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Ausgabe:

1909

Spalte:

12-14

Autor/Hrsg.:

Biglmair u. a., A.

Titel/Untertitel:

Festgabe, Alois Knöpfler zur Vollendung des 60. Lebensjahres gewidmet 1909

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 1.

12

II Calend. Carthag. (6. Jahrh. init.) zum 26. Dez.: S. Ste-

phani primi martyris

zum 27. Dez.: 5. Johannis baptistae et Jacobi
apostoli quem Herodes occidit.

zum 28. Dez.: 55. Infantum quos Herodes
occidit,

III Calend. Syr. v. J. 411 (Rezenfion des nikomedifchen

Kalenders von c. 370) zum 26. Dez.: Stephanus,

protomartyr.

zum 27. Dez.: Johannes et Jacobus apostoli

Hierosolym is.

zum 28. Dez.: Romae in urbe Paulus apostolus

et Simon Cephas protapostolus domini.

Man mag nun annehmen (doch ficher ift es keineswegs
), daß fchon das Kalendarium Syr. die fünf Heroen
als Märtyrer feiern will und daß die beiden anderen i
Kalender hier, wie auch fonft, von ihm, d. h. von feiner
Vorlage abhängen. Sie nahmen aber Anfloß daran, daß
Johannes in Jerufalern Märtyrer geworden fein foll, und
deshalb fetzte das Carthaginiense den Täufer ein, das :
Hieronymianum aber erfetzte die ,passio' durch ,assumptio'.
Es tat aber noch einen weiteren Schritt und erfetzte den
Tod des Jakobus Zebed. durch die Ordination des Jakobus
Juftus— warum, braucht uns hier nicht zu kümmern.

Folgt man der Annahme, daß im Kaiend. Syr. — dem
älteflen, den wir befitzen — die Zebedäiden als jerufa- j
lemifche Märtyrer prädiziert find, fo fragt es fich doch,
ob fie urfprünglich d. h. in der Vorlage als Märtyrer
an diefer Stelle aufgeführt waren oder ob ihre Erwähnung
hier nicht aus einem andern Motiv erklärt werden muß.
Diefe Frage ift um fo notwendiger, als es doch höchft
auffallend ift, daß hinter einander Stephanus, Johannes,
Jakobus, Paulus und Petrus gefeiert werden. Was ift das
für ein ganz feltfamer Kalender, der uns glauben machen
will, Stephanus fei am 27. Dez. gemartert worden, Johannes
und Jakobus am 28. und Paulus und Petrus gar am 29.
Dez., während längft für Jakobus, Paulus und Petrus ganz [
andere Märtyrertage in der Kirche geläufig waren?

Hilfe kommt hier von Gregor von Nyffa. In der
Rede auf Bafilius (im J. 379) erzählt er uns, daß es hergebracht
in der Kirche fei, nach der Weihnachtsfeier die
Fefte von Stephanus, Petrus, Jakobus, Johannes und Paulus
zu feiern (Migne Bd. 46 Col. 789). In einer noch früheren
Rede auf Stephanus (Bd. 46 Col. 725) aber erklärt er,
warum man gerade diefe Heroen zufammen feiere. Auf
den Protomartyr müßten die Apoftel folgen, ovxe xoivvv [
(idgxvgeq dvev anoOxoXmv, ovxe naXiv ajroöxoXoi xoj'qXq
extlvmv. xm Xxeepdvoi de xovxqp jcdvxeq egaupvr/q oi xtuioi j
XiQ-oi övvejeXdxqoav — oi fteioxaxoi xmv evayyeXuov
xrjgvxeq, iiefJ ovq oi udgxvgeq, xai fiex avxovq jtdXiv oi
omxngim dgexy diaXdiiipavxeq — jrgonyov//eva)q de oi esti
xov jiagovxoq y.vru.ovevou.evoi stoXv xai Xapmgov ajroöxaa-
jtxovxeq xo xdXXoq xrjq evOeßelaq, Xeyco drj llexgoq xai j
'idxmßoq xai Jcodvvrjq oi xaxd xrjq dstoOxoXixrjq dgtioviaq [
e^agxoi xai xrjq exxXrjOiaöxixrjqevdo^iaqöxecpavoi. Übrigens
hätten fich diefe orpiegov xalq vneg Xgiöxov fjagxvgiai c
6e(ivvv6uevoi auch in diarpogoiq xov fiagxvgiov xgoJtoiq
bewährt, Petrus fei gekreuzigt, Jakobus enthauptet worden,
Johannes aber habe erft ein Ölmartyrium durchgemacht i
und habe ferner das Martyrium durch feinen ftetigen |
Willen bewährt, für den Namen Chrifti zu fterben,

Die Sache liegt klar: die übliche alte Feier des Petrus,
Jakobus, Johannes und Paulus gleich nach Stephanus war
urfprünglich keine Märtyrerfeier, fondern der
Chor der führenden und Chriftum bezeugenden
Apoftel follte nach dem Protomartyr gefeiert werden
. Vielleicht ift diefe Anordnung in der Kirche fchon 1
älter als das Aufkommen des Weihnachtsfefts im Often
am 25. Dez.; doch mag dies hier dahin geftellt bleiben.
Sehr verftändlich ift es aber — die nach dem Kalender
zu feiernden Perfonen waren ja faft alle Märtyrer und die |
ihnen gewidmeten Tage waren deßhalb Märtyrergedenktage
—, daß fich bald das urfprüngliche Motiv verwifchte I

und man, zumal da Stephanus, der Protomartyr, voranftand,
die Feier als Märtyrerfeier verftand. Vielleicht hat fie
fchon Aphraates fo aufgefaßt, wenn er hom. 21 (p. 347 h
ed. Bert) fchreibt: ,Groß und überreich ift das Zeugnis
Jefu, der an Anfechtung und Bekenntnis alle Früheren
und Späteren übertraf. Und nach ihm war ein gläubiger
Zeuge Stephanus, welchen die Juden fteinigten. Und
auch Simon und Paulus waren vollkommene Zeugen,
und Jakobus und Johannes gingen in den Fußtapfen ihres
Meifters Chriftus. Auch von den Apofteln an bis jetzt
bekannten allenthalben und gingen hervor wahre Zeugen'.
Den Johannes unter die Märtyrer zu rechnen, machte dabei
keine Schwierigkeit, da ja die Legende des Ölmar-
tyriums weit in der Kirche verbreitet war.

Bernard hat die paradoxe Eintragung im fyrifchen
Kalender wirklich erklärt. Gerade die Aufnahme des Fefts
in die Kalender mußte die urfprüngliche Abficht fehr
rafch verdunkeln und aus einem Feft der führenden Apoftel
ein Feft ihres Märtyrertodes machen.

Berlin. A. Harnack.

Feftgabe, Alois Knöpfler zur Vollendung des 60. Lebensjahres
gewidmet von A. Biglmair, S. Euringer, J. Greving,
K. Holzhey, J. Hürbin, R. Jud, A. Kempfler, A. M. Koe-
niger, G. Pfeilfchifter, Th. Schermann, J. Schnitzer,
A. Seider, J. Sickenberger, F. X. Thalhofer, H. Vogels,
M. Weiß, F. Wieland. (Veröffentlichungen aus dem
kirchenhiftorifchen Seminar München. Herausgegeben
von A. Knöpfler. III. Reihe Nr. 1.) München, J. J.
Lentner'fche Buchhandlung 1907. (VIII, 348 S.) 8°

M. 5 —

Diefe Feftgabe enthält 17 Beiträge, die zumeift dem
Gebiete der Kirchengefchichte im engeren Sinne angehören
. Da fie als Gefamterfcheinung zu würdigen ift, fo
genügt es, den Inhalt der Artikel kurz anzugeben, und
es darf auf eine Kritik im einzelnen verzichtet werden.
Ich halte es aber für nützlich, auch die Perfonalien der
Herren Mitarbeiter aufzuführen, wie fie in dem voran-
ftehenden Inhaltsverzeichnis geboten find.

Mit Genefis 1 befchäftigen fich zwei der Beiträge.
Der Lyzeal-Profeffor in Dillingen S. Euringefbehandelt
,das naturwiffenfchaftliche Hexaemeronproblem und die
katholifche Exegefe' (S. 25—45). Er gibt ein lehrreiches
Bild von den Verfuchen der katholifchen Exegefe, die
biblifchen und naturwiffenfchaftlichen Angaben über
Kosmogonie und Geogonie zu vereinigen und diefe
Divergenzen mit der Lehre von der Irrtumslofigkeit der
heiligen Schrift zu verföhnen. Ihm fcheint die Theorie
von den citationes implicitae, richtig angewendet, fehr
fruchtbar zu fein und das Hexaemeronproblem zu fördern
. — Der Lyzeal-Profeffor in Freifing K. Holzhey
fieht in feinem Artikel: ,Genefis 1 und die antike Philo-
fophie' (S. 82—93) ab von der Eigenfchaft des Verfaffers
als eines Infpirierten und betrachtet ihn nur als gelehrten
Schriftfteller. Er kommt zu dem Refultat: Genefis 1 gehört
in die Zeit zwifchen Efra und Alexander dem Großen.
Die Kosmogonie Hellt den Verfuch dar, im Rahmen der
ftrengen Sabbatsidee des Judentums mit den fcharfen
Waffen griechifcher Philofophie und Naturerkenntnis
den babylonifchen Hylozoismus und Polytheismus endgültig
zu widerlegen und auszufchließen. —

Einen Beitrag zur Exegefe des Neuen Teftamentes
gibt der Profeffor an der Univerfität Breslau J. Sickenberger
: Jux vera — veniens in hunc mundum; Jo. 1,9c
(S. 275—294). Er exegefiert die Stelle genau und befürwortet
für eine Revifion der fixtinifch-klementinifchen
Vulgata die Aufnahme der Lefung: veniens in hunc
mundum (ftatt venientem). —

In das Grenzgebiet von heidnifcher und chriftlicher
Religion führt der Subregens in Dillingen F. Wieland: