeitgenössischer Urteile bei seinem Tode 1909

Rezensent:

Bruckner, Albert

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369

Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 12.

370

ftigen Arbeit in einer Form dar, die es auch dem Viel-
befchäftigten möglich macht, Schells Anfchauungen und
Methode aus der Quelle kennen zu lernen, zumal ein gründliches
Sach- und Namenregifter die Benützung der reichhaltigen
Sammlung wefentlich erleichtert.

Die Anordnung des Werkes ift eine rein chrono- I
logifche. Es beginnt mit einer Arbeit Schells über ,die
myftifche Philofophie des Buddhismus' aus dem Jahre
1886 und endigt mit feiner posthum erfchienenen Schrift
über ,die Gotteskräfte des Chriftentums' aus dem Jahre |
1906. Die hier neu veröffentlichten Publikationen Schells
behandeln Fragen aus allen Gebieten der Theologie und
der vergleichenden Religionswiffenfchaft. Selbft kurze
erbauliche Gedanken und Betrachtungen fehlen nicht.
Am wichtigflen aber find doch feine Beiträge zur Apologetik
und katholifchen Glaubenswiffenfchaft, unter denen
feine Rektoratsrede (1897) über das ,Problem des Geiftes'
(S. 185—238) und feine Erörterungen über ,den Gottesbegriff
im Katholizismus und Proteftantismus' 1887 (S.
97—150) und über den ,Katholizismus und Proteftantismus
inbezug auf den religiöfen Portfehritt im Reiche Gottes'
1901 (S. 293—321) als prägnante Zufammenfaffung feiner
charakteriftifchen Grundgedanken ein befonderes Intereffe
verdienen. Wie gründlich und grundfätzlich fich Schell
mit den Gegnern feiner Anfchauung auseinanderfetzt
und wie wenig er dabei tatfächlich ihre Gedanken verzerrt
, lernt man am beften aus feiner kritifchen Studie
zu Harnacks Wefen des Chriftentums ,Das Chriftentum
Chrifti' 1902 (S. 366—381) und aus feiner Erwiderung auf
Profeffor Ladenburgs Angriffe in ,Gefetz und Gottesglaube'
1904 (S. 522—541) kennen. Seine kurzen Apercus: ,Am
Webftuhle der Zeit' aus den Jahrgängen 1902—1906 des
Türmers find mit Meifterhand entworfene Skizzen, die 1
wertvolle Fingerzeige für die innere Gefchichte des neueren
Katholizismus enthalten. Seine Abhandlung über ,die
Todfünde' 1905 (S. 578—593) zeigt uns, wie gerne man
im ultramontanen Lager leine Verfuche, diefen für die
Moraltheologie fo außerordentlich wichtigen Begriff inner- 1
licher zu faffen und zu werten mißverfland und fein für
viele unbequemes Wirken zu untergraben und dadurch
unfehädlich zu machen fuchte und ebendasfelbe bezeugen
uns auch feine beiden Erklärungen und Entgegnungen auf
die Angriffe des Anonyms R. aus dem Ende des Jahres 1901
(S. 344—359)- Auch feine gehaltvolle Auseinanderfetzung
mit Delitzfch in Jahwe und Marduk' 1904 (S. 425—463) i
und feine feinfinnige Kritik des Charakterbildes Jefu nach
Houston Stewart Chamberlain in .Worte Chrifti' 1906 1
(S. 624—639) follen fchließlich nicht unerwähnt bleiben.
Doch auch die anderen von mir hier nicht erwähnten
Schriften bieten tatfächlich einen intereffanten Einblick
,in Schells Geifteswerkftatt und apologetifches ArfenaP, j
fodaß das Buch wohl geeignet ift, weitere Kreife für
die geiftige Arbeit des verdorbenen Würzburger Apologeten
zu intereffieren und ihnen eine fruchtbare Auseinanderfetzung
mit dem feine Kirche ftark idealifierenden
Gelehr ten zu ermöglichen.

Bremgarten. Alb. Bruckner.

Hennemann, Dr. Karl, Herman Schell im Lichte zeit-
genölfilcher Urteile bei feinem Tode. Mit einem biogra-
phifchen und bibliographifchen Anhang. Unveränderter ,
Abdruck der Manufkriptausgabe. Paderborn, F. Schö-
ningh 1909. (XII, 267 S. m. Bildnis.) gr. 8° M. 3.40

Den zahlreichen Freunden und Schülern des Würzburger
Apologeten Herman Schell bietet der Herausgeber
in diefem Buche eine Sammlung von Gedächtnisreden
, Beileidsbekundungen und Nachrufen dar, wie man
fie gerne beim Tode hervorragender Perfönlichkeiten
für den kleineren oder größeren Bekanntenkreis zufam-
menftellt, nur daß diefe dem Anfehen und der wiffen-
fchaftlichen Bedeutung des Verewigten entfprechend zu

einem ftattlichen Buche angewachfen ift. Den Beginn
macht ein ftimmungsvolles Gedicht (S. 1 f.). Dann
folgen 7 Gedächtnisreden (S. 9—40), unter denen die
des Bamberger Erzbifchofs Dr. von Abert die intereffan-
tefte, wenn auch nicht die bedeutendfte ift. Ferner
zahlreiche Beileidsbekundungen an die Univerfität Würzburg
ufw. und Bruchftücke aus folchen (S. 41—52) und
fchließlich 14 zum Teil recht eingehende Nachrufe aus
Zeitfchriften und Tagesblättern (S. 53—221), darunter
auch italienifche und franzöfifche, die der wiffenfehaft-
lichen Arbeit wie der ganzen Perfönlichkeit Schells be-
geifterte Anerkennung zollen und von denen mehrere
durch ihren reichen Inhalt an perfönlichen Erinnerungen
eine unfehätzbare Quelle für den künftigen Biographen
bilden werden und einige kürzere Stimmen aus der
Tagespreffe (S. 222—246), unter denen auch zahlreiche
proteftantifche aufgeführt werden. Den Befchluß bildet
der .Aufruf zur Erichtung eines Grabdenkmals zu Ehren
Prof. Schells' und ein kurzer Epilog aus der Jubiläums-
feftrede des Profeffor Oetker am 11. Mai 1907 (S. 247—
252). Ein kurzer Anhang enthält ,Hauptdaten aus Herman
Schells Leben', den .ärztlichen Bericht' des Dr. Bie-
ling, ein Verzeichnis von Schells Vorlefungen, Veröffentlichungen
und Vorträgen (S. 253—267). Das ganze ift
wie üblich geziert durch eine wohlgelungene Photographie
des Verewigten.

Bremgarten. Alb. Bruckner.

Beilfei, Stephan, S. J., Entltehung der Perikopen des
Römifchen Meßbuches. Zur Gefchichte der Evangelienbücher
in der erften Hälfte des Mittelalters. Freiburg
i. B., Herder 1907. (V, 220S.) gr. 8° M. 4—•

Als ficheres Ergebnis feiner Unterluchungen bezeichnet
der Verfaffer felbft im Vorwort, ,daß die karo-
lingifche Neugeftaltung der Perikopen auf den römifchen,
von Gregor d. Gr. gelegten Grundlagen weiter baute,
und daß die römifch-katholifche Kirche heute überall
da, wo der lateinifch-römifche Ritus befolgt wird, feit
dem 7. bezw. dem II. Jahrhundert die Evangelien der
Meffe im wefentlichen nicht mehr geändert, fondern nur
durch Hinzufügung neuer Fcfte vermehrt hat'. ,Der
Nachweis', fo fährt der Verfaffer fort, ,daß der Kern der
den Evangelien entnommenen Perikopen der Meffe von
Gregor d. Gr. geordnet wurde, daß wir in einigen Hand-
fchriften die ältere, von feinem Vorgänger Gelafius be-
autzte Perikopenreihe befitzen, und daß deren Wurzeln
in den Zeiten der großen Kirchenväter Auguftinus und
Hieronymus liegen, ift ein neues, wichtiges Ergebnis für
den Ausbau der Gefchichte der Liturgie'. Der Verf. unterläßt
auch nicht, auf die nicht geringe Tragweite, diefer
feiner Forfchungsergebniffe hinzuweifen. Jeder wird
erwarten, daß der Verf. ihn durch die folgenden Unter-
fuchungen zu diefen angegebenen Zielen führen werde.
Aber nach einer .Einleitung', in der fehr fkizzenhaft die
,Benutzung der heiligen Evangelien im Gottesdienft' behandelt
wird (S. 1—4), folgt eine Reihe von Kapiteln,
die, von den drei letzten abgefehen, völlig zufammen-
hanglos neben einander flehen. Weder begreift der Lefer
gerade diefe Aufeinanderfolge, noch den Zufammenhang,
in dem fie mit dem eigentlichen Thema des Buches
flehen. Der Autor gibt fich auch keine Mühe, dem Lefer
diefen Zufammenhang zu vermitteln. Die drei erften
Kapitel behandeln griechifche und fyrifche Evangelien-
verzeichniffe (S. 5—41). Dies verfucht der Verf. wenig-
ftens im Vorwort zu rechtfertigen, indem er erklärt, he
feien infoweit in die Arbeit hineingezogen worden, als
es nötig gewefen fei, um die Entftehung der abendlän-
difchen Perikopen durch Vergleich mit denjenigen des
Morgenlandes beffer zu verftehen, und um darzulegen,
wie wenig Orient und Okzident fich hinfichtlich der
evangelifchen Lefungen beeinflußten. Aber wie? Wenn