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Ausgabe:

1909 Nr. 10

Spalte:

292-294

Autor/Hrsg.:

Tertulliani, Florentis

Titel/Untertitel:

De baptismo 1909

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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291

Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 10.

292

Heer, Priv.-Doz. DD. Jofeph Michael, Die Versio laiina des
Barnabasbriefes und ihr Verhältnis zur altlateinifchen Bibel

erftmals unterfucht, nebft Ausgabe und Gloffar des
griechifchen und lateinifchen Textes. Mit einer Tafel.
Freiburg i. B., Herder 1908. (LXXXIV, 132 S.) gr. 8»

M. 7 —

Die Aufgabe, die fich der Verfaffer diefes Buchs
geftellt hat, ift eine lohnende; er will die alte lateinifche
Überfetzung des Barnabasbriefs, die bisher eigentlich nur
behufs Herftellung des griechifchen Urtextes der Aufmerk-
famkeit gewürdigt worden fei, als Denkmal der altkirchlichen
lateinifchen Literatur, insbefondere in ihrem Verhältnis
zu den altlateinifchen Bibelüberfetzungen genauer
unterfuchen. Den einzigen Kodex, der die Verfion enthält
, einen Corbeiensis, jetzt in St. Petersburg, hat er lieh
nach Karlsruhe kommen laffen und bietet S. 1 —16 einen
genauen Abdruck; S. 17—94 erhalten wir den lateinifchen
Text nochmals, aber jetzt konfrontiert mit dem griechifchen
— beide mit reichlichem Apparat ausgeftattet; befonders
wertvoll dürften die Gloflarien S. 100—130 fein, das
griechifch-lateinifche faft vollftändig und mit Angabe der
Stellen, kürzer gefaßt das lateinifch-griechifche. Daß die
Nachträge und Berichtigungen zwei Seiten füllen, würde
man gern entfchuldigen, wenn nur nicht noch fo viele
Fehler flehen geblieben wären, nicht bloß bei Zahlen
und Buchftaben, fondern felbft finnftörende wie S. 25, 6
iniustiae, S. 28, Z. 2 v. u. övveTtT/irjöav flatt ovpsTUt'jttrjOav,
S. XXV, 7 und 12 celebrabitis und sacrificium ft. celebrabis
und sacrificiorum, vollends S. XLII, 27 dyäjtrjq ft. Jtrjyrjq.

Ein Hauptfehler des Werks ift feine Breite. Gehören
die Testimonia zur Gefchichte des Barnabasbriefs in diefe
der lateinifchen Überfetzung gewidmete Studie? Und
mußte in den Prolcgomena unter der Überfchrift Text-
gefchichte der Versio latina die Gefchichte aller Editionen
des Briefs durchgegangen werden? Liegt nicht auch
fchon die Unterfuchung S. LXI—LXXXIV über die 3
griechifchen und den 1 lateinifchen Textzeugen und die
Beftimmung ihres Wertverhältniffes — zum Schluß wird
ein Stemma der Handfchriften aufgeftellt — jenfeits der
von Heer felber getroffenen Zweckbeftimmung? Aber
dies Zuviel, die nochmalige Mitteilung von längft bekannten
und bequem zugänglichen Stoffmaffen wäre
niemandem ärgerlich, wenn H. eine abfchließende Arbeit
leiftete. Davon kann aber nicht die Rede fein: trotz alles
aufgewandten Fleißes hat er das Material an der ent-
fcheidenden Stelle, aus den altlateinifchen Bibelüberfetzungen
, nicht ausreichend gefichtet, gefchweige vollftändig
erhoben, und feine Refultate können vielfach nur
als Vorfchläge von zweifelhaftem Wert hingenommen
werden. Die Frage nach der Perfon des Überfetzers
(XXXVII—XL) hätte er fich gar nicht erft ftellen laffen
dürfen, bei Erörterung des Zwecks der Überfetzung uns
mit Thefen verfchonen follen wie der S. XXI, daß der
Autor den Brief nicht für kanonifch gehalten haben kann,
weil er fich fonft bei der Übertragung nicht fo ftarke
Freiheit erlaubt haben würde. Köftüch ift das Argument,
das Heer S. XXII aus c. XII entnimmt. Dort giebt der
Lateiner einen längeren griechifchen Satz ganz frei wieder
durch: adsidua lectio utilis est. Sowohl assidua wie utilis
est paßt nach Heer am beften auf fleißige Privatlektüre,
,denn die gottesdienftliche Lefung bedurfte in damaliger
Zeit einer folchen Empfehlung nicht": Mit Recht behauptet
H. S. XXIIIff., daß der Überfetzer bei Bibelftellen
oft den ihm aus feiner lateinifchen Bibel bekannten Text
eingefchoben habe, ftattden von diefem Bibeltext gewaltig
abweichenden Barnabas-Text zu überfetzen: eben daher
fchöpft er auch die Überzeugung, daß unfer Lateiner
etwa um die Zeit Cyprians, wahrfcheinlich in Afrika,
gearbeitet hat. H. ift hier fogar verftändig genug, um für
die einzelnen biblifchen Bücher ein verfchiedenes Verhältnis
zuzulaffen; die Stellen, wo der Überfetzer an-

fcheinend fich bloß an feine unmittelbare Vorlage hält,
hätten zwar noch vollftändiger durchgefprochen werden
können; für Jefaia und Daniel aber hat Heer das Richtige
feftgeftellt. Doch auch da nicht in den Einzelheiten, denn
der Apparat vorhieronymianifcher Bibelüberfetzungen,
mit dem er arbeitet, ift Harteis Cyprian-Ausgabe und die
Biblia Sabatiers vom Jahre 1743!

Daß er durch einen Blick in Swetes LXX-Ausgabe
zu Jef. 58,4f. feine Skrupel über ein xdl rjpiQav im cod.
Mediol. befeitigen konnte, weiß er nicht; daß paganus
vielleicht Gegenfatz zu viilcs Christiift, hält er S. XLVIII
n. 40a für eine Vermutung des ,Herrn von Domaszewski';
er glaubt feinem Lehrer Rückert eine Flhre anzutun, indem
er S. XLVII deffen Bemerkung notiert, daran erkenne
man den echten Lateiner, daß er es verfchmähe, Fremd-
worte zu gebrauchen. Ohne irgendwelche Kenntnis von
Traubes Nomina Sacra wird mit Konjekturen luftig fortgefahren
wie der (S. XLIII), daß Jiominibus ftatt humilibus
bei Tertullian und Barnabas lat. auf einer paläographifchen
Verlefung von ANOPB ft. rast E1NOIN beruhe, wo wohl
fchon vor Traube ein lateinifcher Lefe- oder Schreibfehler
hominibus ft. humilibus das Näherliegende war.
Scharf antijüdifche Stimmung nimmt H. bei unferem Überfetzer
wahr, wagt nicht einmal feine Zugehörigkeit zur
montaniftifchen Sekte zu beftreiten! Aber die entfehei-
dende Frage, woher die großen Ausladungen beim
Lateiner kommen, nicht bloß die des gefamten Schluß-
abfehnitts, fondern allerwärts im Text, wird fowenig wie die
zweite, wie weit die griechifche Sprachkenntnis des Überfetzers
, insbefondere bei den ihm aus feiner lateinifchen
Bibel zweifellos bekannten biblifchen Hauptbegriffen
reichte, gründlich vorgenommen. Wenn der Überfetzer
z. B. jtaQÜßaOiq und jiaoaßalvtip durch praeteritio und
praetcrire wiedergiebt, während fonft die Überfetzung
transgressio oder praevaricatio üblich ift, fo verdient das
ebenfo ernfte Aufmerkfamkeit wie feine Behandlung von
Gmt.Eiv oder luvt]. Die Gutherzigkeit, die S. LXIX einen
feineren Zug beim Lateiner darin findet, daß er unverkennbar
der Schicklichkeit wegen' axQoßvöria immer
unüberfetzt läßt, darf fo wenig Gläubige finden wie die
Schnelligkeit, mit der an einem Spinnfaden S. LXXVIIIf.
die Thefe aufgehängt wird, daß fich die Textgefchichte
des Barn.-Kodex Vatic. zum nicht geringen Teil in Antiochien
oder Konftantinopel abgefpielt haben möge. —
Alfo: Ausgabe und Gloffar des griechifchen und lateinifchen
Textes dankenswert, Prolegomena und Apparat
mangelhaft in Maßftäben, Materialien und Ergebniffen.

Marburg. Ad. Jülicher.

Tertulliani, Q. Scptimi Florentis, De baptismo. Edited with
an introduetion and notes by J. M. Lupton, M. A.
Cambridge, University Press 1908. (XLIV, 78 p.)
8° s. 4.6

In der reizenden Sammlung der Cambridge Patristic
Texts ift kürzlich Tertullians ebenfo für die Dogmen- wie
für die Kultusgefchichte ergiebige Abhandlung über die
Taufe erfchienen. Die Einleitung bietet das, was man an
diefer Stelle erwartet, vielleicht etwas breiter als nötig;
in der 5 Seiten füllenden Bibliographie fleht ganz Wert-
lofes neben Bedeutendem; Heitmüllers Beiträge zur Gefchichte
des Tauffakraments find dem Verf. unbekannt
geblieben, und während Bonwetfchs Monographie über
den Montanismus das Prädikat ,fehr gut und klar' erhält,
muß fich Harnacks Dogmengefchichte mit der hier wahrlich
nicht angebrachten Zenfur begnügen: wertvoll, aber
mit Vorficht zu benutzen.

Der Text von de baptismo wird mit größter Akribie,
faft immer in Übereinftimmung mit dem der Wiener Ausgabe
geboten; der Interpunktion ift befondere Sorgfalt
gewidmet. In den Anmerkungen werden Einzelheiten
erklärt, befonders die biblifchen Zitate kontrolliert; gute