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Ausgabe:

1909 Nr. 10

Spalte:

314-316

Autor/Hrsg.:

Schaeder, Erich

Titel/Untertitel:

Schriftglaube und Heilsgewißheit. Vorlesungen 1909

Rezensent:

Lobstein, Paul

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;i3 Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 10. 314

nicht nur bedeutet, das Chriftentum beruhe auf über- gionsphilofophie und die Apologetik, das er in der dritten
natürlicher Offenbarung, fondern daß er ein inhaltlich- und fünften Abhandlung entwickelt. Hinfichtlich der
religiöfes Urteil über Jefus Chriftus als den einzigartigen Aufgabe der Religionsphilofophie kann ich ihm ganz
Mittler zwifchen Gott und den Menfchen einfchließt. , zuftimmen. Was aber die Apologetik anlangt, fo be-
Deshalb beziehe fich der Abfolutheitsanfpruch des Chriften- zweifle ich, daß eine folche Heraushebung und gefonderte
tums auf die ganze Reihe der religiöfen Urteile, in deren , Unterfuchung des Weltanfchauungsgehalts des Chriften-
Zufammenhang der Glaube an die Mittlerfchaft Chrifti | tums, wie fie H. wünfcht und wie fie fich gewiß praktifch
entfteht; er fei aber auch begrenzt auf diefen Zufammen- : ausführen läßt, für fich allein einen rechten ,apologetifchen'
hang. Zu begründen fei er auf die chriftliche Erfahrung [ Wert hat. Das entfcheidende Moment in der Apologetik
und er habe feine Geltung auch nur für den Kreis derer, muß doch nicht die Rechtfertigung der vom chriftlichen
die mit diefer Erfahrung als mit einer gegebenen Größe Glaubensftandpunkt aus gewonnenen Weltanfchauung,
rechnen. Ein ftringenter hiftorifcher Beweis laffe fich fondern die Rechtfertigung diefes Glaubensftandpunktes
für ihn nicht führen, — aber auch nicht für die Thefe felbft fein. Diefe aber ift in gründlicher Weife nur mög-
von Tr., daß das Chriftentum die höchfte bisher erreichte lieh mitteilt einer Darlegung der ganzen Grundlagen
Religionsftufe darftelle. des Glaubensftandpunktes und der ganzen Konfequenzen,

In der dritten Abhandlung zeichnet H. ,die religions- zu denen man von diefem Standpunkte aus geführt wird,
philofophifche Aufgabe der kirchlichen Theologie'. Die j D. h. eine rechte Apologetik läßt fich m. E. nur geben
kirchliche Theologie hat es zwar in erfter Linie mit dem in einer fyftematifchen Vorführung der ganzen chriftlichen
Chriftentum als der abfoluten Religion zu tun. Aber fie Lehre, wobei jeder einzelne Punkt geprüft und gegen
darf an den übrigen Religionen nicht ganz vorbeigehen, Mißverftändniffe und Angriffe gefchützt wird. Dabei wird
fondern muß fich in einer Religionsphilofophie mit ihnen natürlich auch die Auseinanderfetzung der chriftlichen
auseinanderfetzen. In der Gewißheit, daß das Chriftentum Weltanfchauung mit andersartigen Weltanfchauungen eine
als die abfolute Religion der Maßftab für die anderen wichtige Rolle fpielen. Aber diefe Auseinanderfetzung
Religionen ift, muß die Vorausfetzung diefer religions- hat doch nur als Glied des Ganzen überzeugende Kraft,
philofophifchen Arbeit liegen. Zu ihr gehört erftens die Leider fehlt dem Buche eine Inhaltsüberficht. Die

Unterfuchung des Wefens der Religion. Es ift zu zeigen, I kurze Bezeichnung der Titel der 5 Abhandlungen im Vor-
wie fich der dem Chriftentum entlehnte religiöfe Maßftab worte, ohne Seitenangaben und ohne Bezeichnung der
an den Erfcheinungen der Religionsgefchichte bewährt Unterabfchnitte, bietet dafür keinen Erfatz.
und wie das wefentlich Religiöfe von dem Nichtreligiöfen jena H H Wendt

oder Falfchreligiöfen abzugrenzen ift. Zweitens aber ift

es Aufgabe der Religionsphilofophie, die Religion im Schaeder, Prof. D. Erich, Schriftglaube und Heilsgewißheit.

allgemeinen Zufamme^nhange unferesWifTensizu betrachten Vorlefungen. Gütersloh, C. Bertelsmann 1908. (80 S.)

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und zu verliehen. Diefe Aufgabe gliedert fich in eine
pfychologifche, ethifche, erkenntniskritifche und meta-

gr. 8° M. 1.20; geb. M. 1.80

phyfifche Unterfuchung an der Religion. Eine aus dem Lager der modern pofitiven Richtung
Der vierte Auffatz: ,Die Apologetik einft und jetzt' ', flammende Schrift, die den erfreulichen Beweis dafür

gibt einen kurzen Abriß der Gefchichte der Apologetik, liefert, daß wo der religiöfe Kern der überlieferten

Der Verf. charakterifiert die rationale, intellektualiftifche Dogmatik energifch herausgearbeitet und geltend gemacht

Art der altchriftlichen Apologetik, die auf einem Kom- wird, fich ein wachfender Konfenfus unter den Theologen

promiß zwifchen dem Chriftentum und der philofophifchen der Gegenwart anbahnt, der die noch vorhandenen

Weltanfchauung beruhte. Er ftellt ihr die Anfätze zu Differenzpunkte keineswegs verhüllt oder vertufcht, aber

einer andersartigen, nicht auf theoretifche Gründe, fondern das Gemeinfame und das Eine, was not tut, entfehieden

auf die Grundlagen des Glaubens felbft fich ftützenden in den Mittelpunkt ftellt. Schaeders Effay berührt fich

Apologetik gegenüber, wie fie durch die Reformatoren, mit Haupts bekannter und weitverbreiteter Schrift über

dann durch Kant und Schleiermacher, endlich durch die ,die Bedeutung der heiligen Schrift für den evangelifchen
Erlanger Schule und A. Ritfehl gewonnen find- Chriften' 1891 (h. Theol. Litztg. 1891, Nr. 23), Bei allen

In der fünften Abhandlung: ,Grundzüge der Apolo- Abweichungen im einzelnen, bietet der allgemeine Gang

getik' entwickelt H. genauer die Aufgabe diefer richtigen der Darftellung manche Ähnlichkeit; vielleicht tritt bei

chriftlichen Apologetik. Er beftimmt fie im allgemeinen Schaeder der genuin lutherifche Standpunkt der Betrach-

dahin, daß fie den Weltanfchauungsgehalt des Chriften- tung ftärker hervor, doch bildet beiderfeits der evan-

tums herausftellen und begründen und die chriftliche gelifche Heilsglaube das beherrfchende Zentrum derganzen

Weltanfchauung mit anderen Weltanfchauungen aus- Entwicklung.

einanderfetzen foll. Sie hat vom Standpunkte der chrift- Sch. nimmt feinen Ausgangspunkt in dem Begriff der
liehen Glaubenserfahrung aus Urteile über Gott als die Heilsgewißheit, als der Gewißheit der Sündenvergebung,
abfolute geiftige Perfönlichkeit, über die empirifche Welt- des Friedens mit Gott und der wiedergewonnenen Gotteswirklichkeit
in ihrer Bedingtheit durch Gott und über gemeinfehaft mit allen ihren lebendigen Folgen. Solche
das Verhältnis des Menfchen zur tranfzendenten Wirk- Gemeinfehaft ftellt kein Menfchenwort als folches, auch
lichkeit aufzuftellen und fie hat fich fpeziell mit den nicht das Wort der Schrift als folches, fondern nur der
Prinzipien, Methoden und Refultaten der Naturwiffenfehaft Geift des lebendigen Gottes her. Der Gott aber, in deffen
auseinanderzufetzen, namentlich in der erkenntniskritifchen Gemeinfehaft wir als heilsgewiffeGlaubensmenfchen flehen,
Beziehung, daß fie den Unterfchied zwifchen der Natur- ift der Gott der gefchichtlichen Heilsoffenbarung, der
erfahrung und der religiöfen Erfahrung darlegt. Die Gott der Heilsgefchichte. Das Zentrum derfelben ift
näheren Ausführungen des Verf. über diefen letzteren Chriftus, der für den Glauben nicht als eine längft verPunkt
find durch Klarheit und Sicherheit des Urteils gangene Geftalt in Betracht kommt, fondern durch den
ausgezeichnet. Ich habe mich nur gewundert, daß der , Geift Gottes zu einer Gegenwartsmacht erhoben wird.
Verf., der hier das Verhältnis des naturwiffenfehaftlich So geftaltet fich das Gotteserlebnis zu dem Chriftuserlebnis,
aufzufaffenden Kaufalzufammenhanges zu der fchöpfe- in welchem der Jefus der Gefchichte fich als der gegen-
rifchen Weltwirkfamkeit Gottes fo richtig erfaßt, nicht wärtig lebende und wirkende dem gläubigen Gemüte
in feiner erften Abhandung ein analoges Urteil über das kund gibt. Diefer heilsgewiffe Glaube, der fich der Nähe
Verhältnis des religionsgefchichtlichen Entwicklungs- feines Heilands und dadurch der rechtfertigenden Gemein-
prozeffes zu dem Offenbarungswirken Gottes gefunden hat. fchaft feines Gottes getröftet, hängt in der Regel an der
H.s Buch verdient Beachtung befonders wegen des in der Kirche laut werdenden und in allerlei Formen
forgfältig durchdachten Arbeitsprogramms für die Reli- umgehenden viva vox evangelii. Unauflöslich ift die